17 - Delfin im Springparcours

751 63 35
                                    

„Seid ihr aus dem Bett gefallen?" Liams Kopf tauchte über der Bande auf, als Andrés gerade Dunkelschön die letzte Runde am langen Zügel trockenritt. Maila war schon abgesessen und schob die Steigbügel hoch.

„Nö." Liam grummelte genervt, als Andrés seine knappe Antwort nicht weiter ausführte. Dabei wusste Liam doch sowieso genau, dass Andrés jeden Morgen der letzten Tage mit Dunkelschön verbracht hatte, und die Stute seit Mailas Abflug geritten war.

„Willst du sonst noch etwas wissen?", wandte Andrés sich nun doch an Liam, schob vom Pferd aus das Tor der Bande zur Seite und ließ Dunkelschön durch die Öffnung treten. Auf der Stallgasse, zwischen den Putzplätzen saß er ab. Liam war ihm gefolgt, wie ein Hundewelpe seinem Besitzer.

„Sie reitet wieder? Seit wann? Wie war's? Kann ich sie dazu ansprechen?", Liams leise gemurmelte Fragen prasselten eine nach der anderen auf Andrés ein wie Regentropfen im Sturm.

„Offensichtlich ja, heute, ganz gut, keine Ahnung?" Andrés lockerte Kehl- und Nasenriemen der Trense, und deutete Liam an, sich nützlich zu machen und Dunkelschön abzusatteln. Der Trainer behielt die Stallgasse in Richtung Halle im Auge, machte sich aber daran den Sattelgurt zu lösen.

„Mich hat es eh die ganze Zeit gewundert, dass ich sie nicht schon einen Tag nach ihrem Unfall vom Pferd ziehen musste." Liam hatte den Springsattel über dem Arm, und versuchte sich dennoch noch ein bisschen näher an Andrés Seite zu stellen, damit er leiser reden konnte. Andrés fühlte das Leder unsanft mit seinem Bauch kollidieren und trat einen Schritt zur Seite.

„Sie hat Angst."

„Boah, bist du gesprächig heute morgen." Ein Ellbogen traf Andrés Seite, als Liam jetzt zumindest den Sattel loswurde und zur Seite hängte.

„Was soll ich dir schon sagen? Ich kann in ihren Kopf nicht reinschauen, und als ich fragte, wurde mir freundlicherweise erklärt, dass ihre Probleme mich nichts angehen."

Er drückte Liam Dunkelschöns Strick in die Hand, und ließ das Pferd und seinen Freund stehen. „Du weißt ja, wo das Pony wohnt."

Damit ließ er die Tür zum Stall hinter sich zufallen und trat in die Morgensonne. Einen Blick auf die Uhr werfend, stellte er fest, dass die Zeit wunderbar für ein kurzes Frühstück reichen würde, bevor er auf der Geländestrecke erwartet wurde. Zu faul, um zum Bauernhaus zu laufen, bog er in Richtung von Liams und Kathis Haus ab. Wenn Liam ständig Andrés Einkäufe vernichtete, dann konnte er das im Gegenzug wohl ganz genauso machen.

Die Küche war menschenleer, von Kathi keine Spur zu sehen. Andrés suchte kurz den Brotkorb, der auf einer Anrichte stand, und verließ wenige Minuten später das Haus schon wieder. Eine Tasse Kaffee in der Hand, ein belegtes Brötchen zwischen die Zähne geklemmt und einige Möhren und Äpfel in die Tasche seines Hoodies gestopft.

„Du siehst aus wie ein zu fettes Känguru."

Andrés kaute erst mal zu Ende. „Dir auch einen guten Morgen, Carter." Der lief ihm auf dem Hofplatz vor dem Haupthaus vor die Füße.

„Weißt du, wann Maila uns wieder trainiert?", hängte sich Carter dann an Andrés. War das heute der Tag, an dem ihn alle verfolgten? Falls ja, dann bräuchte er vermutlich noch vor Mittag irgendein blinkendes Warnlicht, das die Menschheit von ihm fernhielt. Oder Chicago an der Leine. Der machte den Job auch sehr erfolgreich.

„Nein", antwortete Andrés dann. Carter schaute sehr verwirrt.

„Was? Das ist die Antwort, die ich auf deine Frage habe. Alles andere ist aus."

„Ach so." Damit bog Carter in Richtung des langen Stalls ab, und Andrés war froh, ihn los zu sein. An den Putzplätzen herrschte wildes Gewusel, Konversationsfetzen flogen zusammen mit kleinen Staubwolken durch die Luft. Pferde standen in verschiedenen Zuständen von matschverschmiert bis gesattelt an den Anbindeplätzen.

Hufspuren im HerzWhere stories live. Discover now