💕9💕Erste Nachhilfestunde

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🍁POV. Nam Jae-Yong (남제용)

Pünktlich wie ich war, stand ich exakt um 15 Uhr vor dem rießigen Haus - Villa traf es wohl eher - und klingelte mit kaltschwitzigen Händen am Tor.

Ich sah eine Frau vom Balkon im ersten Stockwerk die Außentreppe hinuntersteigen, bis sie aus meinem Blickfeld verschwand und das Außentor langsam auffuhr.

Die fremde Frau mittleren Alters kam mit freundlichem Lächeln auf mich zugeeilt und plapperte etwas auf chinesisch los. Ich verstand nur einzelne Fetzen von dem, was sie sagte, aber mithilfe ihrer energischen Handgesten und ihrem Blick auf meinem Fahrrad, wurde es verständlicher.

Zögerlich überließ ich das Fahrrad in ihre Hände und lief schweigend hinter ihr her in den Garten.

"Du bist Nam Jae-Yong, richtig?", fragte sie nun mit nuschelndem Englisch.

"Duì." [Ja], antwortete ich ganz zu ihre Begeisterung in ihrer Muttersprache. Leider veranlasste sie es aber auch, direkt wieder ins Chinesische zu wechseln und so ging das weiter, bis wir im Wohnzimmer ankamen. Ich nickte immer mal wieder lächelnd, um nicht unhöflich zu sein.

"Du?!" Mein Herz sackte mir beinahe auf den Boden, als ich die unerfreute Stimme hörte. Davor hatten mich letzte Nacht noch Albträume heimgesucht...

"Hallo.", begrüßte ich Gao Tai Wei, der mit Xbox-Controller auf dem Sofa lag und mich mit aufgerissenen Augen, wie einen Alien aus ferner Zivilisation ansah.

Mit jeder Sekunde die verstrich, wurde die Situation mehr und mehr unangenehm.

Das schien auch die freundliche Haushälterin zu bemerken und fing nun wieder an, in chinesisch auf mich einzureden, aber nicht lange, bis Gao Tai Wei sie plötzlich übertönte.

"Jingjing...er...kann...dich...sowieso...
nicht...verstehen.", redete er so langsames Englisch, dass sie es leichter hätte, ihn zu verstehen.

Und trotzdem traf er bei ihr auf Unverständnis und seufzend wechelte er ebenfalls zu Mandarin und diskutierte mit ihr bestimmt 5 Minuten lang. Ich hingegen stand wie blöd im Raum herum.

Am Ende wurde Tai Weis Stimme etwas lauter und er schrie die Frau schon regelrecht an. Mein sprachliches Bestes gebend, verstand ich, dass er sich weigerte, auch nur eine einzige Stunde Nachhilfe von mir zu nehmen.

Die Haushälterin widerrum wüsste dann aber nicht, wie sie das seinen Eltern erklären sollte. "Deine Eltern werden wütend sein, Gao Tai Wei. Auf dich und auf mich."

Was auch immer ihn aus ihren Worten dazu gebracht hat, er wurde wieder ruhiger, legte seinen Xbox-Controller endlich zur Seite und wandte sich an mich.

"Also gut, fang an.", forderte er mich auf und ich setzte mich erleichtert auf den Sessel gegenüber von ihm.

Die Haushälterin verließ begeistert das Wohnzimmer und meinte noch, sie würde uns gleich etwas zum Essen bringen.

"Für welches Fach möchtest du zuerst lernen?"

"Mir doch egal."

Als ich das Mathebuch auspackte, griff er sofort wieder nach dem Controller und spielte weiter.

Ich ließ mich davon nicht unterkriegen und blätterte im Buch herum. "Ich geb dir erstmal ein paar Aufgaben, damit ich weiß, wo du Schwierigkeiten hast."

Bevor ich die erste Aufgabe rauspicken konnte, kam die Haushälterin schimpfend zurück und entriss dem Jungen tobend den Controller. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, sie wäre seine Mutter.

Gao Tai Wei ergab sich augenblicklich und die Frau mittleren Alters verließ mit einem Engelsgesicht wieder den Raum, so als wäre nie etwas gewesen. Ich mochte sie.

"Also gut, dann probier mal diese Aufgabe."

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Ich hatte das Gefühl für die Zeit verloren und ich konnte nicht fassen, dass es Gao Tai Wei anscheinend auch so ging. Er wurde gelassener und schien sich kaum noch daran zu stören, dass ich es war, der hier gegenüber von ihm saß.

Trotzdem blieb er wachsam und jedes Mal, wenn ich ihm etwas erklärte, zog er schnell seine Hände weg, damit sie sich ja nicht berührten.

Ich erinnerte mich zurück, als wir früher immer gemeinsam gelernt hatten. Mit dem kleinen Unterschied, dass wir nun wirklich lernten und damals eigentlich alles gemacht hatten...außer eben lernen.

"Es ist schon 17:12, ich sollte gehen.", meinte ich mit einem Blick auf meine schwarze Armbanduhr.

"Okay." Kurz und knapp. Ich konnte im Moment nicht erahnen, was in ihm vorging.

Wir räumten die herumliegenden Blätter und Bücher ein und ich schulterte meinen Rucksack, bereit zu gehen.

"Oh, Nam Jae-Yong! Schön, dass ich dich noch antreffe, ach wir haben uns so lange nicht gesehen" Das war nun wirklich Gao Tai Weis Mutter und sie kam mit offenen Armen auf mich zu.

Etwas überfordert ließ ich die Umarmung über mich ergehen. "Möchtest du noch zum Essen bleiben?"

Ich überlegte es mir für einen Moment wirklich, aber Gao Tai Wei kam mir zuvor. "Seine Eltern haben gemeint, er soll pünktlich zuhause sein, nicht wahr, Jae-Yong?"

Mir blieb nichts anderes übrig, als mit einem Lächeln zu nicken.

Also heute kein Abendessen à la Gao für mich...auch okay.

🍁🍁🍁🍁🍁🍁

Ich fuhr mit dem Fahrrad nach Hause und war froh über die kalte Luft, die mir übers Gesicht striff und mich klarer denken ließ...naja klarer nicht wirklich.

Meine Gedanken drehten sich die gesamte Zeit nur um Gao Tai Wei, ich konnte nicht aufhören zu lächeln und glücklich zu sein. Mein ganzer Körper zitterte vor Glück.

Ich machte mir Hoffnung, Hoffnungen, dass wir wieder Freunde werden könnten. Aber könnte ich das? Nur Freunde sein, meine ich?

⚡Underdogs⚡Where stories live. Discover now