Kapitel 6

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Kapitel 6

„Danke Juli, dass du so schnell kommen konntest", begrüßte mich Naomi hektisch und bat mich einzutreten. Es sind erst wenige Tage vergangen, seitdem wir unseren Partner zugewiesen bekommen haben, und die ersten 5 Tage sind eigentlich nur für das Paar, komplett ohne Kontakt zu Anderen, vorbestimmt, damit man sich erst einmal richtig kennenlernen kann. Dementsprechend war ich ziemlich überrascht, als Naomi mich gleich am nächsten Tag anrief, und sich mit mir treffen wollte. Natürlich machte ich dann eine Ausnahme.

„Du bist mir jetzt wirklich eine Erklärung schuldig", antwortete ich und blickte sie mit hochgezogener Augenbraue an. Sie schaute jedoch nur nervös zur Seite und wartete scheinbar auf eine Erklärung, langsam verlor ich die Geduld.
Genau in dem Moment trat die Erklärung in den Flur. Ungläubig starrte ich erst sie, dann ihn, und dann wieder sie an. Der Typ im Flur war nicht Artur, ihr ehemaliger Freund. Es war auch nicht irgendjemand. Es war der Muskelprotz aus Phase 2.
Plötzlich setzten sich alle Puzzleteile in meinem Kopf zusammen. Und das machte die ganze Sache wirklich nicht besser.
Ich blickte in ihre braunen Augen und sah eine Mischung aus Schmerz, Angst, aber auch ein klein wenig Erleichterung. Sie wusste, dass ich es weiß.
„Juliette, es tut mir leid."
„Naomi, du brauchst dich nicht bei mir entschuldigen. Es ist dein Leben. Aber du bist Artur eine, ohnehin schon längst fällige, Erklärung schuldig. Er hat all das nicht verdient", sagte ich mit kühler Stimme. Das war die klitzekleine Sache, die ihr scheinbar perfektes Leben unperfekt machte.
Ihre Affäre.

Ich kann mich noch allzu gut an den Morgen erinnern, an dem sie vor meiner Haustür zusammenbrach und mir ihre heimliche Affäre beichtete. Zu dem Zeitpunkt waren sie und Artur schon eine Weile zusammen, und es schien so, als könne nichts auf der Welt sie trennen. Als sie mir dann von ihrem Mitarbeiter im Theater erzählte, und wie er sie eines Abends nach Hause brachte und sie dann plötzlich übereinander herfielen, war ich mehr als nur schockiert und holte nicht nur ihr, sondern auch gleich mir eine große Schokolade.

Dass Naomi eine exzellente Schauspielerin war, wussten wir alle. In ihrer Freizeit spielte sie Theater, was sie schließlich auch zu ihrem Nebenjob an der Theaterkasse brachte. Aber dass sie allen solch eine perfekte Beziehung vorspielte, war selbst für sie eine Nummer zu hoch.
Dachten wir zumindest.

„Ich kann nichts dagegen tun. Es sind meine Gefühle und ich würde alles dafür geben, dass ich das, was ich für Ian empfinde, für Artur empfinden würde, aber es ist verdammt nochmal nicht so. Ich liebe ihn mehr als alles andere." Bis dato wusste ich nur noch nicht wer dieser Ian war, hätte ich dias getan, wäre mein Ratschlag vermutlich anders ausgefallen.

Natürlich riet ich ihr sofort Artur die Wahrheit zu gestehen, egal wie schwer es für sie sein mag. Dazu kam es nur leider nie. Und nun steht sie hier mit Ian, ihrer Affäre, ihrer wirklich großen Liebe.

„Hast du schon mit Artur gesprochen?", fragte ich sie und blickte sie starr an.
„Nach dem Test sind wir ja direkt mit unseren Partnern in die Wohnung gezogen, deswegen hatte ich keine Möglichkeit, mit ihm persönlich zu sprechen. Aber ich habe eine Nachricht auf seiner Voicemail da gelassen", zum Ende hin wurde sie immer leiser und blickte auf den Boden. Ian trat ein wenig vor und nahm sie in den Arm. Langsam bahnte sich Wut in mir auf.

Ja, sie kann nichts für ihre Gefühle, aber sie hätte es Artur sagen können. Stattdessen spielte sie ihm die ganze Zeit lang was vor und traf sich heimlich mit Ian. Ich habe ihr nie meine Meinung dazu gesagt, schließlich habe ich nicht das Recht mich in ihr Leben einzumischen, aber Artur war nun mal auch ein guter Freund von mir und er hätte mindestens die Wahrheit von Naomi verdient.
„Hat er geantwortet?", fragte ich im kühlen Ton, woraufhin sie nur mit dem Kopf schüttelte.
„Versprich mir, dass du Matt und Alicia nichts von alledem erzählst", bat sie mich.
Ich hatte sowieso noch nichts von den Beiden gehört. Verständlich, denn eigentlich sieht die Regierung vor, dass man sich die ersten 5 Tage wirklich nur dem Partner und Kennenlernen widmet.
Wir verabschiedeten uns und als ich draußen war blieb ich erst einmal einen Moment stehen.

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