Ein seltsames Gefühl

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Snape legte seinen letzten Aufsatz beiseite. Endlich war er fertig. Seine Kopfschmerzen brachten ihn fast um und doch hatte er noch nicht das Bedürfnis gehen zu wollen. Langsam beugte er sich nach vorn. Potter war schon die ganzen Zeit merkwürdig still gewesen und zu seinem Erstaunen bemerkte er erst jetzt, das der Junge eingeschlafen war. Er sah so entspannt aus, mit dem Aufgeknöpften Hemd und den hoch gekrempelten Ärmeln. Das schwarze Haar sah aus, als hätte er es drei Tage nicht gekämmt und seine Lippen waren leicht geöffnet. Potter atmete ruhig und schien bequem zu liegen. Wie konnte man im sitzen einschlafen?!

Snape schüttelte mit seinen Kopf. Potters Verhalten ihm gegenüber, hatte sich von jetzt auf gleich verändert. Bei Merlin, er hatte sich entschuldigt und bedankt! Er hatte keine Ahnung gehabt, wie er darauf reagieren sollte, denn er war auf sowas nicht vorbereitet gewesen. Neville Longbottom hatte dem Jungen zu viel erzählt, eindeutig. Potter war ruhig gewesen und einsichtig. Hatte der Kerl zwei Seiten? Dabei hatten sich seine Worte so ehrlich angehört. Snape glaubte sogar, das er ihn nicht angelogen hatte, als er ihm erzählte, was er getan hatte. Völlig überraschend hatte sein Herz angefangen zu schlagen, als Potter ihm in die Augen geschaut hatte. Es war als hätte er keine Scheu gehabt sich ihm zu öffnen. Von jetzt auf gleich hatte sich etwas zwischen ihnen verändert und Snape wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Vor ein paar Stunden wäre ihm Potter beinahe noch an die Kehle gesprungen und jetzt....

Alles wirkte seltsam vertraut zwischen ihnen. Selbst das der Junge neben ihm eingeschlafen war, fühlte sich kein bisschen merkwürdig an. Harry hatte so offen mit ihm gesprochen, das Snape nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie es weiter gehen würde. Was war, wenn der Junge aufwachte und ihm in hohen Bogen aus dem Zimmer warf?! Das dieser Abend gut gelaufen war, hieß noch lange nicht, das sich ihr Verhältnis für immer verbessert hatte. Allein weil Snape kaum auf seinen Dank und seine Entschuldigung reagiert hatte. Er war einfach zu überrascht gewesen. Er wusste nicht mal jetzt, was er davon halten sollte.

Snape schaute ihn an und musste sich eingestehen das Harry gut aussah. Er widerstand der Versuchung, seine Finger in das schwarze Haar zu vergraben. Potter wirkte immer noch so Jung, nur der leichte Bartschatten zeigte Snape, das Potter ein Mann geworden war. Er war attraktiv... und Snape empfand definitiv etwas für den Jungen. Er seufzte leise und rutschte nach vorn. Er hätte längst in seinen eigenen Räumen sein sollen. Sicher begannen die Fette Dame und Dumbledore ihn schon zu suchen und er wollte auf keinen Fall riskieren, das Dumbledore ihn ausgerechnet hier fand. Das würde nur für mehr Zündstoff sorgen und darauf konnte er beim besten Willen verzichten. Abgesehen davon, würde Potter seinen Schlaf brauchen. Für ihn war der erste Tag wesentlich anstrengender gewesen, als für ihn. Sie hätten nie solange an diesen Aufsätzen sitzen sollen. Warum hatte er sich auch dazu hinreißen lassen? Er hatte doch eigentlich zu McGonagall gewollt.

Snape fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er war auch müde, doch wieso saß er immer noch hier, anstatt einfach aufzustehen und zu gehen? Was hielt ihn hier? Er gab sich selbst einen Ruck. Er wollte die paar Minuten in Potters Nähe genießen. Er hätte die ganze Nacht hier sitzen können, um ihm beim Schlafen zu beobachten. Er sah so friedlich aus, so entspannt. Als würde ihm Nichts anhaben können. Seine helle Haut hob sich von dem schwarzen Haaren und dem schwarzen Pullover ab. Seit wann war Potter eigentlich so blass? Er hatte doch sonst immer ein wenig Farbe im Gesicht gehabt.

Seine Hände waren in seinen Schoß gefallen und hielten den Aufsatz nur noch halbherzig fest. Snape beugte sich zu ihm und nahm ihm die Blätter aus der Hand. Der Kleine rührte sich nicht einen Millimeter. Ob er wach werden würde, wenn Snape ihm ein paar dieser vorwitzigen Haarsträhnen aus der Stirn streichen würde?

"Hier stecken Sie also!" Snape erschrak so sehr, das er zurück in die Kissen, der Couch wich. Dumbledore!
"Sind Sie wahnsinnig?!" Fauchte er und schaute den alten Mann in seinem Portrait wütend an.
"Wir suchen sie schon seit Stunden. Was machen Sie hier?" Snape schaute zu Harry, weil Dumbledore seine Stimme nicht leiser werden ließ. Doch dieser schlief immer noch ruhig.
"Das könnte ich Sie auch fragen. Wieso suchen Sie mich?" Das war unglaublich. Gerade eben hatte er noch gehofft unentdeckt zu bleiben und dann das. Er hegte den Wunsch Dumbledores Portrait einfach hinzulegen. Wieso konnte dieser alte Kauz ihn nicht einmal in Ruhe lassen?
"McGonagall sagte mir, das du eigentlich zu ihr kommen wolltest und jetzt sehe ich dich hier sitzen." Dumbledore sah ihn abwartend an. Natürlich fragte er nicht einfach, was er wissen wollte.
"Ich war auf den Weg zu ihr, als ich Potter traf. Ich bot ihm an, bei einigen Aufsätzen zu helfen." Er deutete auf den Tisch, während er vorsichtig aufstand.
"Seit wann bist du so hilfsbereit?" Fragte Dumbledore lächelnd und Snape gefiel dieses Lächeln nicht.
"Das sind Aufgaben, die ich den Schülern vor den Ferien aufgegeben habe. Potter ist noch nicht lange hier und ich sah mich gezwungen, ihm unter die Arme zu greifen." Was redete er da für einen Quatsch? Als wäre er nicht freiwillig hier!
"Sieh mal einer an, jetzt hilfst du ihm schon." Dumbledore grinste.
"Hören Sie auf, Dumbledore. Ich wollte dem Jungen nur helfen." Er schaute zu Harry, weil er aus versehen lauter geworden war, als beabsichtig.

Dieses Mal blinzelte der Junge und Snape sah zu Dumbledore.
"Gehen Sie!" Er drehte sich zu Harry, der sich etwas desorientiert umschaute.
"Bin ich eingeschlafen?" Fragte er und setzte sich auf. So verschlafen wirkte er gleich noch anziehender auf Snape. War denn das zu fassen? Eben hatte er noch mit Dumbledore diskutiert und jetzt reagierte er schon wieder auf den Schwarzhaarigen.
"Ja das bist du." Sagte Snape leise und stand auf. Er hielt ihm aus einem Impuls heraus, seine Hand entgegen. Dabei linste er zum Portrait von Dumbledore, der sie Beide grinsend anschaute und dann verschwand. Snape wollte gar nicht wissen, was sich jetzt wieder in dem Kopf des Alten abspielen würde. 

Nach so langer ZeitWhere stories live. Discover now