Kapitel 50 || Informationen

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PoV Patrick

Seit fünf Tagen hatte man nichts mehr über uns in der Zeitung gelesen, ungewöhnlich für Nya, jedoch vermutlich Schmiddi zu verdanken, der das Thema verboten hatte. Die Verlobung war bei vielen auf Empörung getroffen und nicht wenige hatten kein Verständnis für das Gesetz, welches selbst die Verlobung zweier Männer schützte. Vor der Gerichtsverhandlung hatte ich mich darauf verlassen können, dass ich über alle Vorgänge in kürzester Zeit bescheid wissen würde, doch nun tappte ich völlig im Dunklen und versuchte zu ergründen wo der Haken war, von dem Manu so sicher war, er würde existieren. Schmiddi hatte ihn nach oben in die Berge bringen wollen, also nutzte ich jede Pause, die ich von der Arbeit im Tempel hatte, um die Umgebung zu erkunden. Doch ich fand nichts und niemand hatte eine Idee, wo er sein könnte.

An diesem Abend blieben wir lange im Tempel, um das morgendliche Gebet vorzubereiten und erst als die Dämmerung schon über dem Land lag, waren wir auf dem Heimweg. "Meinst du, es geht Manuel gut?", fragte ich Harald vorsichtig. Ich hatte ihn schon lange fragen wollen, doch aus Angst vor seiner Antwort hatte ich mich nicht so recht getraut. "Ich kann es dir nicht sagen, Patrick. Schmiddi kann sich nicht gegen das Gesetz stellen, nicht unter diesen Umständen, aber er hat auch sonst viele Möglichkeiten offen."

"Sie haben ihn in die Berge gebracht. Mich verfolgt die Vorstellung wie sie ihn einen Abhang herunter stoßen und erzählen es sei ein Unfall gewesen oder vielleicht sogar ein Zeichen von Ayn." Der Mann in der schlichten Kutte lächelte traurig. "Das könnten sie tun, aber ich bin sicher, ganz egal wie gerissen Herr Schmidzon ist, seine Angestellten würden nicht gegen Ayns Willen töten und das bindet auch Schmiddi an das Wort des Sonnengottes."

Ich nickte und schwieg, für den Rest des Weges sagte keiner mehr ein Wort. Wir sprachen generell eher wenig miteinander, doch das Schweigen war weniger ein Problem als viel mehr ein Stilles Verständnis, das wir beide gewählt hatten.

Als wir ankamen, war es ruhig im Haus, nur wenige Leute saßen in der Kaminstube und während Harald sich zu ihnen gesellte, verschwand ich auf mein Zimmer um dort wie zu erwarten Maurice und Michael zu treffen. Die Beiden saßen in einem Bett, Maurice hatte sich gegen Micha gelehnt, der ihm liebevoll einen Arm umgelegt hatte. Sie hatten sich in die weiße Daunendecke gekuschelt und Maurice schien aus einem Buch vor zu lesen. Als ich herein kam verstummte er und sah mich aufmerksam an.

"Dado ließt gerade vor, er hat angefangen eine neue Geschichte zu schreiben.", erklärte Micha lächelnd. "Du schreibst Geschichten?" , fragte ich überrascht und er nickte. "Aber ich lass sie keinen lesen, am Ende bekommt irgendwer sie in die Hände, der sie nicht kennen soll." "Darf ich trotzdem zuhören?", wollte ich vorsichtig wissen und der Blonde nickte grinsend. "Aber nur wenn du keinem was erzählst."

Bevor er sich wieder dem Buch widmete, schien ihm noch etwas einzufallen und er hob plötzlich die Hand, so als wolle er mich stoppen mich auf mein Bett zu setzten. "Patrick, meine Eltern wollen mit dir reden. Morgen beim Gottesdienst. Ich glaube sie wissen etwas über Manu, aber mir wollten sie es nicht erzählen." Die Nachricht hinterließ ein Kribbeln in meinem Körper, von dem ich nicht sagen konnte ob es Erleichterung oder Angst vor der Nachricht war, dennoch nickte ich dankbar.

Viel zu lange lauschten wir noch Maurices Geschichte, ob wohl er selbst fast einschlief, so dass wir, als Ines uns morgens weckte, kaum aus dem Bett kamen. Sobald ich mich aber daran erinnerte, dass ich vielleicht etwas Wichtiges über Manuels Aufenthaltsort erfahren könnte, war ich hellwach.

Der Gottesdienst war bislang die einzige Zeit zu der ich meine Eltern sah und so wie ich vor der Verlobung noch mit ihnen gesprochen hatte, ging ich ihnen nun so gut wie möglich aus dem Weg. Bei meinem Vater war dies ein leichtes, er schien mich kaum noch als sein Kind zu akzeptieren und ignorierte mich, doch das machte mir wenig aus. Einzig meine Mutter versuchte jedes Mal auf ein Neues, mit mir zu reden. Sie hatte aufgehört immer zu über Manuel zu sprechen, sondern tat, vermutlich mir zu Liebe, einfach so als sei nichts von all dem passiert. Es störte mich, wie sie alles was mein Leben momentan ausmachte einfach in den Hintergrund schob, doch allein weil ich wusste, dass sie es irgendwie gut meinte, überwand ich mich wenigstens kurz mit ihr zu sprechen.

Nachdem der Chor verstummt war wurde es still in der Halle, alle schwiegen, ließen die so oft besungene Geschichte in sich widerhallen und zollten so unserem Gott ihre Dankbarkeit. Nach Haralds allwöchentlichen Worten, mit denen der Gottesdienst beendet wurde kehrte der Trubel in den Tempel zurück. Alle waren machten sich auf den Weg nach Hause um das traditionelle Fischessen mit der Familie oder auch mit Freunden zu verbringen und riefen einander Abschiedsgrüße durch den Raum zu.

In dem etwas unübersichtlichen Gewimmel legte mir jemand fest die Hand auf die Schulter und führte mich zielsicher in einen etwas abgesenkten Nebengang, der zur Geschichtenhalle, einem großen Raum auf dem die Geschichte Varias auf großen bunten Mosaiken wiedergegeben wurde, führte. hinter einer Säule stellte sich die Person vor mich und ich erkannte endlich den hochgewachsenen, blonden Mann. Maurice Vater. Seine Frau schien schon hier gewartet zu haben, denn sie stand ebenfalls bei uns und wischte sich eine Strähne ihrer lose hochgesteckten, rotblonde Haare aus dem Gesicht.

"Wir wollen es kurz halten Patrick, es sollte besser niemand wissen dass wir überhaupt geredet haben.", warnte Herr Domir und wurde dann von seiner Gefährtin abgelöst. "Manuel wurde nach oben in die Berge gebracht, dort gibt es Zimmer, völlig weiß und leer, dort halten sie ihn fest. Herr Schmidzon lügt nicht, wenn er sagt man wird ihm geben, was er zum Überleben braucht." "Aber natürlich hat die Sache einen Haken. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach völlig isoliert, ohne Beschäftigung, ohne Zeitgefühl, auf Dauer tut das einem Mensch nicht gut.", ergänzte der Mann nun wieder und hätte ich nicht so eben erfahren, dass es Manuel zwar in erster Linie gut ging, er aber vermutlich mit jedem Tag mehr verzweifelte, hätte ich darüber geschmunzelt wie wunderbar die Beiden zusammenpassten.

"Vielen Dank.", brachte ich brüchig heraus, dann verschwanden die Beiden auch schon wieder. So als sei nichts gewesen, sah ich sie Hand in Hand nach draußen gehen, während Frau Domir sich ständig nach ihren Kindern umsah. In einer Ecke entdeckte ich Michael und Maurice die sich gerade verabschiedeten, denn auch wenn Maurice wegen seiner Ausbildung viel Zeit im Haus des Wiederstandes verbrachte, war er doch oft bei seiner Familie.

Er wurde von seinem Vater gerufen, der fast ein wenig streng meinte er solle endlich kommen und so schaffte er es mir nur noch zu winken, bevor ich Micha im Flüsterton erzählen konnte, dass wir Manu irgendwie befreien mussten.

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