Kapitel 27

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Kapitel 27

Manchmal dachte ich an den Tag zurück, an dem ich das erste Mal meine Periode bekam. Es geschah mitten im Sportunterricht. Ich trug eine graue Jogginghose, denn wenn es schon in den seltenen Fällen dazu kam, dass ich Sport machte, wollte ich es zumindest bequem habe und meine Beine nicht in eine enge Leggins pressen müssen. Genau diese gemütliche Hose wurde mir dann jedoch zum Verhängnis, weil sich aufgrund meiner neuen Periode ein riesiger Blutfleck auf ihr ausbreitete. Dummerweise bekam ich dies mit meinen zehn Jahren noch nicht mit, da ich zu beschäftigt damit war, den Jungs aus meiner Klasse zu beweisen, dass ich beim Völkerball auch in der Lage dazu war einen Ball zu fangen. Als das Gelächter und Getuschel dann immer größer wurde und die Jungs plötzlich mit angeekelten Finger auf mich zeigten, wurde mir langsam klar, was passiert sein muss. In diesem Moment hätte ich nichts lieber gewollt, als mich einfach in Luft aufzulösen und für immer zu verschwinden.

Doch jetzt saß ich hier, spät in der Nacht, in diesem Loch fest und werde gleich von Cassie und ihrer Freundin dabei erwischt, wie ich sie schon die ganze Zeit belausche und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als die Situation mit meiner ersten Blutung noch tausendmal mit doppelter Menge Blut erleben zu können, wenn ich damit aus dieser Situation fliehen hätte können. Ich würde mir sogar stundenlang Vorträge von Theo über seine beschissene Firma und seiner Beförderung anhören und anschließend mit ihm ins Bett steigen und unbefriedigten Sex haben, nur um von hier zu verschwinden. Dass ich mich unweigerlich von dem Auswahlverfahren und damit einem Platz als Betreuer verabschieden konnte, war gar nicht meine größte Sorge. Ich fürchtete mich eher vor dem, was passieren würde, wenn Cassie realisiert, dass ich all ihre Gespräche mitgehört haben musste.

Die beiden standen auf und machten einen Schritt auf mich zu. Schweißperlen liefen über meinen Nacken. Meine Hände begannen zu zittern. Noch etwa zwei Schritte und sie hätten sich nur noch bücken müssen und die Klappe öffnen müssen. Sie traten einen weiteren Schritt auf mich zu. Ich wagte es kaum zu atmen. Ich kniff meine Augen zusammen, in der Hoffnung, mich doch irgendwie teleportieren zu können, doch als ich die Augen öffnete, war ich immer noch von Getränkekisten umgeben. In weniger als ein paar Sekunden würden sie mich entlarven.

„Cassie?", ich hielt die Luft an.
War das – Leandro?
„Ähm- L- Leandro was machst du denn so spät noch hier?", die Schritte entfernten sich von mir und ich atmete erleichtert auf. Die Luft hier drinnen war jedoch schon so verbraucht, dass sich der Atemzug nicht wirklich erleichternd anfühlte. Ich musste endlich hier heraus.
„Also. Das ist 'ne lange Geschichte. Ich – äh- wollte mir noch etwas zu essen machen, weil ich noch Hunger hatte", stammelte Leandro und auch ich wunderte mich über seine Anwesenheit. Es gab so viele Fragen, die er mir beantworten musste.
„Das ist ja eine lange Geschichte", kommentierte Valerie Leandros aussage mit schnippischem Unterton.
„Was machst du denn hier?", fragte Leandro ohne auf der Aussage von Cassies Freundin Beachtung zu schenken.
„Ich, also ich meine wir, mussten hier noch etwas erledigen. Ist ja auch egal, wir wollten gerade sowieso los. Wir sehen uns morgen", reimte sich Cassie zusammen und verließ schnurstracks mit Valerie den Raum, die Leandro mit fragendem Blick zurückließ.

Ich wartete noch einen Moment und beobachtete Leandro aus dem Schlitz heraus. Er trug ein weißes Langarmshirt und eine dunkelblaue Jogginghose und inspizierte gerade kritisch das offene Honigglas und die verschütteten Zutaten. Langsam öffnete ich die Klappe und kletterte heraus. Leandro stand in dem Moment noch umgedreht zu mir und ich wartete darauf, dass er mich bemerkte. Als er dies schließlich tat erschreckte er sich so sehr, dass er zurücksprang und mit dem Kopf gegen den Küchenschrank donnerte. Ich hatte kein Mitleid mit ihm.

„Scheiße Juliette hast du mich erschreckt, ich habe dich die ganze Zeit gesucht", wütend rieb er sich an der Stelle, an der er sich gerade gestoßen hatte. Aus meinem Mund drängten die Wörter, doch irgendwas in mir blockierte mich und ich bekam nichts heraus.
„Warte, folg' mir kurz, dann reden wir."

Perfect LieWhere stories live. Discover now