Wichtelpäckchen 22 🎇

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Weihnachts-Blues im Endstadium

präsentiert von sarcasm_with_J

🎁 Weihnachtslied · silber · Schneemann · madigmachen 🎁

Weihnachten. Zeit der Ruhe und des Friedens, Zeit von Plätzchen und Spekulatius, Zeit von sanftem Glockengeläute, das jeden Raum des Hauses durchdringt und mit dem leisen Knacksen des Kaminfeuers zu einem Crescendo der Seligkeit heranwächst...

„Was für ein Unsinn", seufzte ich und rieb mir mit den Fingerknöcheln über die Augen. Wieso hatte ich mich überhaupt dazu breitschlagen lassen, einen Text für einen dämlichen Kalender auf Wattpad schreiben lassen? Wattpad von allen Dingen! Diese Plattform untalentierter Möchtegern-Autoren und cringy Roleplayer. Und Leuten wie den Autoren – oder eher Organisatoren, denn sie schrieben ja nicht mal selbst! - dieses verfluchten Adventskalenders. Ich mochte Weihnachten nicht einmal und jetzt sollte ich eine Art Lobeshymne darauf schreiben? Sollte erzählen wie toll der Konsumwahn in sämtlichen Kaufhäusern eine Woche vor Weihnachten war? Oder von den epischen Höhen und Tiefen des Weihnachtsessen mit der Familie berichten, bei dem am Ende über die Hälfte der Anwesenden betrunken war, mindestens ein Onkel Verschwörungstheorien über Nazis in der hohlen Erde erzählte und jeder eigentlich nur noch nach Hause wollte? No way, José! Ich überflog rasch die Liste meiner Reizwörter und musste grinsen. Durch einen Wink des Schicksals, zweifellos, hatte man mir den Begriff „madig machen" zugeteilt. „Ganz großer Fehler...", murmelte ich, bevor ich das bisher geschriebene löschte und mich erneut ans Werk machte.

Weihnachten. Zeit der Hektik und des Geschenkewahns. Zeit von Herpes-verursachenden Mistelzweigen und greller Plastik-Deko. Die Zeit, in der jeder vorgibt, auf einmal einen feuchten Dreck auf seine Mitmenschen zu geben. „Ich habe euch allen einen Bonus überwiesen", meint da der Chef der fragwürdigen Pizzabude zu seiner an der Mindestlohngrenze festhängenden Belegschaft. „Weihnachten ist ein Fest für alle Menschen, egal, ob arm oder reich", skandiert da der Millionär und wirft dem Obdachlosen ausnahmsweise mal einen Euro mehr in den Hut, was dessen Einkünfte somit auf beeindruckende 1,50 Euro bringt. „Dieses Jahr feiern wir alle zusammen", verspricht da der Familienvater, der genau weiß, dass er auch an diesem 24. im Büro sitzen und, wenn er Glück hat, seine Frau mit der scharfen Sekretärin betrügen wird.

Ich hielt kurz inne und überflog das Geschriebene. Ziemlich zynisch, aber das konnten die ach so kreativ benannten Kuschelbärchis oder wie sie auch immer hießen ja ahnen als sie mich um meine Mithilfe baten. „Ich finde, einen tollen sarkastischen Text von dir im Adventskalender zu lesen, wäre genial", hatte man mir versichert. Dennoch kam ich mir langsam vor wir der Grinch. Vielleicht sollte ich einfach dreist den Plot dieses Films oder vielleicht den der Weihnachtsgeschichte stehlen und erzählen, wie ich plötzlich doch ein Freund dieses Festes wurde? Bah, Humbug. Mein Herz würde sicher nicht dreimal so groß werden und jeder einzelne Who in Whoville can feck right off. Ich schüttelte den Kopf, erhob mich von meiner Couch und stellte mich ans Fenster. Draußen schob sich ein Auto durch den grauen Schneematsch. Es war fünf Uhr, bereits dunkel und meine saisonale Depression hatte ihren Höhepunkt erreicht. Ich legte den Hinterkopf an die kalte Fensterscheibe und dachte nach. Irgendetwas musste ich zustande bringen, allein schon wegen meiner Autorenehre! Auf der Suche nach einem Funken Inspiration sah ich mich in meinem Zimmer um, bis mein Blick auf die sorgfältig geschliffene Axt fiel, die ich für alle Fälle auf meinem Nachttisch liegen hatte – man wusste ja nie, wann man sowas brauchen konnte – und mir kam eine Idee. Mit fliegenden Fingern setzte ich mich an meinen Laptop und begann erneut zu tippen.

Weihnachtswichtelwusel 2020Where stories live. Discover now