Kapitel 4 ✔️

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L U N A

Als Harry, Ron, Mine und ich am nächsten Morgen zum Frühstück in die große Halle kamen, fiel uns zuallererst Draco auf, der eine große Schar Slytherins mit einer offenbar sehr komischen Geschichte unterhielt.
Während wir vorbeigingen, gab Draco eine drollige Vorstellung von einem Ohnmachtsanfall zum Besten und heimste dafür johlendes Gelächter ein.
„Achte nicht auf ihn", sagte Mine, die dicht hinter Harry ging, „ignorier ihn einfach, er ist es nicht wert..."
„He, Potter!", kreischte Pansy Parkinson, ein Slytherin-Mädchen mit einem Gesicht wie ein Mops, „Potter! Die Dementoren kommen, Potter! Uuuuhuuuh!"
Harry ließ sich auf einen Stuhl an unserem Tisch fallen, neben George.
Ich setzte mich neben Harry und schenkte mir erstmal ein Glas Orangensaft ein.
„Die neuen Stundenpläne für die Drittklässler.", sagte George und reichte die Blätter weiter. „Was ist los mit dir, Harry?"
„Malfoy.", sagte Ron, der sich neben mich gesetzt hatte und zornig zum Tisch der Slytherins hinüberstarrte.
George sah gerade noch rechtzeitig hoch, um zu sehen, wie Draco schon wieder so tat, als würde er vor Schreck in Ohnmacht fallen.
„Dieses kleine Großmaul!", sagte er gelassen. „Gestern Abend, als die Dementoren in unserem Wagen waren, war er nicht so dreist. Kam in unser Abteil gerannt, weißt du noch, Fred?"
Ich verschluckte mich an meinem Getränk und Ron klopfte mir auf den Rücken.
„Hat sich fast nass gemacht.", sagte Fred mit einem verächtlichen Blick zu Draco hinüber.
„Mir war auch nicht besonders wohl.", sagte George. „Richtige Ungeheuer, diese Dementoren..."
Oh ja, die Kälte.
Es ist furchtbar.
Ich will mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn sie all dein Glück aus dir raus saugen.
„Lassen dir die Eingeweide gefrieren.", sagte Fred.
„Immerhin seid ihr nicht ohnmächtig geworden, oder?", sagte Harry mit matter Stimme.
Warum versteht er eigentlich nicht, dass das nicht schlimm ist? Kann mir das jemand sagen?
„Vergiss es, Harry.", sagte George aufmunternd. „Fred, weißt du noch, wie Dad mal nach Askaban musste? Und er meinte, das sei der schlimmste Ort, an dem er je gewesen sei, er kam ganz schwach und zittrig zurück... Diese Dementoren saugen das Glück ab, wo sie auch sind. Die meisten Gefangenen dort werden verrückt."
„Wollen mal sehen, wie gut gelaunt Malfoy nach unserem ersten Quidditch-Spiel noch aus der Wäsche guckt.", sagte Fred. „Gryffindor gegen Slytherin, das erste Spiel der Saison, so war's doch?"
Das einzige Mal, dass Harry und Draco sich in einem Quidditch-Spiel gegenübergestanden hatten, hatte Draco eindeutig den kürzeren gezogen.
Harry tat sich jetzt Würsten und gegrillte Tomaten auf seinen Teller.
Mine war in ihren neuen Stundenplan vertieft.
„Ach gut, wir fangen heute mit ein paar neuen Fächern an.", sagte sie glücklich.
„Hermine", sagte Ron, der ihr stirnrunzelnd über die Schulter sah, „da haben sie dir einen verkorksten Stundenplan gegeben. Schau mal - du hast ungefähr zehn Fächer am Tag. Dazu hast du überhaupt nicht die Zeit."
„Das schafft sie schon.", sagte ich und grinste Mine an.
„Ich hab alles mit Professor McGonagall abgesprochen.", erklärte Mine.
„Aber hör mal", sagte Ron lachend, „was ist mit heute Morgen? 9:00 Uhr Wahrsagen. Und darunter, auch 9:00 Uhr, Muggelkunde. Und sieh mal an -" Ron beugte sich mit ungläubiger Miene tiefer über den Stundenplan,
„ - darunter Arithmantik, auch um 9:00 Uhr. Ich weiß ja, dass du gut in der Schule bist, Hermine, aber niemand ist so gut. Wie willst du denn in drei Klassenzimmern auf einmal sein?"
Mine wird noch ausrasten, wenn er sie weiter ausfragt.
Ich biss in mein Käse-Salami Brot.
„Stell dich nicht so bescheuert an.", sagte Mine barsch. „Natürlich bin ich nicht in drei Klassenräumen auf einmal."
„Und wie -"
„Gib mir mal die Marmelade.", sagte Mine.
„Aber -"
„Oh Ron, was kümmert es dich, wenn mein Stundenplan ein bisschen voll ist?", fauchte ihn Mine an. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich alles mit Professor McGonagall geklärt habe."
In diesem Augenblick betrat Hagrid die große Halle.
Er trug seinen langen Maulwurffell-Umhang und gedankenversunken ließ er einen toten Iltis von einer seiner Pranken baumeln.
Auf dem Weg zum Lehrertisch hielt er bei uns vier inne.
Apropos Lehrer!
Ich winkte Remus schnell zu und er zurück.
„Alles klar bei euch?", fragte er gut gelaunt. „Ihr sitzt in meiner allerersten Stunde! Gleich nach dem Mittagessen! Bin seit fünf auf den Beinen, um alles vorzubereiten... hoffe, es gefällt euch... ich und Lehrer... nicht zu fassen..."
Er sah uns breit grinsend an und ging dann, munter mit dem Iltis wedelnd, weiter zum Lehrertisch.
„Was er wohl vorbereitet hat?", fragte Ron mit leichter Anspannung in der Stimme.
So schlimm kann es ja nicht sein, oder?
Wir brachen jetzt zur ersten Unterrichtsstunde auf und die Halle leerte sich zusehends.
Ron warf einen Blick auf seinen Stundenplan und ich auch.
„Wir sollten gehen, seht mal, Wahrsagen ist oben auf dem Nordturm, da hoch brauchen wir mindestens zehn Minuten..."
Hastig beendeten wir unser Frühstück, verabschiedeten uns von Fred und George und machten uns auf den Weg zum Ausgang.
Als wir am Tisch der Slytherins vorbeigingen, tat Draco noch einmal so, als würde er in Ohnmacht fallen. Johlendes Gelächter folgte uns in die Eingangshalle.
Der Weg durch das Schloss zum Nordturm war lang.
Zwei Jahre in Hogwarts hatten nicht gereicht, um alle Ecken und Enden des Schlosses kennen zu lernen und wir waren noch nie im Nordturm gewesen.
„Es - muss - doch - eine - Abkürzung - geben.", keuchte Ron, während wir die siebte lange Treppe emporstiegen.
Oben gelangten wir auf einen unbekannten Rundgang, wo es nichts gab außer einem großen Gemälde an der steinernen Wand, das nichts als ein Stück Grasland zeigte.
„Ich glaube, hier geht's lang.", sagte ich und spähte in den leeren Gang zu meiner Rechten.
„Das kann nicht sein.", sagte Ron. „Das ist Süden, sieh mal, vom Fenster aus sieht man den See -"
Ich betrachtete das Gemälde.
Ein fettes, scheckiges Pony war eben auf die Wiese gehoppelt und fing unbekümmert an zu grasen.
Für mich war es nichts Neues, dass die Abgebildeten auf den Gemälden von Hogwarts ihre Bilderrahmen verließen und sich gegenseitig Besuche abstatten.
Einen Augenblick später kam ein untersetzter, vierschrötiger Ritter mit Rüstung in das Bild geklappert.
Den Grasflecken auf seinen metallenen Knien nach zu schließen, war er soeben gestürzt.
„Sieh an!", rief er, als er Harry, Ron, Mine und mich erblickte, „was sind das für Schurken, die in meine Ländereien eindringen! Gekommen, um euch über meinen Sturz lustig zu machen? Zieht eure Waffen, ihr Spitzbuben, ihr Hunde!"
Verdutzt beobachteten wir, wie der kleine Ritter sein Schwert aus der Scheide zog und wild damit herumfuchtelte, wobei er zornig umherhopste.
Doch das Schwert war zu lang für ihn; ein besonders heftiger Schwung brachte ihn aus dem Gleichgewicht und er flog mit dem Gesicht ins Gras.
„Haben Sie sich was getan?", fragte Harry und trat näher an das Bild heran.
„Zurück, gemeiner Aufschneider! Zurück, Strolch!"
Wieder packte der Ritter sein Schwert, diesmal, um sich aufzurappeln, doch die Klinge sank tief in die Erde und obwohl er mit aller Kraft zog, blieb sie stecken.
Schließlich musste er sich wieder ins Gras sinken lassen und das Visier hochschieben, um sich das schweißnasse Gesicht zu wischen.
„Hören Sie", sagte Harry eilig, um anscheinend die Erschöpfung des Ritters auszunutzen, „wir suchen den Nordturm. Kennen Sie vielleicht den Weg?"
„Eine Frage!"
Der Zorn des Ritters schien im Nu wie weggeblasen.
Klappernd rappelte er sich hoch und rief:
„Kommt, folgt mir, werte Freunde, und wir werden unser Ziel finden oder aber tapfer kämpfend untergehen!"
Noch einmal zog er am Schwert, doch ohne Erfolg, schließlich versuchte er das dicke Pony zu besteigen, was wiederum misslang, dann rief er: „Dann zu Fuß, werte Herren und edle Damen! Auf geht's!"
Und laut klappernd rannte er los in die linke Seite des Rahmens und verschwand.
Wir liefen dem Klappern seiner Rüstung nach den Korridor entlang.
Hie und da erhaschten wir einen Blick auf ihn, wenn er durch ein Bild vor uns huschte.
„Seid kühnen Herzens, das schlimmste kommt noch!", rief der Ritter und wir sahen ihn vor einer Gruppe aufgeschreckter Damen in Reifröcken erscheinen, deren Bild an der Wand einer schmalen Wendeltreppe hing.
Laut keuchend stiegen Harry, Ron, Mine und ich durch die engen Windungen der Treppe nach oben und endlich, als uns schon schwindlig war, hörten wir über uns Stimmengemurmel und wussten, dass wir das Klassenzimmer erreicht hatten.
„Lebt wohl!", rief der Ritter und streckte seinen Kopf in ein Gemälde mit finster dreinblickenden Mönchen. „Lebt wohl, meine Mitstreiter! Braucht ihr jemals ein edles Herz und eine stählerne Luftröhre, dann ruft Sir Cadogan!"
„Klar, machen wir.", murmelte Ron und der Ritter verschwand, „ - wenn wir je einen Narren brauchen."
Wir nahmen die letzten Stufen hinauf zu einem kleinen Rundgang, wo die meisten anderen schon versammelt waren.
Es gab keine Türen, doch ich sah, wie Ron auf die Decke deutete, wo eine runde Falltür mit einem Messingschild eingelassen war.
„Sibyll Trelawney, Lehrerin für Wahrsagen.", las Harry. „Wie sollen wir denn da hochkommen?"
Wie zur Antwort auf diese Frage öffnete sich plötzlich die Falltür und eine silberne Leiter schwebte herunter bis vor Harry's Füße.
Alle verstummten.
„Nach dir.", sagte Ron grinsend und Harry kletterte als Erster die Leiter hoch.
Danach stieg ich hinauf.
Ich gelangte in das seltsamste Klassenzimmer, das ich je gesehen hatte.
Eigentlich sah es gar nicht aus wie ein Klassenzimmer, eher wie eine Mischung aus einer Dachkammer und einem altmodischen Teeladen.
Er war vollgestopft mit gut 20 kleinen runden Tischen, umgeben von Chintz-Sesseln und üppigen Sitzpolstern.
Alles war in scharlachrotes Dämmerlicht getaucht; die Vorhänge an den Fenstern waren zugezogen und über die vielen Lampen waren dunkelrote Seidentücher geworfen.
Es war stickig und warm; das Feuer unter dem voll gestellten Kaminsims erhitzte einen großen Kupferkessel, von dem sich ein schwerer, leicht übelkeiterregender Parfümduft ausbreitete.
Die Regale entlang der runden Wände waren überladen mit staubigen Federn, Kerzenstrümpfen, Stapeln zerknitterter Spielkarten, zahllosen silbern glitzernden Kristallkugeln und einer enormen Vielfalt von Teetassen.
Ron tauchte neben mir auf und der Rest der Klasse versammelte sich um uns drei; alle flüsterten.
„Wo steckt sie?", fragte Ron.
Plötzlich drang eine Stimme aus dem Schatten, eine sanfte, rauchige Stimme.
„Willkommen.", sagte sie. „Wie schön, euch endlich in der materiellen Welt zu sehen."
Mir kam sie auf den ersten Blick wie ein großes, glänzendes Insekt vor.
Professor Trelawney trat ins Licht des Feuers.
Sie war mager; die riesigen Brillengläser vergrößerten ihre Augen um ein Vielfaches; um den Körper hatte sie einen schleierartigen, glitzernden Schal geschlungen.
Unzählige Kettchen und Perlenschnüre hingen um ihren spindeldürren Hals und ihre Arme und Hände waren mit Spangen und Ringen verziert.
„Setzt euch, meine Kinder.", sagte sie und wir ließen uns schüchtern und steif auf den Sesseln und Sitzpolstern nieder.
Harry, Ron, Mine und ich setzten uns zusammen an einen der runden Tische.
„Willkommen zum Wahrsagen.", sagte Professor Trelawney, die sich in einen geflügelten Sessel am Feuer gleiten ließ. „Mein Name ist Professor Trelawney. Ihr werdet mich wohl noch nie gesehen haben. Ich finde, dass der allzu häufige Abstieg hinunter in das hektische Getriebe der Schule mein Inneres Auge trübt."
Das wird definitiv jetzt schon, nicht mein Lieblingsfach werden.
Niemand sagte etwas zu dieser "erstaunlichen" Erklärung.
Professor Trelawney zupfte bedächtig ihren Schal zurecht und fuhr fort.
„Nun, ihr habt euch also für das Studium des Wahrsagen's entschieden, für die schwierigste aller magischen Künste. Doch ich muss euch gleich zu Beginn warnen: Wenn ihr nicht im Besitz des Inneren Auges seid, gibt es nur wenig, was ich euch lehren kann. Bücher führen uns auf diesem Felde nicht allzu weit..."
Bei diesen Worten sah ich wie Ron und Harry einen kurzen Seitenblick auf Mine warfen, die ganz bestürzt schien ob der Neuigkeit, dass Bücher in diesem Fach nicht viel helfen würden.
„Viele Hexen und Zauberer, so begabt sie auch sein mögen, wenn es um lautes Brimborium und ekligen Gestank und plötzliches Verschwinden lassen geht, sind dennoch unfähig, in die verschleierten Geheimnisse der Zukunft einzudringen.", fuhr Professor Trelawney fort und ihre riesengroßen funkelnden Augen wanderten von einem nervösen Gesicht zum andern. „Dies ist eine Gabe, die nur wenigen gewährt ist. Du, Junge -", sagte sie plötzlich zu Neville, der beinahe von seinem Sitzpolstern fiel, „ - geht es deiner Großmutter gut?"
„Ich glaub schon.", sagte Neville zitternd.
„An deiner Stelle wäre ich mir nicht so sicher.", sagte Professor Trelawney und das Licht des Feuers schimmerte auf ihren langen, smaragdbesetzten Ohrringen wider.
Neville schluckte schwer.
Gelassen sprach Professor Trelawney weiter:
„In diesem Jahr lernen wir die Anfangsgründe des Wahrsagen's kennen. Im ersten Quartal deuten wir Teeblätter. Im zweiten behandeln wir das Handlesen. Übrigens, meine Liebe", und sie wandte sich plötzlich an Parvati Patil, „hüte dich vor einem rothaarigen Mann."
Parvati warf Ron, der hinter ihr saß, einen verdutzten Blick zu und rutschte mit ihrem Stuhl von ihm weg.
Ich unterdrückte mir ein Kichern.
„Im Sommerquartal", fuhr Professor Trelawney fort, „werden wir uns der Kristallkugel zuwenden - wenn wir bis dahin mit den Feuer-Omen fertig sind. Denn leider wird der Unterricht im Februar durch eine schwere Grippewelle unterbrochen werden. Ich selbst werde meine Stimme verlieren. Und um Ostern herum wird eine der hier versammelten für immer von uns gehen und die andere noch einen Versuch starten."
Ein sehr gespanntes Schweigen trat auf diese Ankündigung hin ein, doch Professor Trelawney schien es nicht zu kümmern.
„Würde es dir etwas ausmachen", sagte sie zu Lavender Brown, die ihr am nächsten saß und auf ihrem Platz zusammenschrumpfte, „mir die größte silberne Teekanne zu reichen?"
Lavender, ganz erleichtert, stand auf, nahm eine riesige Teekanne vom Regal und stellte sie auf den Tisch vor Professor Trelawney.
„Ich danke dir, meine Liebe. Ach übrigens, dieses Ereignis, vor dem du dich fürchtest - es wird am Freitag, dem 16. Oktober geschehen."
Lavender zitterte.
„Nun bitte ich euch, zu zweit zusammenzugehen. Nehmt euch eine Teetasse vom Regal dort drüben, kommt dann zu mir und lasst die füllen, dann setzt euch und trinkt; trinkt, bis nur noch der Bodensatz übrig ist. Schwenkt diese dreimal mit der linken Hand, stülpt die Tasse auf die Untertasse und gebt sie dann eurem Partner zum Lesen. Ihr könnt die Muster anhand der Seiten fünf und sechs in Entnebelung der Zukunft sicher leicht deuten. Ich werde an die Tische kommen und euch ein wenig helfen. Oh, und, mein Lieber -", sie packte Neville, der gerade aufstehen wollte, am Arm, „wenn du die erste Tasse zerbrochen hast, wärst du dann so nett, eine mit blauem Muster zu nehmen? Ich hänge ziemlich an den rosafarbenen."
Und kaum hatte Neville das Regal mit den Teetassen erreicht, als auch schon das Klirren zerbrechenden Porzellans zu hören war.
Professor Trelawney huschte mit Schippe und Besen zu ihm hinüber und sagte: „Jetzt eine von den blauen, mein Lieber, wenn es dir nichts ausmacht... ich danke dir..."
Mine und ich ließen uns die Teetassen füllen und gingen zurück an unseren Tisch, wo wir den brühend heißen Tee so rasch wie möglich tranken.
Wir schwenkten die verbliebenen Teeblätter, wie Professor Trelawney gesagt hatte, dann tranken wir den letzten Rest aus und stülpten die Tassen um.
„Los geht's.", seufzte ich, während Mine meine Tasse nahm und wir unsere Bücher aufschlugen.
„Ich sehe ein Kreuz, dass steht für Wiedervereinigung und dann ein Herz, dass steht für Liebe und dann sehe ich bei dir noch, einen Hund.", erklärte sie.
Okay, hört sich doch nicht schlecht an, oder?
Ich hörte Harry lachen und sah auf.
„Lass mich das sehen, mein Lieber.", sagte sie vorwurfsvoll zu Ron, schwebte herüber und schnappte ihm Harry's Untertasse aus der Hand.
Wir alle verstummten und sahen zu.
Professor Trelawney starrte auf die Blätter und drehte sie dabei gegen den Uhrzeigersinn.
„Der Falke... mein Lieber, du hast einen Todfeind."
Ich zog die Augenbrauen hoch.
Das weiß doch jeder und als ob Mine meine Gedanken gelesen hätte...
„Aber das wissen doch alle.", flüsterte Mine so laut, dass jeder es hörte.
Professor Trelawney starrte sie an.
„Ja, ist doch wahr.", sagte Mine. „Alle kennen die Geschichte von Harry und Du-weißt-schon-wem."
Harry und Ron starrten Mine mit einer Mischung aus Verblüffung und Bewunderung an.
Doch ich nickte nur zustimmend.
Professor Trelawney zog es anscheinend vor, nicht zu antworten.
Wieder senkte sie ihre riesigen Augen auf Harry's Untertasse und drehte sie weiter in den Händen.
„Der Schlagstock... ein Angriff. Meine Güte, das ist keine schöne..."
„Ich dachte, das sei eine Melone.", sagte Ron verdruckst.
„Der Schädel... da wartet Gefahr auf dich, mein Lieber..."
Wir alle starrten wie gebannt auf Professor Trelawney, die die Untertasse noch einmal drehte, den Atem anhielt und dann schrie.
Ich zuckte zusammen und sah erschrocken zu Professor Trelawney.
Meine Güte, was ist denn jetzt los?
Wieder klirrte zerbrechendes Porzellan; Neville hatte seine zweite Tasse fallen gelassen.
Professor Trelawney sank in einen freien Lehnstuhl, die glitzernde Hand ans Herz gepresst und die Augen geschlossen.
„Mein lieber Junge... mein armer lieber Junge... nein... besser, wenn ich es nicht sage... nein... fragt mich nicht..."
„Was ist es, Professor?", fragte Dean sofort.
Alle waren aufgesprungen, scharten sich langsam um unseren Tisch und drängelten sich um Professor Trelawney's Sessel, um gute Sicht auf Harry's Untertasse zu haben.
„Mein Lieber", sagte Professor Trelawney und ihre Augen weiteten sich dramatisch, „du hast den Grimm."
Ich schnappte mir die Tasse und sah den Hund, der auch in meiner Tasse war.
Irgendwie erinnert er mich an was, nur an was?
„Den was?", fragte Harry.
Ich sah, dass er nicht der Einzige war, der nicht begriff; Dean sah ihn schulterzuckend an und Lavender machte eine ratlose Miene, doch fast alle andern klatschten entsetzt die Hände vor den Mund.
„Den Grimm, mein Lieber, den Grimm!", rief Professor Trelawney, die schockiert schien, weil Harry es nicht begriffen hatte. „Der riesige Gespensterhund, der in Kirchhöfen umherspukt! Mein lieber Junge, das ist ein Omen - das schlimmste Omen - des Todes!"
„Ach, hören Sie doch auf mit dem Quatsch! Ich bezweifle, dass Harry gleich Tod umfallen wird und außerdem habe ich auch den Grimm in meiner Tasse! Das ist doch nicht schlimm! Es ist nur ein Omen, Quatsch, nicht echt!", rief ich aufgebracht und warf Professor Trelawney meine Tasse zu.
Diese fing sieh auf, sah hinein und warf sie wieder auf mich zu.
„Ihr beide - ihr beide habt den Grimm!", rief sie.
Auch Lavender schlug jetzt die Hände vor den Mund.
Alle sahen Harry und mich an; alles außer Mine, die aufgestanden und hinter den Sesseln von Professor Trelawney getreten war.
„Mir kommt das nicht wie ein Grimm vor.", sagte sie gleichmütig.
Professor Trelawney musterte Mine mit wachsender Abneigung.
„Verzeih mir, dass ich es dir sage, meine Liebe, aber ich nehme sehr wenig Aura um dich herum wahr. Sehr wenig Empfänglichkeit für die Schwingungen der Zukunft. Und bei dir auch Kind.", sagte sie und das letzte ging an mich.
Seamus wiegte den Kopf mal auf die eine, mal auf die andere Seite.
„Wenn man so macht, sieht's aus wie ein Grimm", sagte er, die Augen fast geschlossen, „aber so gesehen ist es eher ein Esel.", sagte er, den Kopf nach links neigend.
„Wann habt ihr endlich rausgefunden, ob wir sterben oder nicht!", rief Harry.
Daraufhin wollte uns offenbar keiner mehr ansehen.
„Ich denke, wir werden den Unterricht für heute beenden.", sagte Professor Trelawney mit ihrer rauchigsten Stimme. „Ja... bitte räumt eure Sachen auf..."
Schweigend brachten wir die Teetassen zu Professor Trelawney zurück, packten die Bücher ein und schlossen die Taschen.
Selbst Ron mied Harry's und meinen Blick.
„Bis zum nächsten Mal", sagte Professor Trelawney matt, „möge das Glück mit euch sein. Ach, und, mein Lieber -", sie deutete auf Neville, „du wirst das nächste Mal zu spät kommen, also arbeite besonders fleißig, damit du den Stoff aufholst."
Harry, Ron, Mine und ich kletterten schweigend Professor Trelawney's Leiter und die enge Wendeltreppe hinunter und machten uns auf den Weg zur Verwandlungsstunde bei Professor McGonagall.

Luna Black 3 - Harry PotterWhere stories live. Discover now