Kapitel 7 ✔️

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L U N A

Draco erschien erst wieder am Donnerstagmorgen im Unterricht, als wir alle schon die Hälfte der Zaubertrankstunde hinter uns hatten.
Den rechten Arm verbunden und in einer Schlinge stolzierte er in den Kerker.
„Wie geht's, Draco?", fragte Parkinson und schenkte ihm einen bewundernden Blick, „tut's noch sehr weh?"
„Jaah.", sagte Draco.
Ich runzelte die Stirn.
Eigentlich sollte es nicht mehr so weh tun, die Fäden wurden gestern von mir gezogen und es ist nur noch eine kleine Narbe zu sehen.
„Setzten Sie sich, setzten Sie sich.", sagte Professor Snape gleichmütig.
Harry und Ron sahen sich missmutig an; wenn sie zu spät gekommen wären, hätte Snape nicht »Setzen Sie sich« gesagt, er hätte sie nachsitzen lassen.
Doch Snape ließ Draco im Unterricht immer alles durchgehen; Snape war der Leiter des Hauses Slytherin und ließ uns anderen spüren, wer sein Lieblingsschüler war.
Heute war ein neuer Zaubertrank dran, eine Schrumpflösung.
Draco stellte einen Kessel neben Harry, Ron und mir auf - ich sitze zwischen den beiden -, so dass wir unsere Zutaten auf demselben Tisch vorbereiten mussten.
„Professor.", rief Draco, „Professor, ich brauche Hilfe beim Zerschneiden dieser Gänseblümchenwurzeln, weil mein Arm -"
„Weasley, du schneidest die Wurzeln für Malfoy.", antwortete Snape ohne aufzusehen.
Ron schoss die Röte ins Gesicht.
„Dein Arm ist vollkommen in Ordnung.", zischte er Draco zu.
Draco sah ihn hämisch an.
„Weasley, du hast gehört, was Professor Snape gesagt hat, schneid mir die Wurzeln."
Er nutzt das aus.
Manchmal bringt er mich zur Weißglut, aber ich kann ihn nicht durchfallen lassen.
Irgendwie gebe ich ihm immer wieder eine neue Chance.
Es sei denn, er sagt wieder Schlammblut.
Ron packte sein Messer, zog Draco's Wurzeln zu sich herüber und begann sie grob zu zerkleinern, so dass die Stücke alle verschieden groß wurden.
„Professor", schnarrte Draco, „Weasley verhackstückt meine Wurzeln, Sir."
Snape trat an unseren Tisch, beugte seine Hakennase über die Wurzeln und lächelte Ron durch seine langen, fettigen schwarzen Haare hindurch Unheil verkündend an.
„Du nimmst Malfoy's Wurzeln, Weasley und gibst ihm deine."
„Aber Sir!"
Ron hatte die letzte Viertelstunde damit verbracht, seine Wurzeln sorgfältig in gleich große Stücke zu schneiden.
„Sofort.", sagte Snape in seinem bedrohlichsten Tonfall.
Ron schob seine eigenen, schon geschnittenen Wurzeln hinüber zu Draco und griff dann wieder nach dem Messer.
„Und, Sir, diese Schrumpelfeige muss mir auch jemand schälen.", sagte Draco und konnte ein gemeines Lachen anscheinend kaum unterdrücken.
„Potter, du kannst Malfoy's Schrumpelfeige schälen.", sagte Snape mit jenem hasserfüllten Blick, mit dem er Harry immer bedachte.
Harry nahm Draco's Schrumpelfeige und Ron versuchte die Wurzelstücke zurechtzuschneiden, die er jetzt benutzen musste.
Harry schälte die Schrumpelfeige so schnell er konnte und warf sie ohne ein Wort quer über den Tisch.
Draco grinste noch hämischer über das ganze Gesicht.
„Euren Kumpel Hagrid mal wieder gesehen?", fragte er mit gedämpfter Stimme.
„Das geht dich nichts an.", sagte Ron unwirsch und ohne aufzublicken.
„Ich fürchte, er wird nicht mehr lange Lehrer sein.", sagte Draco mit gespieltem Bedauern. „Mein Vater ist nicht gerade erfreut über meine Verletzung -"
„Red nur weiter, Malfoy, und ich verpass dir gleich 'ne richtige Wunde.", blaffte ihn Ron an.
Ich gab Ron einen Rippenstoß und schüttelte den Kopf.
„ - er hat sich bei den Schulbeiräten beschwert. Und beim Zaubereiministerium. Vater hat gute Beziehungen, müsst ihr wissen. Und eine bleibende Verletzung wie diese -", er ließ einen langen, falschen Seufzer hören, „ - wer weiß, ob mein Arm je wieder richtig gesund wird?"
„Draco, tut mir leid, aber ich habe deine Fäden gestern gezogen und in einer Woche oder zwei wird dein Arm wieder völlig ganz sein.", lächelte ich und machte dann weiter an meinem Zaubertrank.
„Also deshalb spielst du dieses Theater.", sagte Harry und köpfte, weil seine Hand vor Zorn zitterte, versehentlich eine tote Raupe. „Damit sie Hagrid rauswerfen."
„Nun", sagte Malfoy und senkte die Stimme zu einem Flüstern, „nicht nur, Potter. Es bringt auch noch andere Vorteile. Weasley, Schneid mir die Raupe."
Ein paar Kessel weiter war Neville in Schwierigkeiten.
Der Zaubertrankunterricht endete für ihn jedes Mal in einer Katastrophe; noch schlechter war er in keinem Fach und seine große Angst vor Professor Snape machte alles noch zehnmal schlimmer.
Sein Zaubertrank, der eigentlich von leuchtend giftgrüner Farbe sein sollte, war -
„Orange, Longbottom.", sagte Snape, schöpfte ein wenig Flüssigkeit ab und ließ sie in den Kessel zurückplätschern, damit wir alle es sehen konnten. „Orange. Sag mir, Bursche, geht eigentlich überhaupt etwas in deinen dicken Schädel rein? Hast du nicht gehört, wie ich ganz deutlich gesagt habe, nur eine Rattenmilz zugeben? Hab ich nicht klar gesagt, ein Spritzer Blutegelsaft genügt? Was soll ich tun, damit du es kapierst, Longbottom?"
Neville war rosa angelaufen und fing an zu zittern.
Es schien, als würde er gleich losheulen.
„Bitte, Sir", sagte Mine, „bitte, ich könnte Neville helfen, es in Ordnung zu bringen -"
„Ich erinnere mich nicht, Sie gebeten zu haben, hier die Wichtigtuerin zu spielen, Miss Granger.", sagte Snape kalt und Mine lief so rosa an wie Neville. „Longbottom, am Ende der Stunde werden wir ein paar Tropfen dieses Tranks an deine Kröte verfüttern und zusehen, was passiert. Vielleicht machst du es dann endlich richtig."
Snape ging weiter und ließ Neville atemlos vor Angst sitzen.
„Hilf mir!", stöhnte er Mine zu.
„Hallo, Harry", sagte Seamus und beugte sich über den Tisch, um sich Harry's Messingwaage zu borgen, „hast du schon gehört? Heute Morgen im Tagespropheten - sie glauben, Sirius Black sei gesehen worden."
Ich wurde bestimmt jetzt sehr, sehr blass.
„Wo?", kam es von Harry und Ron wie aus einem Munde.
Gegenüber am Tisch sah Draco hoch und lauschte aufmerksam.
„Nicht allzu weit von hier.", sagte Seamus aufgeregt. „Eine Muggel hat ihn gesehen. Natürlich hatte sie im Grunde keine Ahnung. Die Muggel glauben doch, er sei ein gewöhnlicher Verbrecher, oder? Jedenfalls hat sie den Notruf gewählt. Aber als die Leute vom Zaubereiministerium auftauchten, war er verschwunden."
„Nicht allzu weit von hier...", wiederholte Ron und blickte Harry vielsagend an.
Er wandte sich um und bemerkte jetzt auch, dass Draco uns scharf beobachtete.
„Was ist los, Malfoy? Soll ich dir noch was schälen?"
Doch Draco's Augen leuchteten bösartig und waren fest auf Harry gerichtet.
Er lehnte sich über den Tisch.
„Glaubst du, du könntest Black alleine fangen, Potter?"
„Ja, sicher.", sagte Harry lässig.
Draco's schmaler Mund bog sich zu einem schiefen Lächeln.
„Ich an deiner Stelle", sagte er leise, „hätte schon längst was unternommen. Ich würde nicht in der Schule bleiben, wie ein braver Junge, sondern draußen nach ihm suchen."
„Wovon redest du eigentlich, Malfoy?", fragte Ron grob.
„Weißt du es nicht, Potter?", flüsterte Draco und seine blassen Augen verengten sich.
„Was denn?"
Draco ließ ein leises, hämisches Lachen vernehmen.
„Vielleicht willst du deinen Hals nicht riskieren.", sagte er. „Willst es lieber den Dementoren überlassen, oder? Aber ich an deiner Stelle wollte Rache. Ich würde ihn selbst jagen."
„Wovon redest du denn?", fragte Harry zornig, doch in diesem Moment rief Snape:
„Ihr solltet inzwischen alle Zutaten reingemischt haben, dieser Trank muss eine Weile köcheln, bevor er getrunken werden kann, also lasst ihn ein wenig blubbern und dann testen wir das Gebräu von Longbottom..."
Crabbe und Goyle lachten laut auf und Neville, der seinen Trank fieberhaft umrührte, brach der Schweiß aus.
Damit Snape nichts mitbekam, murmelte ihm Mine aus dem Mundwinkel zu, was er machen sollte.
Harry, Ron und ich räumten unsere übrig gebliebenen Zutaten weg und gingen zum Steinbecken in der Ecke, um uns die Hände und die Schöpflöffel zu waschen.
„Was will Malfoy eigentlich sagen?", murmelte Harry Ron und mir zu und hielt die Hände unter den eisigen Strahl, der aus dem Mund des Wasserspeiers schoss. „Warum sollte ich mich an Black rächen wollen? Er hat mir nichts getan - bisher jedenfalls."
„Er redet doch Unsinn", sagte Ron wütend, „und will nur, dass du eine Dummheit machst..."
Das Ende der Stunde nahte und Snape schritt hinüber zu Neville, der eingeschüchtert neben seinem Kessel hockte.
„Alle hierher im Kreis aufstellen.", sagte Snape und seine schwarzen Augen glitzerten. „Seht euch an, was mit Longbottom's Kröte passiert. Wenn er es geschafft hat, eine Schrumpflösung zustande zu bringen, wird sie zu einer Kaulquappe zusammenschrumpfen. Wenn er, woran ich nicht zweifle, die Sache vermasselt hat, könnte seine Kröte vergiftet werden."
Wir Gryffindors sahen beklommen zu.
Die Slytherins schienen ganz aufgeregt.
Snape hob Trevor, die Kröte, mit der linken Hand hoch und tauchte einen kleinen Löffel in Neville's Zaubertrank, der inzwischen grün war.
Er ließ ein paar Tropfen in Trevor's Kehle rinnen.
Ein Moment gespannten Schweigens trat ein und Trevor gluckste; dann gab es ein leises Plopp und Trevor, die Kaulquappe, wand sich in Snape's Handfläche.
Wir Gryffindors brachen in Beifall aus.
Snape, der sauer dreinsah, zog eine kleine Flasche aus der Tasche seines Umhangs, träufelte ein paar Tropfen auf Trevor und plötzlich war sie wieder eine ausgewachsene Kröte.
„Fünf Punkte Abzug für Gryffindor.", sagte Snape und das Lachen gefror auf unseren Gesichtern. „Ich hab Ihnen gesagt, Miss Granger, Sie sollen ihm nicht helfen. Der Unterricht ist beendet."
Harry, Ron, Mine und ich stiegen die Stufen zur Eingangshalle hoch.
Harry schien in Gedanken, während Ron wütend über Snape herzog.
„Fünf Punkte Abzug für uns, weil der Zaubertrank in Ordnung war! Warum hast du nicht gelogen, Hermine? Du hättest sagen sollen, dass Neville alles allein gemacht hat!"
Mine antwortete nicht.
Ron wandte sich um.
„Wo ist sie?"
Auch Harry und ich drehten uns um.
Ich grinste.
Wir waren jetzt oben und ließen die andern vorbeigehen, die in die große Halle zum Mittagessen strömten.
„Sie war doch eben noch hinter uns.", sagte Ron stirnrunzelnd.
Draco ging an uns vorbei, in die Mitte genommen von Crabbe und Goyle.
Er sah Harry spöttisch an und verschwand.
„Da ist sie ja.", sagte Harry.
Mine kam ein wenig keuchend die Stufen hochgerannt; mit der einen Hand hielt sie die Tasche, mit der anderen schien sie etwas unter ihrem Umhang festzuklammern.
„Wie hast du das gemacht?", fragte Ron.
„Was?", fragte Mine und trat neben mich.
„Du warst direkt hinter uns, im nächsten Moment warst du wieder ganz unten an der Treppe."
„Wie?"
Mine sah leicht verwirrt aus.
„Ach, ich hatte was vergessen und musste zurück. Oh nein -"
An Mine's Tasche war eine Naht aufgeplatzt.
Mich wunderte das nicht; sie war proppenvoll mit mindestens einem Dutzend großer schwerer Bücher.
„Warum trägst du die alle mit dir rum?", fragte Ron.
„Du weißt doch, wie viele Fächer ich habe.", sagte Mine außer Atem. „Kannst du die vielleicht mal halten?"
„Aber -" Ron musterte die Umschläge der Bücher, die sie ihm gereicht hatte. „Diese Fächer hast du heute gar nicht. Nur heute Nachmittag noch Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Ach ja.", sagte Mine nebenbei; dennoch packte sie alle Bücher in ihre Tasche. „Hoffentlich gibt's was gutes zum Essen, ich sterbe vor Hunger.", fügte sie hinzu und schritt davon in Richtung große Halle.
„Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass Hermine uns was verheimlicht?", fragte Ron Harry und mich.
Ich kicherte leise.
„Kommt schon, Jungs. Gehen wir was Essen."

Luna Black 3 - Harry PotterWhere stories live. Discover now