2 Maila - Nachts lässt sich so schlecht nein sagen

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Irgendetwas klaute ihre Bettdecke. Und hielt auch noch dagegen, als sie versuchte, diese zurück zu erobern. Im Halbschlaf versuchte Maila irgendwie den Schalter der kleinen Lampe zu erwischen, der Versuch scheiterte, als ihr ruckartig die Bettdecke entrissen wurde und sie durch die schnelle Bewegung aus dem Bett kugelte.

Was zum Teufel, fragte sie sich, Liam würde sie solche Aktionen zwar zutrauen, aber nicht mehr nach einem Tag wie dem letzten, wo sie ihren guten Freund eh hätte fressen können.

Verpennt ertastete sie jetzt doch das Kabel, das zu ihrem Nachttisch führte und knipste die Lampe an. Im schummrigen Halblicht erkannte sie nur eine große Silhouette bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten.

Der Rausschmeißer wedelte mit ihrer mit Blümchen bezogenen Bettwäsche vor sich hin, was ein erstklassiges Schattenspiel an der Wand abgab. Er fand es witzig und schwenkte sie noch von links nach rechts. Dass sie ihm dabei um die Ohren flog, schien dem großen, dunklen Pferd ziemlich egal zu sein. Jetzt setzte er einen Vorderhuf drauf, und zog noch einmal dran. Die Nähte knackten vernehmlich. Mit einem Schlenker gab es ein interessantes Geräusch, als Stoff riss, dann sah sie erstmal weiß. Federn segelten gemächlich zu Boden, berieselten das halbe Zimmer, verfingen sich in ihren Haaren und der Mähne des Pferdes. Frau Holle schien einmal in Pferdegestalt in ihrem Zimmer aufgetaucht zu sein. Maila zwickte sich kurz in den Arm, um sicher zu sein, dass sie gerade nicht träumte.

Maila starrte sehr perplex das ausgebrochene Chaos und den Vierbeiner an, der jetzt ihren Teddybären auf der Kommode entdeckte und zwischen die Zähne nahm. Das ging zu weit, befand sie, und versuchte ihr Plüschtier wieder zu erobern. Das Pferd richtete sich derweil kerzengerade selbst rückwärts, und verschwand mit London, ihrem Bären mit der UK Flagge auf seinem Pulli im Flur.

"Hey", rief sie ihm empört nach, bevor sie über Deckenreste und Federn stolpernd, ihm aus dem Zimmer folgte. Jeden Lichtschalter betätigend, der ihr begegnete, während sie versuchte herauszufinden, in welche Richtung der Übeltäter verschwunden war.

Ohrenbetäubendes Gepolter ließ sie die Küche vermuten. Hinter der hohen Insel ragte eine muskuläre Oberlinie hervor, die sie Respekt an den Trainer zollen ließ, ein weiß gefesseltes Hinterbein stand sichtbar neben einem der Hocker. Der Rest vom Pferd war nicht zu sehen.

Den Obstkorb vor sich herschiebend, die Eisen auf den Fliesen klappernd, schob sich der dunkle Fuchs wieder ins Licht.

Schritte kamen die Treppe runter und das Pferd spitzte die Ohren, bevor es freudig wieherte.

Maila blickte in die gleiche Richtung. Andrés kam mehr die Treppe herunter gestolpert als gelaufen, und blickte kopfschüttelnd das Pferd an. Maila hatte derweil Probleme, ihre Augen von seinem nackten Oberkörper zu lösen. Vertraute Formen, über die ihre Hände so oft gewandert waren. Halt, Stopp. Falsche Richtung.

"Chicago!", fand Andrés dann scheinbar seine Sprache wieder. Chicago, wie der Fuchs wohl hieß, haschte wieder nach dem Teddybären und schlenderte damit gemütlich in Richtung der Haustüre.

"Mein Bär", entfuhr es Maila. Andrés fluchte vor sich hin, und folgte dem Dieb. Maila sah zweifelnd das Chaos der Küche an, und wider Willen musste sie lachen. Irgendwie hatte die ganze Situation auch ihren Witz. Die Alternative, zu heulen, fand sie nicht genügend.

Durch die großen Fenster, deren Licht über die Koppeln strahlte, erhaschte sie einen Blick auf das Pferd und seinen Herren, die im Halbdunkel der Nacht standen. Ihre Gestalten schienen miteinander zu verschwimmen, der Kopf des Pferdes an der Schulter des Mannes, seine Hand in den Strähnen der Mähne verschlungen. Maila wünschte, sie könnte malen und diesen Moment einfangen. Mit einer Kamera war dies bei den Lichtverhältnissen ein erfolgloses Unterfangen.

Hufspuren im HerzWhere stories live. Discover now