6 - Unfall im Bowlingcenter

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Irgendwie ist es ziemlich ironisch, dass das hier eine Kennlernfahrt ist und alle Anwesenden schweigend in einem Bus sitzen. Von der gestrigen Euphorie ist nichts mehr zu spüren.

Der Einzige, der ausgeschlafen ist und dementsprechend auch gute Laune hat, ist Trace.

„Oh Gott", stöhnt Clarissa neben mir. „Das alles ist mir so furchtbar peinlich."

„Mach dir keine Gedanken darum", versuche ich sie zu beruhigen. „In unserem Alter hatte fast jeder schon seinen ersten Absturz."

Tatsächlich konnte ich in der vergangenen Nacht nur für zwei Stunden meine Augen schließen, weil ich die restliche Zeit damit beschäftigt war, Clarissas Haare aus der Toilettenschüssel zu halten. Fast alle zehn Minuten musste sich die Grünäugige übergeben.

„Es ist mir aber unangenehm, dass mich Trace in diesem Zustand sieht", entgegnet meine Freundin mit roten Wangen.

Darauf weiß ich leider nichts zu erwidern.

In gewisser Weise ist Clary an dieser Situation nämlich selber schuld. Hätte sie nicht so viel getrunken, würde sie jetzt auch nicht wie ein Häufchen Elend im Bus sitzen und einen Eimer umklammern.

Hoffentlich ist ihr das eine Lehre.

„Alles okay bei dir, Clarissa?" Sobald Traces besorgte Stimme ertönt, erhellt sich die Miene der Angesprochenen. „Klar", lügt sie wie aus der Pistole geschossen. „Ich freue mich schon total auf das Bowling."

Dass sie überhaupt ohne Schlangenlinien auf zwei Beinen laufen und eine Bowlingkugel halten kann, bezweifle ich.

„Sehr gut. Melde dich, wenn etwas sein sollte", erwidert Trace lächelnd, ehe er sich an mich wendet. „Hättest du mein Angebot angenommen, würdest du jetzt nicht wie ein Zombie aussehen, Rayla."

Seine freche Bemerkung bringt mich dazu, empört die Luft einzuziehen und ihm leicht gegen den Oberarm zu boxen. Eigentlich möchte ich etwas auf seine Worte entgegnen, aber wegen der Müdigkeit und meines brummenden Schädels fällt mir kein geeigneter Konter ein.

Glücklicherweise lässt uns der Lederjackenjunge wieder alleine und erkundigt sich bei den anderen Mädels nach ihrem Wohlbefinden.

Alleine schon der Fakt, dass über die Hälfte meiner Mannschaftskolleginnen ungeschminkt sind und Jogginghosen tragen, verrät, wie schlecht es ihnen wirklich geht.

„Was für ein Angebot?", fragt mich Clarissa schließlich mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis. Auch Tory streckt interessiert ihren Kopf zwischen unsere Sitze. „Etwa ein Sex-Angebot?", hakt sie mit wackelnden Augenbrauen nach.

„Nein, du spinnst ja!", keife ich eine Spur zu laut, weshalb meine Freundinnen kurz zusammenzucken. „Trace hat angeboten, mir ein Einzelzimmer zu buchen, falls die Party in unserem Zimmer noch zu lange angedauert hätte."

Gewöhnlich bin ich kein Mensch, der oft und gerne lügt, aber in dieser Situation ist es besser.

Wüssten die anderen Mädels, dass mir Trace in Wirklichkeit angeboten hat, in seinem Zimmer zu schlafen, würde hier das reinste Chaos ausbrechen.

Gott sei Dank glauben Tory und Clarissa meine Lüge, sodass wir die restliche Fahrt zum Bowlingcenter schweigend verbringen.

Ein bisschen tut es mir ja schon leid, dass Trace diese Kennlernfahrt mit so viel Hingabe geplant hat, aber aktuell niemand seine Bemühung zu schätzen weiß. Anstatt sich nämlich bei dem Blondschopf für sein Engagement zu bedanken, sind aus allen Reihen genervtes Gemurmel und Proteste zu hören.

Sobald der Bus zum Stehen kommt, trotten wir übermüdet aus dem Gefährt und wenig später in das Bowlingcenter. Dort suchen wir uns passende Schuhe aus und werden danach von einer Mitarbeiterin zu unseren beiden Bahnen geführt.

Fries before guysWhere stories live. Discover now