Kapitel 28

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Wincent

Ich atmete nochmal tief durch, bevor ich vorsichtig an der Schlafzimmertür klopfte. Ich wartete eine Weile, aber drinnen rührte sich nichts und ich hörte auch nichts. Also klopfte ich nochmal und wartete nur noch halb so lange. Ich merkte schon, wie ich mich aufregte, weil sie so ein Sturkopf war. So stur wie ich wahrscheinlich. Komm runter, Wincent, sonst ist keinem geholfen, sprach mir meine innere Stimme gut zu. Seufzend nahm ich den Türgriff in die Hand und schob langsam die Tür auf. Emma musste man manchmal eben zu ihrem Glück zwingen und ich war ihr Glück, mal ehrlich gesprochen. Sie konnte das Thema nicht totschweigen, so würde es sich sicher nicht in Luft auflösen. Ich schloss die Tür und ging auf das Bett zu, in dem sie lag, den Rücken zur Tür gedreht. „Emma?", machte ich und setzte mich auf meine freie Bettseite. Emma sagte nichts, aber ich hörte sie atmen, als würde sie ihre Tränen nicht zulassen wollen. Das wollte ich doch nun auch nicht. „Emma", sagte ich nochmal ihren Namen und legte meine Hand sanft an ihre Schulter. Ich dachte ja vielleicht würde sie das beruhigen, aber das Gegenteil war der Fall- jetzt schluchzte sie richtig. Und ich ließ sie einfach gehen, natürlich nicht ohne immer wieder über ihren Rücken zu streichen, bis sie sich beruhigt hatte. 

Vorher machte es keinen Sinn mit ihr zu reden. Irgendwann hatte sie sich wieder gesammelt und setzte sich auf und mir gegenüber. Mir versetzte es einen Stich ins Herz, wenn ich in ihre verquollenen Augen sah, schließlich wollte ich das keinesfalls. „Warum bist du so?", fragte sie mich und ich wusste nicht, was sie meinte. „Warum stellst du mich Zuhause ab und meinst, dass sich jetzt für dich nichts ändert?", redete sie weiter. Ich war perplex, dass sie das so sah, aber bevor ich etwas antwortete, machte Emma weiter. „Stellst du dir das wirklich so vor? Dass ich brav Zuhause bleibe und unser Kind erziehe, während du in der Weltgeschichte rumgondelst? Das hätte ich gerne vorher gewusst, Wincent", prasselten ihre Worte weiter auf mich ein. Ich war völlig überfordert, dass sie so ein Fass aufmachte. Darum ging es ja schließlich überhaupt nicht.

Ich wollte ihr lediglich den Tourstress ersparen, weil ich mir sicher war, dass ihr das zu viel werden würde. Und das meinte ich nicht, weil sie schwach war, sondern einfach nur schwanger. „Emma, ich...", fing ich an, aber offensichtlich wollte sie das gar nicht hören. „Wenn du dir so dein Familienleben vorstellst, dann haben wir offenbar jahrelang aneinander vorbeigeredet. Ich dachte wir treffen solche Entscheidungen gemeinsam. Und du weißt ich hasse das, wenn du mich so bevormundest. Ich bin eine erwachsene Frau, ich kann selbst für mich entscheiden, was gut ist und was nicht", wurde sie langsam wieder lauter. Ich musste mich wirklich zwingen ruhig zu bleiben, was mir zunehmend schwer fiel. Aber Amelie hatte Recht, das versuchte ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich musste nachgiebig sein. 

„Emma", startete ich also einen zweiten Versuch, „das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun und das weißt du eigentlich. Natürlich will ich nicht, dass du Zuhause bleibst und dich um unsere Familie kümmerst, die will ich genauso. Aber diese Tour war eben schon länger so geplant und wir waren uns einig, dass wir sie machen". Ich legte meine Hände vorsichtig auf ihre, um sie zu beruhigen, und eventuell auch mich selbst. Bloß keine Eskalation jetzt! Emma war schon wieder im Angriffsmodus, das sah ich genau, weswegen ich schnell weitersprach. „Wir hätten darüber reden müssen, aber irgendwie dachte ich wohl, dass es das Beste ist, wenn du Zuhause bleibst, einfach um dir die Anstrengung zu ersparen". Sie war schon wieder drauf und dran dagegen zu feuern, aber sie musste jetzt mal ruhig bleiben. „Bitte lass mich ausreden", schob ich direkt dazwischen. „Aber ihr habt Recht, dass ich keine Ruhe haben würde, wenn ich so weit von dir weg wäre. So hab ich das nicht gesehen. Ich dachte wohl einfach meine Mum kümmert sich um dich und es wird schon alles gut gehen", gab ich zu und da musste Emma nun schwach lächeln. Ich hatte das wirklich nicht zu Ende gedacht, das musste ich leider einsehen.

„Ich hätte nie damit gerechnet, dass du mich Zuhause lassen willst...sonst hätte ich natürlich viel früher was zu meinen Tourplänen gesagt", meldete sich Emma zu Wort. „Ich will dich nicht Zuhause lassen", quatschte ich direkt dazwischen, wobei das ehrlich gesagt genau mein Plan war. Aber wenn sie das so aussprach, merkte ich erstmal wie blöd das klang. Emma hob eine Augenbraue und sah mich an. Noch nie hatten wir so lange über ein und dasselbe Thema diskutiert. Wir wären früher schon vor Stunden im Bett gelandet und fertig. „Doch, genau das war dein Plan. Du wolltest mich Zuhause lassen, das musst du dir jetzt leider genau so anhören", wiederholte Emma ihre Worte. „Und ich sag dir, ich will das nie wieder hören, okay? Ich will nie wieder, dass du eine Entscheidung über meinen Kopf hinweg triffst, die uns beide etwas angeht. Wir werden Eltern, Wincent, wir müssen das zusammen machen oder gar nicht", sagte sie ernst. Niemals hätte ich gedacht, dass dieses Ding solche Ausmaße annimmt. „Das wollte ich doch alles eigentlich überhaupt gar nicht", seufzte ich und ließ meinen Kopf hängen. 

„Ich auch nicht", meinte Emma und legte ihre Hände über meine, sodass ich sie ansah. „Wir müssen echt mehr miteinander reden", kam es uns zeitgleich über die Lippen. Ich musste grinsen und Emma auch. „Und dabei dachte ich wir machen das schon besser als früher", fügte ich noch an. „Wobei unsere Lösungen früher auch nicht schlecht waren...", sagte Emma und sah mich verschmitzt an. Ich hielt ihrem Blick stand, bis sie ein schmerzverzerrtes Gesicht zog und sich ihre Hand an den Bauch hielt. „Ey", machte sie und sofort war ich wieder in Alarmbereitschaft. Unsere Auseinandersetzung setzte ihr doch zu. „Entspann dich, da quetscht sich nur ein Fuß unter meine Rippen", erklärte sie. Es war an der Zeit mein Verständnis einzuräumen. „Du kommst mit. Du hast Recht, dass ich keine Ruhe hätte, wenn ich nicht bei dir wäre", meinte ich nur noch und sie lächelte mich dankbar an. „Ich versprech dir, ich bin brav und halt mich zurück", erwiderte sie. Als ob, aber das würden wir sehen, wenn wir unterwegs waren. Ich musste ihr vertrauen. 

Für immer DuWhere stories live. Discover now