Kapitel 36 || Allein

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PoV Patrick

Taub starrte ich Manuel hinterher. Das brennende Dorf und die aufgewühlten Menschen hinter mir, die sich wild durcheinander Befehle zu riefen, standen im Kontrast zu der weißen Einöde und dem schemenhaften Umriss Manuels vor mir. Unschlüssig sah ich zwischen den beiden Extremen hin und her. In meinem Leben hatte ich schon viele dumme Entscheidungen gefällt, doch das hier war mit Abstand die Bescheuertste. Ich hatte nicht wirklich weggewollt, im Gegenteil die Zeit mit Manu war eine der schönsten in meinem Leben gewesen. Doch letztens hatte mich das Heimweh überwältigt. Sie wussten nicht, dass ich noch lebte, vermutlich war meine Mutter krank vor Soge. Bei Ayn, ich hatte Manu nicht zurücklassen wollen, wenn sich die Gelegenheit gezeigt hätte, hätte ich ihn mitgenommen, aber ich war mir verdammt sicher, dass er lieber in dem brennenden Bürgeramt geblieben wäre, als mit nach Nya zu kommen. Also hatte ich kurzerhand mein Totem bei diesem Yorid verkauft und mich in die Schlange für das öffentliche Portalnetzwerk gestellt.

Ich seufzte. Jetzt war all mein Besitz weg, ich hatte nicht mal einen richtigen Mantel. Einzig Manuel war mir noch geblieben und das schöne, wärmende Gefühl wenn ich daran dachte, wie mich in den Arm nahm oder etwas nettes sagte, allerdings folgte darauf nun immer ein stechender Schmerz, als würde jemand einen Dolch in meine Brust bohren und in meinem Herzen drehen.

Er hatte das nicht verdient. Und auch wenn er mir klar gemacht hatte, dass er mich nicht mehr sehen wollte, konnte ich nicht anders, als ihm hinterher zu stapfen.

Mit der Zeit begann der Schnee wieder stärker zu fallen und nahm mir meine Sicht. Auch die Fußspuren Manuels deckte er zu, sodass es mir immer schwerer fiel, ihm zu folgen. Meine Finger waren mittlerweile bläulich angelaufen und es würde mich wundern, wenn meine Lippen und Nasenspitze nicht genauso aussähen. Plötzlich wünschte ich mich stärker denn je zurück nach Nya, in mein warmes Bett, zu Joe in seine Hütte oder zu Edgar und den Pferden in unseren Stall. Doch ich kämpfte mich weiter durch die kalten Böen, verfolgte die kaum sichtbaren Spuren des Braunhaarigen und schalt mich innerlich für meine Torheit.

Der Himmel verdunkelte sich zunehmend, langsam begann ich mir sorgen über eine Untekunft zu machen. Ob ich überhaupt noch Manuel folgte oder irgendeinem Tier, konnte ich auch nicht sagen. Zunehmend frustrierter lief ich weiter. Ich zitterte am ganzen Körper und nur der Wille, das mit Manuel wieder gut zu machen und die Tatsache, dass ich sonst erfrieren würde, treiben mich weiter. "Verdammt...", meine Stimme war brüchig, als mein warmer Atem meinen Mund verließ kringelte sich eine weiße Wolke vor meinem Gesicht. "Verdammt!", schrie ich gegen die unschuldigen, weißen Flocken, als wären sie die Ursache für mein Leid. Fluchend schleppte ich mich zu einem kleinen Wäldchen und trat gegen die erstbeste Fichte. Der Schmerz durchzuckte meinen Körper, ließ mich jedoch nur noch wütender werden. Schreiend ließ ich meine Wut an der Pflanze aus, trat immer und immer wieder auf sie ein, schlug meine Hand blutig, bis ich meine Kraft endgültig aufgebraucht hatte und wimmernd zu Boden sank. 

Vielleicht hatte ich es auch einfach nicht verdient weiterzuleben. Wer brauchte mich schon? Sollten die Monster mich doch fressen, ohne mich war die Welt so oder so besser dran. Ich schloss meine Augen, riss sie jedoch sofort wieder auf. Ich wollte nicht aufgeben. Nicht jetzt, nicht so. Auch wenn Manuel mich nicht sehen wollte, würde ich zumindest versuchen mich mit ihm wohlzustellen. Doch dafür müsste ich erstmal die Nacht überleben. 

Auf unserem Weg nach Frost hatten wir unter dem Geäst einer großen Tanne geschlafen. Weiter hinten im Wald gab es mit Sicherheit solche. Also stemmte ich mich hoch und wankte zwischen den Bäumen hindurch. Als ich hundert Meter gelaufen war, tauchte zwischen den Bäumen ein Licht auf. War hier ein Dorf? Zählte dieser Teil noch zu Frost? Oder ich war so nahe am Wahnsinn, dass ich mir Dinge einbildet?

Ich wusste es nicht. Doch ich hatte nichts zu verlieren und schleppte mich immer weiter auf die Helligkeit zu. Es stellte sich als eine Lagerfeuer heraus, dass unter einem Felsvorsprung errichtet worden war. Neben ihm lag eine Person. 

Zögerlich schlich ich näher. Es war Manuel. Kurz betrachte ich ihn, dann siegte die Erschöpfung und ich kuschelte mich an ihn. 

Geschrieben von
trollollollokkkk

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