1 Andrés - Sie nimmt dich mit, nach Chicago

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Chicago versuchte schon wieder, sich auf dem LKW hinzulegen. Andrés warf einen völlig entnervten Blick auf die kleine Kamera auf dem Armaturenbrett. Laut seinem Plan hätten sie schon vor zwei Stunden ankommen sollen. Wenn nicht der sture Dunkelfuchs wäre, der es nicht einsehen wollte, dass seine Gewohnheiten des pünktlichen Mittagsschlafs nicht möglich waren, so lange er am LKW stand.

Schon einmal hatte Andrés wegen ihm anhalten müssen, um ihn wieder auf die Füße zu stellen, nachdem Chicago sich einfach hatte fallen lassen, es war ja schließlich halb zwei.

Kopfschüttelnd wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu, als das Pferd jetzt wieder anfing, am Heunetz zu zupfen, so rabiat, dass es ihm beinahe um die Ohren flog.

Jetzt musste Andrés doch grinsen, und konnte die Erleichterung seiner anderen Pferde im LKW beinahe spüren, dass sie nicht direkt neben ihrem anstrengenden Zeitgenossen standen.

Sein Handy klingelte. Wahllos drückte er auf irgendwelchen Knöpfen der Freisprechanlage herum, als er die Autobahn verließ.

"Wolltest du nicht schon da sein?", fragte Liams belustigte Stimme durch das Telefon.

"Wolltest du dir nicht mal angewöhnen, dir unnötige Fragen einfach zu sparen?", schoss er zurück.

"Nein. Auch wenn du das gerne hättest. Wo bist du? Und bitte sag, du hast einen großen LKW dabei"

"Ich sehe schon, du willst nicht mich wiedersehen, sondern nur jemanden mit fahrbarem Untersatz." Auf den Landstraßen angekommen, rollte er erst einmal genüsslich seinen Nacken aus. Anstatt den gleichbleibenden drei Spuren mit wechselnden Tankstellen verschiedener Marken wechselten sich jetzt Wald, Wiesen und kleine Dörfer ab. Auf manch einen Engpass hätte er zwar verzichten können, aber schöner war es trotzdem.

"Genau. Deswegen habe ich dich auch aus England hierher beordert, anstatt nicht einfach jemanden aus der Nähe anzurufen. Also, wie viel Pferde kriegst du da drauf?"

"Acht. Wenn Ponys dabei sind, auch neun – wenn man nicht STVO konform verlädt, sogar zehn. Ich war daheim und hab den großen LKW geholt. Zufrieden?"

"Sehr. Höre ich richtig, und du hast Country Musik laufen?"

"Ja. Ich fahre schon eine Weile, dann lieber Country als irgendwas zweimal anzuhören. Im Übrigen bin ich in anderthalb Stunden bei euch, außer das verdammte Pferd legt sich noch mal hin."

Liam lachte herzlich am anderen Ende. Andrés konnte sich sein Grinsen geradezu vorstellen.

"Ich sehe schon, du hast mal wieder besondere Tierchen. Vier bringst du mit, richtig?"

"Ja, drei sind meine. Der vierte ist der Dreijährige, den deine Frau unbedingt kaufen musste und dann meinte, ich bin ein Transportunternehmen." Er schaute mal wieder auf die Kamera, aber Kathis schmächtiger Kerl stand nach wie vor brav in seinem Abteil. Chicago dagegen fing schon wieder an, in der Einstreu herum zu graben.

"Na gut, dann fahr mal schön weiter", Liam fing an, mit jemand anderem zu reden, "so lange du bis übermorgen da bist, wenn die Kinderlein kommen, ist mir alles recht."

"Wie gütig von dir. Bis nachher."

Hinter den im leichten Wind wogenden Gipfeln ließ sich schon das Meer erahnen. Andrés ließ das Fenster ein bisschen herunter, und der frische Wind zerzauste ihm die Haare. Mit einem Grinsen im Gesicht genoss er den Fahrtwind.

Chicago beschloss in diesem Moment, dass ein Mittagsschlaf nun wirklich angebracht war, und legte sich hin, als ob er in seiner Box stand. Das einzige was ihn störte, war der kurze Strick.

Hufspuren im HerzWhere stories live. Discover now