Kapitel 2 ✔️

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L U N A

Ich wurde früh von Remus geweckt, der durch das ganze Haus lief.
Ich sah lachend dabei zu und packte die letzten Sachen in meinen Koffer.
Um 10:15 Uhr nahm ich Remus' Arm und kurz darauf waren wir am Bahnhof King's Cross.
Wir gingen zu der Absperrung, gingen durch und landeten auf dem Bahnsteig 9 3/4.
Als ich aufblickte, sah ich den Hogwarts-Express mit seiner scharlachroten Lok, die Dampf aus ihrem Schornstein paffte.
Auf dem Bahnsteig war so gut wie nichts los.
Es ist ja auch recht früh.
Ich gab dem Schaffner meinen Koffer und meine Eule, schnappte mir meine kleine Tasche, nahm Remus am Arm und zusammen setzten wir uns in ein freies Abteil ganz am Ende des Zuges.
„Ist es okay, wenn ich ein bisschen Schlafe?", fragte mich Remus.
„Ist okay.", lächelte ich und nickte.
Dann holte ich mein Buch raus und fing an zu Lesen.

Um 10:55 Uhr ging bei uns die Abteiltür auf.
Ich schaute von meinem Buch auf und fing an zu grinsen.
Es waren Harry, Ron und Mine.
„Hey, Lu! Können wir uns zu... euch setzten?", fragte mich Mine.
Ich nickte lächelnd.
„Wer, glaubt ihr, ist das?", zischte Ron, als sie die Tür zuschoben und sich setzten, möglichst weit von meinem Patenonkel entfernt.
„Professor R. J. Lupin.", flüsterte Mine ohne zu zögern, bevor ich antworten konnte.
„Woher weißt du das denn schon wieder?"
„Steht auf seinem Koffer.", antwortete Mine und deutete auf die Gepäckablage über dem Kopf von Remus, wo ein kleiner, zerknautschter Koffer lag, der mit einer Menge Schnur sorgfältig zugeknotet war.
Auf einer Seite stand in abblätternden Lettern der Name »Professor R. J. Lupin«.
„Welches Fach der wohl gibt?", fragte Ron und musterte stirnrunzelnd meinen Paten.
„Das ist doch klar", flüsterte Mine, „es gibt nur eine freie Stelle, oder? Verteidigung gegen die dunklen Künste."
Harry, Ron, Mine und ich hatten schon zwei Lehrer in diesem Fach gehabt und beide hatten nur ein Jahr lang durchgehalten.
Gerüchten zufolge brachte diese Stelle kein Glück.
„Leute! Das ist Remus Lupin. Mein Patenonkel.", flüsterte ich, aber musste kichern.
„Oh.", sagte Mine nur.
„Ich hoffe, er schafft es.", sagte Ron zweifelnd. „Sieht eher aus, als ob ein guter Zauber ihn erledigen würde, oder? Jedenfalls...", er wandte sich Harry zu, als er meinen bösen Blick bemerkte, „was wolltest du uns sagen?"
Harry erzählte die ganze Geschichte von dem Streit zwischen Arthur und Molly und der Warnung, die er soeben von Arthur erhalten hatte.
Als er fertig war, schien Ron wie vom Donner gerührt, Mine hatte die Hände gegen die Lippen gepresst und ich war, ganz bestimmt, blass.
Endlich öffnete Mine den Mund und sagte:
„Sirius Black ist tatsächlich ausgebrochen, um dich zu jagen? Oh, Harry... du musst wirklich ganz, ganz vorsichtig sein. Such bloß keinen Ärger, Harry..."
„Ich suche keinen Ärger.", sagte Harry gereizt. „Meist findet der Ärger mich."
Das stimmt, ungefähr seit zwei Jahren ist das so.
„Harry müsste doch eine schöne Dumpfbacke sein, wenn er nach einem Verrückten sucht, der ihn umbringen will.", sagte Ron mit zitternder Stimme.
Mine schlug Ron gegen den Arm und deutete mit dem Kopf auf mich.
„Oh, Luna, ist dein Vater nicht... Sirius Black?", fragte Ron vorsichtig.
„Ja, Ron, er ist mein Vater.", antwortete ich und nahm Remus Hand.
„Na und? Luna kann nichts dafür, dass ihr Vater so ist, oder, Harry, Ron?", sagte Mine.
Ron und Harry schüttelten den Kopf.
„Keiner weiß, wie er aus Askaban entkommen konnte.", sagte Ron aufgebracht. „Keiner hat es je geschafft. Und er war auch noch ein Hochsicherheitsgefangener."
„Aber sie werden ihn doch fassen, nicht wahr?", sagte Mine nachdenklich. „Ich meine, die Muggel suchen ihn doch auch alle..."
„Was ist das für ein Geräusch?", fragte ich.
Von irgendwo kam ein leises, blechernes Pfeifen.
Wir sahen uns im Abteil um.
„Es kommt aus deinem Koffer, Harry.", sagte Ron.
Er stand auf und zog den Koffer aus der Gepäckablage.
Einen Augenblick später hatte er ein Taschenspickoskop zwischen Harry's Umhängen herausgezogen.
Rasend schnell und hell aufleuchtend drehte es sich auf Ron's Handfläche.
„Ist das ein Spickoskop?", fragte Mine neugierig und stand auf, um es näher in Augenschein zu nehmen.
Plötzlich drückte etwas meine Hand und ich wusste jetzt, Remus war wach.
„Ja... allerdings ein ziemlich billiges.", sagte Ron. „Seit ich es Errol ans Bein gebunden hab, um es Harry zu schicken, spinnt es ein wenig."
„Hast du damals irgendwas Komisches gemacht?", fragte ich mit forschendem Blick.
„Nein! Nun ja... ich hätte eigentlich nicht Errol nehmen sollen, du weißt doch, dass er nicht fit ist für lange Flüge... aber wie sollte ich Harry das Geschenk denn sonst schicken?"
„Steck es zurück in den Koffer", mahnte Harry, als das Spickoskop anfing, durchdringend zu pfeifen, „oder er wacht noch auf."
Er nickte zu Remus hinüber.
Ron stopfte das Spickoskop in ein besonders fürchterliches Paar alter Socken, was das Pfeifen abwürgte, dann klappte er den Koffer zu.
„Wir können es in Hogsmeade nachsehen lassen.", sagte Ron und setzte sich wieder. „Sie verkaufen solche Sachen bei Derwisch und Banges, magische Werkzeuge und so Zeugs, das weiß ich von Fred und George."
„Weist du viel über Hogsmeade?", fragte Mine interessiert. „Ich hab gelesen, es ist der einzige Ort in England, wo kein einziger Muggel lebt."
„Ja, ich glaub schon", sagte Ron gleichgültig, „aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dort hinmöchte. Ich will einfach mal in den Honigtopf!"
Honigtopf? Ist das ein Laden mit Süßigkeiten?
„Was ist das?", fragte ich.
„Der Süßigkeitenladen", sagte Ron und ein träumerischer Ausdruck trat auf sein Gesicht, „wo sie alles haben - Pfefferkekse - die lassen dir den Mund rauchen - und große pralle Schokokugeln, gefüllt mit Erdbeermousse und Schlagsahne und ganz tolle Zuckerfederhalter, die kannst du in der Schule lutschen und siehst dabei aus, als würdest du nur überlegen, was du schreiben sollst -"
„Aber Hogsmeade ist doch auch sonst ganz interessant, oder?", bohrte Mine wissbegierig nach. „In Historische Stätten der Zauberei heißt es, das Wirtshaus sei das Hauptquartier des berüchtigten Koboldaufstands von 1612 gewesen und die heulende Hütte soll das am übelsten spukende Gebäude im ganzen Land sein -"
„ - und dicke Brausekugeln, du hebst vom Boden ab, wenn du sie lutschst.", sagte Ron, der offensichtlich kein Wort von dem hören wollte, was Mine zu sagen hatte.
Mine wandte sich Harry zu.
„Wär es nicht schön, mal ein wenig aus der Schule rauszukommen und Hogsmeade zu erkunden?"
„Sicher.", brummte Harry. „Ihr müsst mir dann erzählen, wie es war."
„Was soll das heißen?", fragte ich.
„Ich kann nicht mit. Die Dursley's haben die Zustimmungserklärung für mich nicht unterschrieben und Fudge wollte auch nicht."
Ron war entsetzt.
„Du darfst nicht mitkommen? Aber kommt nicht in Frage, McGonagall oder sonst jemand wird es schon erlauben -"
Harry lachte hohl.
Professor McGonagall, die unser Haus Gryffindor leitete, war sehr streng.
„Oder wir fragen Fred und George, die kennen alle Geheimgänge aus dem Schloss heraus."
„Ron!", sagte Mine im schneidendem Ton. „Ich glaube nicht, dass Harry sich aus der Schule schleichen sollte, wenn Black auf freiem Fuß ist."
„Ja, das wird McGonagall sicher auch sagen, wenn ich sie um Erlaubnis frage.", sagte Harry verbittert.
„Aber wenn wir ihn begleiten, Hermine", sagte Ron beherzt, „wird Black es nicht wagen."
„Ach Ron, red keinen Stuss.", fuhr ihn Mine an. „Black hat mitten auf einer belebten Straße ein Dutzend Leute umgebracht, glaubst du wirklich, er wird sich davon abhalten lassen, Harry anzugreifen, nur weil wir dabei sind?"
Während sie sprach, nestelte sie an den Spannverschlüssen von Krummbein's Korb herum.
„Lass bloß dieses Tier nicht raus!", sagte Ron.
Doch zu spät; leichtfüßig hüpfte Krummbein aus dem Korb, streckte sich, gähnte und sprang auf Ron's Knie; das Knäuel in Ron's Brusttasche zitterte und wütend schob er Krummbein beiseite.
„Hau ab!"
„Ron, nicht!", sagte Mine zornig.
Ron wollte gerade zurückdachten, als sich Remus regte.
Gebannt beobachteten wir ihn, doch er drehte nur mit leicht geöffnetem Mund den Kopf auf die andere Seite und schlief weiter.
Der Hogwarts-Express fuhr stetig nordwärts und die Landschaft vor dem Fenster wurde wilder und düsterer und die Wolken am Himmel verdichteten sich.
Vor der Abteiltür rannten Schüler hin und her.
Krummbein hatte sich jetzt auf einem leeren Sitz niedergelassen, das eingedellte Gesicht Ron zugewandt und die gelben Augen auf Ron's Brusttasche gerichtet.
Um eins schob die plumpe Hexe mit dem Imbisswagen die Tür auf.
„Meint ihr, wir sollten ihn aufwecken?", fragte Ron verlegen und nickte zu Remus.
„Nein, nein! Lasst ihn bitte schlafen!", bat ich.
„Schon gut", sagte die Hexe und reichte Harry einen mächtigen Stapel Kesselkuchen, „wenn er aufwacht und Hunger hat, ich bin vorne beim Zugführer."
„Ich hoffe doch, dass er schläft?", sagte Ron leise, als die Hexe die Abteiltür zugeschoben hatte. „Ich meine - er ist nicht tot, oder?"
„Ron! Also wirklich! Natürlich lebt er! Er atmet doch!", sagte ich aufgebracht, aber auch belustigt.

Luna Black 3 - Harry PotterWhere stories live. Discover now