Kapitel 52

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Emma

Die ersten zwei Wochen als frisch gebackene kleine Familie verbrachten wir brav im Bett, wie es mir meine Hebamme befohlen hatte. Und ich brauchte diese Zeit um mich zu regenerieren. Diese ganze Schwangerschaft, die Tour am Ende und die heftige Geburt mit all ihren Nachwehen zehrten an mir. Körperlich und psychisch. Und auch Wincent brauchte diese ruhige Zeit mit uns alleine sehr. Die Nächte, die er hochschreckte und panisch nach mir oder Florentine suchte, wurden seltener, und langsam ließ er uns auch mal eine halbe Stunde alleine um Joggen zu gehen. Ich hoffte wir würden das auf die Kette kriegen und unsere Panik und Angst einander zu verlieren, würde weniger werden. Vielleicht musste ich damit anfangen. Die schlechten Gedanken beiseite schieben und auf das Gute vertrauen- Mama würde schon auf Florentine und mich und Wincent aufpassen. Da war ich mir eigentlich sicher. Jetzt musste das nur noch in meinem Kopf ankommen. 

Nach knapp über zwei Wochen im Bett entschieden wir uns das erste Mal für einen kleinen Ausflug. Ich musste mal raus, mal Luft schnappen und mal wieder das Meer sehen. Und ich fühlte mich gut. Nachdem Florentine eingeschlafen war, stellte ich mich unter die Dusche und ließ mir das erste Mal seit ich Mutter war richtig viel Zeit dabei. Ich wusste, sie war bei Wincent in guten Händen und so genoss ich meine Zeit alleine in Stille in vollen Zügen. Ich dachte an nichts und ich hörte nichts außer das Prasseln des Wasserstrahls, und das hypnotisierte mich beinahe. Als ich mich wenig später im Spiegel begutachtete, sah ich besser aus, fand ich. Ich war nicht mehr ganz so blass wie die letzten Wochen und auch mein Bauch war fast verschwunden. Schon verrückt was ein Körper so kann, dachte ich während ich meine weiche Haut eincremte. Die Zeit des Sixpacks wird wohl aber ein für alle Mal vorbei sein, fügte meine gehässige innere Stimme an. Ja, vielleicht hätte ich da früher was drauf gegeben, aber ich hatte eine Schwangerschaft und eine Geburt hinter mir; das war viel mehr wert als ein flacher Bauch. Ich schüttelte mich. Wie bescheuert war ich eigentlich so kurz nach Florentines Geburt über meinen Körper nachzudenken.

Ich zog mir Leggings und Hoodie an und ging dann zurück ins Schlafzimmer, wo sich Wincent keinen Millimeter bewegt hatte, seit ich unter die Dusche gesprungen war. Er lag immer noch auf der Seite, seinen Kopf in seine Hand gestützt und streichelte Florentine über den Kopf. Sie schlief noch immer tief und fest. „...ich kann es kaum erwarten mit mei'm Sohn mal was zu starten, meiner Tochter zu erzählen ‚deine Mama is der Wahnsinn'...", hörte ich Wincent leise flüstern, ehe er seiner Tochter einen Kuss aufs Haar hauchte. Mein Herz explodierte beinahe. Wincent hatte sich so verändert, seit wir Eltern waren. Und ich mich auch. Ich hätte heulen können oder dahin schmelzen können, je nachdem, aber er war so süß im Umgang mit ihr, und diese neue weiche Seite stand ihm unheimlich gut. Da kam einfach jemand in sein Leben, der seine ganze Gefühlswelt auf den Kopf stellte, und dabei dachte ich immer, das wäre mein Job gewesen. 

Aber was seine Flori schaffte, würde ich niemals schaffen. Ich denke, das ist diese besondere Vater-Tochter-Beziehung, die mit nichts zu vergleichen war. Er würde sein Leben für sie geben, und dafür liebte ich ihn. Und das wird auch mein Leben lang so bleiben. Ich dachte bis zu diesem Punkt, dass ich tausend Dinge aufzählen könnte, warum ich mich so in Wincent verliebt hatte, aber erst jetzt wusste ich, was es wirklich war. Erst seit ich ein Kind mit ihm hatte, war mir klar, dass wir unser Leben lang miteinander verbunden sein würden und dass ich mir nichts Schöneres vorstellen könnte. Ich hatte echt Glück. „Ich hab auch echt Glück", hörte ich Wincent sagen und als ich blinzelte tauchte sein Gesicht vor meinem auf. Ich wusste nicht, wie mir geschah. „Du hast laut gedacht", schmunzelte er und strich mir über die Wange. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn an meine. Ich schloss meine Augen und genoss diesen Moment einfach nur. „Ich liebe dich, Emma Weiß, und ich geb dich nie mehr her. Und ich kann gar nicht oft genug sagen wie dankbar ich dir bin, für dich, für uns und für Flori", flüsterte er.

Schon wieder stiegen mir die Tränen in die Augen- scheiß Hormone. „Ich liebe dich auch, Wincent", schniefte ich und schlang meine Arme um ihn. Er drückte mich fest an seine Brust, dass ich kaum Luft bekam. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so zusammenstanden, aber irgendwann hatte ich mich wieder beruhigt. „Wann hörst diese Gefühlsduselei eigentlich wieder auf?", witzelte Wincent und dann sah ich ihn an. „Du hast jetzt eine Tochter, ich schätze das bleibt so", erwiderte ich und drückte ihm einen langen Kuss auf die Lippen. Zu gerne hätte ich selbst gewusst wie lange wir noch so neben uns stehen würden. Natürlich wurde Florentine dank unserer Trödelei nochmal wach und hatte Hunger, sodass wir erst zwei Stunden später am Meer ankamen. Wir würden uns wohl daran gewöhnen müssen, dass ein ‚lass uns gehen' mit Kind nicht mehr drin war. Während ich noch in den Weiten meiner Tasche nach einer Mütze für Florentine kramte, hatte Wincent sie schon dreimal aus der Babyschale gehoben und in die Trage gesetzt. „Aber ihre Mütze...", seufzte ich, weil ich das blöde Teil einfach nicht finden konnte. Wincent tauchte neben mir auf, öffnete seine Jacke und stülpte Florentines Kapuze von ihrem Kopf, auf dem längst ein schwarzes Mützchen saß. Ich sah ihn an und er grinste nur entschuldigend. Er hätte mir ja auch sagen können, dass er sie genommen hat. 

„Komm jetzt", machte er und streckte seine Hand nach mir aus. Ich stieg also aus und zog mir meine Jacke über, ehe ich Wincent folgte. Der Wind wehte uns um die Nase und das tat mir so gut. Es war als würden all meine schlechten Gedanken und meine Angst in den Weiten der Ostsee verschwinden, während wir am Strand entlang gingen. Immer wieder sah ich zu Wincent rüber, dem das Baby vor seiner Brust einfach unfassbar gut stand. Und wenn dieser Gedanke mal nicht präsent war, dann überkam mich die maximale Kitschigkeit, wenn ich uns ansah. Partnerlook as always, selbst die gleichen Mützen hatten wir auf, und dann noch Florentine, die sich in ihrem Adidasjogger super bei uns einreihte. Wir setzten uns irgendwann in einen Strandkorb und sahen auf die See. Es war kaum jemand hier, es war schließlich April und eindeutig zu kalt- also für alle Nicht-Nordlichter. Uns tat die frische Luft gerade mehr als gut. Wincent öffnete seine Jacke ein kleines Stück, sodass ich einen Blick auf unsere Tochter werfen konnte, die noch immer schlief- auch ihr tat die frische Luft scheinbar gut. „Ich wünschte das hier könnte immer so sein", hörte ich Wincent sagen. Seufzend stimmte ich ihm zu. Wie er das wirklich meinte, würde ich erst noch erfahren. 

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