Kapitel 30

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Kapitel 30

Ich war es satt, ständig aufs Neue prüfen zu müssen, ob ich jemanden trauen konnte. Erst Theo, dann den Anderen und schlussendlich Leandro. In einem System, welches darauf ausgelegt war uns wichtige Entscheidungen wie die Partnerwahl abzunehmen, dürfte ich mit Vertrauensproblem demnach nicht so oft zu kämpfen haben, wie ich es gerade tat. Doch diese Aufgabe zwang mich erneut dazu, eine Entscheidung zu treffen.

Janine lag inzwischen nahezu leblos auf dem Boden und ich fragte mich, ob sie wirklich so dreist sein konnte, solch eine Situation vorzuspielen. Dann erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung und konnte meine Zweifel bezüglich ihrer Dreistigkeit schnell beiseite schieben. Rosa eilte besorgt zu ihr.

„Janine, hey Janine, was ist passiert?", fragte sie panisch, während die am Boden liegende nur flehend zu Michal schaute. Langsam konnte ich mich aus meiner Schockstarre lösen, kniete mich neben ihr nieder und fühlte ihren Puls, der weder außerordentlich schnell, noch langsam schlug.
„Woher wissen wir, dass sie das nicht nur spielt?", wagte ich es den Gedanken von vermutlich jedem in diesem Raum auszusprechen. Kurz nachdem die letzten Worte meine Lippen verließen, wütete ein Sturm in Janines dunklen Augen.

„Ich glaube, sie verarscht uns. Was genau hat sie überhaupt? Eine allergische Reaktion? Unwahrscheinlich. Wenn ihr mich fragt, muss sie hier irgendjemanden dazu bringen sie herauszutragen oder so etwas in der Art", sprach Michal mit entschlossener Stimme.
„Vielleicht ist es aber auch deine Aufgabe sie zu etwas zu bringen. Schließlich deutet sie die ganze Zeit auf dich", warf Leandro einen berechtigten Einwand ein.
„Verdammte scheiße, gehts euch noch gut? Wir müssen ihr helfen", schrie Rosa verzweifelt, die entweder ziemlich naiv oder als einzige von uns vernünftig war.
Die Wachen wären doch schon eingeschritten, wenn es Janine ernsthaft schlecht ginge oder?
Und dann realisierte ich, was gerade passierte. Die Regierung, dieses Verfahren, dieses ganze System brachte uns dazu einander zu misstrauen und gegeneinander auszuspielen.
Wir hätten sogar in Kauf genommen, dass Janine bleibende Schäden von diesem Anfall trug, nur damit wir diese blöde Stelle als Betreuer bekamen. Für mich selbst rechtfertigte ich mein Verhalten damit, dass ich ja eigentlich gegen dieses System arbeitete, aber wie weit würde ich dafür gehen? Würde ich meine eigenen Werte dafür aufgeben?
Ohne noch einen Moment länger zu zögern, rannte ich zur Tür und probierte vergeblich sie zu öffnen.

„Es gibt einen Notfall. Eine Teilnehmerin hat einen Anfall, wir brauchen Hilfe! Schnell!", schrie ich mit kräftiger Stimme und rückelte energisch an der robusten Tür. Ich bemerkte wie sich ein Schlüssel auf der anderen Seite drehte und schürte Hoffnung, dass Janine endlich geholfen werden konnte. Dass dieser Frau aber wahrhaftig nicht mehr zu helfen war, erfuhr ich, als sie ohne mit der Wimper zu zucken wieder aufstand und zornig auf mich zu lief, als wäre nie etwas passiert.

„Du Miststück. Schon wieder hast du es geschafft meinen Plan zu zerstören. Erst nimmst du mir Theo weg und jetzt auch noch die Chance auf meinen Sieg", sie hatte also doch alles nur inszeniert. Jetzt hatte sie bestimmt noch mehr Lust mich zum umarmen. Vielleicht, um mir danach ein Messer in den Rücken zu stecken, aber damit konnte ich arbeiten.

„Was war deine Aufgabe?", fragte ich sichtlich aggressiv, da sie mir einen gewaltigen Schrecken eingejagte hatte und die Auswahlkommision mir nun Naivität zuschreiben konnte. Für einen Moment schien sie zu überlegen, ob sie überhaupt noch weiter kommen könne.
„Das verrate ich dir doch nicht", giftete sie mich an.
„Ich vermute, sie sollte mich dazu bringen Hilfe zu holen. Warum hätte sie sonst meinen Namen sagen sollen. Leider stellte sie dies nicht besonders schlau an", teilte Michal seine Theorie und wirkte alles andere als betroffen. Janine stritt dies so bekräftigend ab, dass es schon fast offensichtlich war, dass Michal mit seiner Annahme richtig lag.
Ich fragte mich, wie sie überhaupt schon so lange im Verfahren bleiben konnte.

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