Kapitel 6

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Wincent 

Am Abend hatten wir es tatsächlich geschafft mal mehr als nur Joggingshorts und T-Shirt anzuziehen und schlenderten ein wenig durch die Altstadt auf der Suche nach etwas Essbarem. Ich merkte schon in diesen paar Tagen, dass ich mein Sportprogramm Zuhause nicht allzu sehr vernachlässigen durfte, sonst würde mein Bauch ebenso wachsen wie Emmas. Wie ich ohne sie meinen Arsch hoch kriegen sollte war mir noch ein Rätsel. Mein Blick fiel auf Emma, die ein paar Schritte vor mir ging und direkt an dem ersten Laden mit Tüdelkram stehen blieb. Grinsend musterte ich sie. Wie schön sie aussah, wie immer, aber ich hatte das Gefühl, seit sie schwanger war strahlte sie noch mehr. Ihr langes Kleid umspielte ihren Körper und ihre Haare tanzten in lockeren Wellen im Wind, während sie von einem Ladenfenster zum nächsten ging. Ich hätte platzen können vor Glück. Ich schoss einige Fotos mit der tiefstehenden Sonne im Hintergrund, bis Emma irgendwann mal aufmerksam wurde. „Schau mal, wie niedlich is das denn?", quiekte sie, sodass ich zu ihr aufschloss. Sie hielt mir sowas wie einen Strampler hin, blau-weiß gestreift mit einem Anker vorne auf der Brust- das kitschigste Teil, was es hier wohl gab. Aber sie freute sich so, also freute ich mich auch. „Willst du das als erstes Teil fürs Baby kaufen?", fragte ich sie. Emmas Augen leuchteten mich an, als sie nickte. „Ist ja auch der erste Urlaub fürs Baby", meinte sie und hielt sich die Hand auf ihren nicht vorhandene Bauch. Ich musterte das Teil und irgendwie war es ja auch wirklich süß. „Und was wenns ein Mädchen wird?", fragte ich und Emma legte ihren Kopf schief. „Dann kann sies genauso anziehen? Oder bist du so vergendert erzogen worden, dass blau nur für Jungs und rosa nur für Mädchen ist? Falls es dir entfallen ist, als die Mutter dieses Kindes wird es keinen rosa Tüllrock für mein Mädchen geben", meinte sie und da musste ich lachen. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Emma in rosa Glitzerkleidchen. Aber was ich mir ganz gut vorstellen konnte, war Emma mit unserer Tochter auf dem Arm. Sie war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und mindestens genau hübsch wie ihre Mama und ich wusste schon jetzt, sie würde die zweite Liebe meines Lebens sein. War das nicht verrückt? Jemanden so abgöttisch zu lieben, ohne denjenigen vorher gesehen zu haben?

Wieder sah ich zu Emma, die mich immer noch ansah. Ich ging auf sie zu und drückte ihr einen langen Kuss auf die Lippen. „Du kannst ihr anziehen, was du willst. Solange ich ein Auge drauf hab, wenn sie so 13/14 ist. Dann kaufen wir nur noch bodenlange Kartoffelsäcke. Wenn sie auch nur ansatzweise was von dir hat, müssen wir sie einsperren", witzelte ich und Emma lachte, ehe sie ihre Hände auf meine Brust legte und zu mir aufsah. „Was macht dich so sicher, dass es ein Mädchen ist?", fragte sie und ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung, das war mein Unterbewusstsein, was uns eine Tochter prophezeite. „Letztendlich is es mir völlig egal", sagte ich. Aber ein Mädchen wäre schon toll, fügte meine innere Stimme an. Ein Glück konnte man das nicht beeinflussen. Es wird so oder so wunderschön sein, Papa zu werden. Natürlich erfüllte ich Emma ihren Wunsch und kaufte den klischeehaftesten Strampler in der ganzen Stadt und entführte sie dann ins nächste Restaurant. Mein Magen knurrte schon wieder. Wir bestellten uns einmal durch die Fischkarte und ich trank den ein oder anderen Wein dazu, während Emma mich musterte. Fragend sah ich sie an. „Stört dich das eigentlich?", fragte ich und Emma legte ihre Stirn in Falten, „na, dass ich trinken darf und du nicht". Das klang als hätten wir n Alkoholproblem, aber...lassen wir das Thema. Emma legte ihr Besteck bei Seite und trank einen Schluck von ihrem Wasser. Ich war etwas irritiert. „Manchmal bin ich vielleicht ein bisschen neidisch, aber eigentlich auch nicht. Aber ich fände es trotzdem schön, wenn du das mir zuliebe zurückschraubst, spätestens nächstes Jahr. Du schläfst immer wie erschossen, wenn du getrunken hast, dass ich Angst hab dich nicht wach zu kriegen, wenn was is", meinte sie.

So hatte ich das noch nicht gesehen und eigentlich leuchtete mir das durchaus ein. Wer sollte sie fahren, wenn ich getrunken hatte? Das klang wirklich gar nicht gut für mich. Emma griff irgendwann nach meiner Hand, nachdem ich vermutlich immer noch starr dasaß, und als ich sie ansah, grinste sie. „Jetzt guck nicht so, is doch alles gut. Aber nächstes Jahr geht eh die Tour los, da trinkst du sowieso nicht und dann wenn es auf den Termin zugeht, brauch ich dich einfach immer einsatzbereit. Und wenn das Baby da is, sowieso. Du rollst dich sonst noch drauf im Schlaf", erklärte sie und sofort riss ich die Augen auf. „Ich roll mich doch nicht auf das Kind drauf", protestierte ich sofort. „Doch. Also Linda meinte mal unter Alkoholeinfluss soll man nicht mit dem Kind in einem Bett schlafen, weil der Schlaf tiefer is und man sich drauf rollen könnte", erklärte sie und ehrlich gestanden machte das auch ein bisschen Sinn. „Aber warum muss das Kind überhaupt bei uns im Bett schlafen?", kam es mir in den Kopf und Emma legte ihren Kopf schief. „Wo soll es sonst schlafen? In unserer kleinen Wohnung...", kommentierte Emma und erst dann dachte ich so richtig darüber nach. Wir hatten ein Problem.


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