Kapitel 49 || Gerichtsverhandlung

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"Somit ist er der Hexerei, des Missbrauchs und dem Diebstahl angeklagt.", schloss er seine Rede und bedachte mich mit einem bedeutungsschweren Blick. Es herrschte Stille. Als keiner etwas sagte, beschloss ich, dass es nun wohl an mir war, mich zu verteildigen. "Ich weiß nicht, wer Ihnen die Sache mit der Hexerei erzählt hat, aber in Varia gibt es seit Jahrhunderten keine Hexen mehr. Sie wurden ausgerottet, weil sie den Menschen dort tagtäglich das Leben schwer machten. Allerdings ist es ein Märchen, dass eine Hexe jemals etwas anderes konnte, als zu töten und Krankheiten herauf zu beschwören -" "Damit hast du dich selbst verraten, mein Junge. Du hast ihm eine Krankheit angehext." "Und was soll das bitte sein?" Ich starrte ihn ungläubig an, was ich erwartet hatte, wusste ich nicht, doch dass mir solche offensichtlichen Lügen angehängt wurden, nicht.

Er lachte überheblich. "Was wohl? Dass er meint dich zu lieben, natürlich!" "Liebe ist keine Krankheit!" Ich sprang auf. Patrick bedachte mich mit einem warnenden Blick, doch ich ignorierte ihn gekonnt. "Liebe ist so natürlich, wie das Leben in Varia. Oder verhaften Sie auch Ihre Ehefrau, wenn sie Gefühle ihnen gegenüber entwickelt?" "Der Unterschied ist, dass meine Ehefrau weiblich ist. Liebe zwischen zwei Männern gibt es nicht." Empört schnappte ich nach Luft. "Das glauben Sie doch selber nicht!" Ich merkte, wie mein Herz schneller schlug, das Blut durch meine Adern rauschte. Doch der Richter sah mich nur überheblich an. "Setzen Sie sich, wir möchten die Sicht Herrn Mayers hören. Auch wenn ich kaum glaube, dass das Sie vor dem Amboss retten wird." Ich lachte ungläubig auf. "Amboss? Für mehr hat das Geschick nicht gereicht, oder?" "Setzen!" Doch ich hörte nicht auf ihn, drehte mich lediglich zu Patrick, um ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich zum ersten Mal seinen Nachnamen hörte. Mayer. Patrick Mayer. Ein kleines Schmunzeln flog über meine Lippen.

Entgegen meiner Erwartungen stand er ebenfalls auf, suchte kurz den Blickkontakt mit mir und fing dann an zu reden. "Ich möchte nicht leugnen, dass ich Manuel nach Nya gebracht habe, nein, doch zu seiner Ankunft war er bewusstlos und vollgepumpt mit dem Gift eines Phantoms, eines Monsters, dass ihr alle nicht kennt, weil ihr nie die wahre Wildnis gesehen habt. Francine Wollschläger kann das beweisen." Ich sah, wie er seinen Blick nach links wandte. Francine sah uns an, blieb jedoch still. Der Richter hob eine Augenbraue. "Können Sie das bezeugen?" Ihr blick wanderte zwischen Joe und einem anderen Mann hin und her. Während ihr Gemahl eher schlicht gekleidet war, trug der Andere eine hellblaue Robe mit goldener Spitze. "Nein, nein, ich kann dem nicht zustimmen.", sagte sie schließlich und erhob sich nun auch. "Ich kann bezeugen, dass es ihm nicht gut ging, bei seiner Ankunft, doch das könnte auch an dem starken Zauber liegen, den er auf Patrick anwendete, um sich Zugang in unser wohlbehütetes Nya zu verschaffen." Ein Raunen ging durch die Menge, Patrick sah sie verständnislos an. Ich sah, wie Joe leise mit ihr diskutierte, doch sie schüttelte nur den Kopf. Der Mann in der blauen Robe wandte sich zu ihr um, für einen Moment lag seine Hand auf der ihren.

"Wie bitte? Du hast ihn verarztet, er war Ewigkeiten bewusstlos. Außerdem gibt es keine Hexerei in Varia. Ich habe eine Lehre gemacht, mich lange genug mit der Religion und Geschichte befasst, um dem guten Gewissens zustimmen zu können." Patricks Mutter beugte sich zu ihm runter. "Sag nichts, was du später nicht bereuen wirst. Seine Nähe", sie warf mir einen bösen Blick zu, "verwirrt dich. Lass dich davon nicht beeinträchtigen, mein Schatz." "Halt dich daraus, Mutter. Ihr habt mir schon genug eingebrockt." "Aber Patrick -" "Da die Aussagen der Zeugin eindeutig sind, können wir wohl zum Urteil kommen. Hat einer der Anwesenden etwas dagegen ein zu wenden?" Es blieb still. Patrick blickte weiterhin verkrampft zu der linken Seite. "Nun gut, dann -" Der Brünette sank auf die Knie, der Richter verstummte augenblicklich.

"Ein ziemlich ungewöhnlicher Ort, für mein Vorhaben. Aber ich möchte der Welt mitteilen, dass ich mich verliebt habe. Nie hatte ich gedacht, ich würde dieses Gefühl je so stark spüren, doch du, Manuel, hast mir das Gegenteil bewiesen. Die Welt soll dies wissen, wissen, dass ich dich verdammt noch mal liebe. Kein Zauber könnte das hervorrufen. Also... möchtest du mich heiraten?" Er holte eine kleine Schachtel hervor und offenbarte einen silbernen Ring. Sprachlos starrte ich ihn an. Alle beobachteten sie uns. "Was soll das, Palle?", zischte ich, "Wir kennen uns... wie lang? Außerdem verhandeln wir gerade um mein Leben und das Beste, was dir einfällt, ist mir einen Antrag zu machen? Wo ist die Rettung, die du mir versprochen hast?" "Vertrau mir einfach, bitte." Er sah mich flehend an. Ich hörte bereits vereinzelte Lacher aus dem Publikum. Dann gab ich mir einen Ruck. Egal, was er getan hatte, ich konnte ihn nicht noch länger zum Narren halten. "Ja, ja ich will." Ich hörte, wie er erleichtert aufatmete, dann stand er auf, nahm meine Hand in seine. "Ich hoffe, der Ring passt.", flüsterte er und sah mich schelmisch an. "Das hoffe ich doch auch." Fragend sah er mich an, ich nickte kurz. Dann steckte er mir den Ring an. Er rutschte etwas, doch es ging. "Was zur Hölle soll das?" "Warte."

Ich sah zu seinen Eltern. Das Gesicht seines Vaters war rot angelaufen, seine Adern pochten. Seine Mutter war das komplette Gegenstück. Ihr Gesicht war kreidebleich, fast schon etwas grünlich. Ich lächelte die Beiden an, dann drehte ich mich wieder nach vorne.

"Interessante Wendung, aber was soll das bringen? Die Strafe -" Ein Mann in einer braunen Kutte trat hervor, stellte sich neben den Aufgeblasenen in hellblau. "Ihr wisst genauso gut wie ich, was diese Geste bedeutet." Ein Windstoß fuhr durch die Ränge, ließ seine Kluft die Beine umspielen. "Patrick und Manuel", er hob einen Arm in unsere Richtung, "haben sich soeben verlobt. Das schließt die Todesstrafe aus." Erneut erhob sich Gemurmel von den Zuschauertribünen. Der Mann in hellblau neigte seinen Kopf zu unserem Retter, dann eilte er nach unten, stiefelte mit wehendem Gewand durch den Sandplatz und erklomm schließlich die Stufen zu den Richtern. Sie steckten die Köpfe zusammen, tuschelten eine Weile lang miteinander, dann richtete sich der Hellblaue wieder auf.

"Bürger und Bürgerinnen von Nya,", er breitete die Arme aus, "Herr Janker und ich sind uns einig, dass wir dem Hinweis Herrn Kamirs natürlich Aufmerksamkeit schenken müssen, was wären wir für Unmenschen, das Gesetz zu missachten?" Er machte eine kurze Pause. "Wir werden uns langfristig eine Lösung ausdenken, doch bis wir zu dieser gekommen sind, werden wir Manuel und Patrick trennen müssen, für mindestens drei Monate, um sicherzugehen, dass der Zauber verfliegt. Manuel wird diese Zeit unter höherer Sicherheit verbringen, in den Bergen, damit auch er zu sich kommen kann. Ich bin sicher, die Zukunft wird uns alle zu uns führen, auch die Beiden. Was auch sonst? Hier in Nya endet alles in Perfektion." Das Volk brach in tobenden Applaus aus, der Mann verneigte sich, doch sie kamen einfach nicht zur Ruhe. "Was er sagt, klingt nicht schlecht...", murmelte Patrick. "Ich traue ihm nicht." "Es ist Herr Schmidzon, dem sollte man auch nicht trauen. Aber ich sehe den Haken einfach noch nicht." "Sein ganzes Auftreten ist der Haken."

Als keine Antwort kam, beschloss ich das Thema zu wechseln. "Der Mann, der gesagt hat, dass unsere Verlobung rechtlich von Bedeutung ist, wer ist das?" "Harald. Bei ihm bin ich in der Lehre.", Patrick sah zu dem Platz, an dem bis eben noch seine Eltern saßen, doch sie waren weg. Wir blickten uns um, entdeckten sie schon bald neben Herr Schmidzon. "Es war seine Idee, ohne ihn wärst du wahrscheinlich schon bald... Matsch." Ich lächelte ihm aufmunternd zu. "Aber er war da." "Ja... Ja, dass war er. Es tut mir leid, dass ich dich mit der Verlobung überrumpelt habe." "Was hättest du sonst tun können? Naja, außer mich vorher darüber zu informieren?" "Ich wusste auch erst seit heute, was unser Plan war. Deswegen haben wir auch nur einen Ring, den wir gefunden haben. Für eine Anfertigung wäre es zu spät gewesen." "Mach dir keinen Kopf, der Ring passt schon." Ich sah auf meine Finger hinab. Es war verdammt surreal, dass ich verlobt war, besonders mit den gegebenen Umständen.

"Patrick?", murmelte ich. Er wandte seinen Kopf zu mir. "Ja?" "Falls wir uns nicht mehr sehen sollten... Ich liebe dich. Und auch wenn der Antrag eher mittel zum Zweck ist, ich könnte mir keinen besseren Verlobten vorstellen." Sein Strahlen machte der Sonne Konkurrenz. "Ich dich auch, Manu, ich dich auch." Er umarmte mich, dann drückte er seine Lippen auf meine. Der Kuss war sanft und liebevoll, wenn auch ein wenig verzweifelt. Mein Körper stand in Flammen. Mein Magen schlug einen Purzelbaum nach dem anderen und mein Herz klopfte, als würde mein Leben von diesem Moment abhängen.

Ich konnte nicht einschätzen, wie die Zeit verging. Dass sie überhaupt noch existierte, fiel erst auf, als wir nicht gerade sanft auseinandergerissen wurden. "Lass das." Es war der Wachmann von vorhin, der mich böse anfunkelte. "Wir sehen uns." Ich drückte Patricks Hand ein letztes Mal, dann wandte ich mich ab und lief ihm hinterher, zurück in die Kutsche, auf in mein neues Zuhause. 

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