7.

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Siehst du ihn nicht?

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Pink.

Es war das erste, was ihm durch den Kopf schoss, kaum dass er seine Augen aufgeschlagen hatte. Eine schöne Farbe, die diesen abgedunkelten Raum zierte. Ivolan kratzte sich am Kinn und erhob sich langsam von dem hölzernen Kinderbett, auf das er sich gequetscht hatte.

Prompt stieß er mit dem Schädel gegen einen seidigen Schleier, der an einem Haken locker von der Decke hing.

Er wusste nicht wo er war, hatte nur das eine in seinen Gedanken: Bin ich tot?

Noch immer von seiner rätselhaften Umgebung irritiert blickte er auf seine Handgelenke. Sie sahen aus, wie immer. Von Blut und Fleisch war nichts zu erkennen. Kurz hatte Ivolan das Gefühl, er sei verrückt geworden. Schließlich hatte er den dreckigen Waschraum des vertrauten Bahnhofes noch genau vor Augen.

Die Spur aus Blutstropfen, die an seinem Körper hochgewandert war, bis zu der niederschmetternden Quelle.

Nun war er hier, zwischen Puppen und Prinzessinnen.

Abermals rieb er sich die Augen, woraufhin auf seinen Handgelenken verwischte Spuren auftauchten. Narbenartig schlängelten sie sich über Ivolans Unterarme, wie Würmer, die von innen durch seinen Körper krochen und die Haut ausbeulten, bereit, ihr Gift zu verteilen und ihn ein weiteres Mal zu vernichten.

Er stöhnte und ließ sich auf einen Drehstuhl sinken, der ihm die Knie einklappte, so niedrig war er. Ivolan sah aus dem Fenster, wo eine verregnete Spielstraße, verlassen von jeglicher Freude und Leben da lag und sich ihren breiten Weg durch die Einfamilienhäuser bahnte.

In diesem Moment öffnete sich die Zimmertür und die selbstgemalten Bilder von Feen und Schlössern wehten im sanften Wind.

Ein Mädchen stand vor ihm, die blonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten. Ihre Latzhose war mit kleine Aufnähern verziert. Kleine Hasen und Enten blickten ihm scheu entgegen, ebenso wie das Kind, das ihn voller Ehrfurcht anstarrte.

Zögerlich starrte er zurück.

"Wer bist du?", fragte sie nach einer Pause der Stille.

"Ich bin Ivolan", antwortete Ivolan.

"Hallo!", sagte das Mädchen. Sie lächelte. Ein breites, glückliches und vor allem ein wenig zahnloses Kinderlächeln.

"Willst du mit mir Tee trinken?"

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Ivolan hockte nun auf einem noch kleineren Plastikstühlchen und bekam von seiner neuen Freundin scheinbar unsichtbaren Tee eingegossen.

"Danke", murmelte er und nickte ihr halb grinsend zu. "Wie ist denn dein Name?"

Ivolan hatte kaum Erfahrung im Umgang mit Kindern. Einzig seine Cousine Emma hatte sich bei einer Familienfeier auf ihm übergeben, womit er das Kapitel relativ schnell abgehakt hatte.

"Clara", sagte das kleine Mädchen abwesend und schenkte sich selbst ein.

"Prost!" Sie hob die Tasse und sah ihn erwartungsvoll an. Ivolan runzelte die Stirn und hob auch sein winziges Porzellantässchen. Vorsichtig, um es nicht zu zerbrechen, stieß er gegen Claras.

"Freut mich sehr dich kennenzulernen, Clara", murmelte er, aber die hatte ihren Tee in Sekundenschnelle geleert und den Raum summend verlassen.

Ohne zu wissen, was er jetzt tun sollte, lehnte er sich in dem Stückchen zurück. Clara kam wieder, an der Hand eine ungesund schlanke Frau. Ihre Haare waren dünn und ungepflegt, ihr Gesicht schmal und leer.

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