Kapitel 10 ✔️

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L U N A

Im Handumdrehen war Verteidigung gegen die dunklen Künste das Lieblingsfach aller Schüler geworden.
Nur Draco und seine Clique von den Slytherins ließen sich gehässig über Remus aus, was mich sehr ärgerte und ich bis jetzt kein Wort mit Draco gewechselt hatte.
„Schaut euch doch mal seine Umhänge an.", sagte Draco unüberhörbar flüsternd, wenn Remus vorbeiging. „Der zieht sich ja an wie unser alter Hauself."
Doch niemand sonst kümmerte es, dass Remus geflickte und ausgefranste Umhänge trug.
Die weiteren Unterrichtsstunden bei ihm waren nicht weniger spannend als die erste.
Nach den Irrwichten lernten wir die Rotkappen kennen, fiese kleine koboldartige Kreaturen, die überall dort herumlungerten, wo Blut vergossen worden war: Sie verstecken sich in den Kerkern von Schlössern und in den Sprenglöchern verlassener Schlachtfelder und verprügelten alle, die sich dorthin verirrten.
Nach den Rotkappen kamen die Kappas, grausige Wasserbewohner, die wie schuppige Affen aussahen und Hände mit Schwimmhäutchen hatten, die es nur danach juckte, diejenigen zu erwürgen, die in ihren Tümpeln umherwateten.
Doch am schlimmsten war der Zaubertrankunterricht.
Snape war an diesen Tagen ausgesprochen rachsüchtig gelaunt und der Grund dafür war kein Geheimnis.
Die Geschichte von dem Irrwicht, der Snape's Gestalt angenommen hatte und von Neville in die Sachen seiner Großmutter gesteckt worden war, hatte sich wie ein Lauffeuer im Schloss verbreitet.
Der Einzige, der das nicht komisch fand, war Snape.
Seine Augen blitzten drohend bei jeder Erwähnung von Professor Lupin und Neville drangsalierte er schlimmer denn je.
Ich empfand auch wachsende Abscheu vor den Stunden, die ich im stickigen Turmzimmer von Professor Trelawney mit der Deutung von Figuren und Symbolen zubrachte, die man irgendwie schräg gegen das Licht halten sollte und dabei auch noch versuchen musste, sich nicht von Professor Trelawney's Tränen rühren zu lassen, die ihr jedes Mal in die riesigen Augen traten, wenn sie Harry und mich ansah.
Professor Trelawney konnte ich einfach nicht leiden, während viele andere ihr Hochachtung oder gar Verehrung entgegenbrachten.
Parvati Patil und Lavender Brown stürmten jetzt in der Mittagspause regelmäßig hoch in den Turm und kamen immer mit einem überlegenen Gesichtsausdruck zurück, der einem lästig werden konnte, gerade so, als ob sie Dinge wüssten, von denen wir andern keine Ahnung hatten.
Außerdem sprachen sie nur noch mit gedämpfter Stimme zu Harry und mir, als würden wir schon auf dem Totenbett liegen.
Pflege magischer Geschöpfe mochte keiner mehr; nach der dramatischen ersten Stunde war der Unterricht todlangweilig geworden.
Hagrid schien sein Selbstvertrauen verloren zu haben.
Stunde um Stunde verbrachten wir jetzt damit, Flubberwürmer zu pflegen, die zu den fadesten Geschöpfen überhaupt zählen mussten.
„Warum sollte sich überhaupt jemand um sie kümmern?", fragte Ron nach einer weiteren Stunde, in der wir klein gehackte Salatblätter in die schleimigen Kehlen der Flubberwürmer gestopft hatten.
Anfang Oktober jedoch fanden Harry und ich etwas, das uns beschäftigte und uns so viel Spaß machte, dass wir den staubtrockenen Unterricht vergaßen.
Die Quidditch-Saison sollte bald beginnen und Oliver Wood, der Kapitän des Gryffindor-Teams, rief uns eines Donnerstags zusammen, um die Taktik für die kommende Spielzeit zu erörtern.
Eine Quidditch-Mannschaft besteht aus sieben Spielern: aus drei Jägern, deren Aufgabe es ist, den Quaffel (einen roten, fußballgroßen Ball) durch die in 20 Meter Höhe auf Stangen an beiden Seiten des Spielfelds angebrachten Ringe zu werfen; zwei Treiber, die mit schweren Schlägern ausgestattet sind, um die Klatscher abzuwehren (zwei schwere schwarze Bälle, die durch die Luft sausen und die Spieler angreifen); einem Hüter, der die Tore verteidigt, und dem Sucher, der die schwierigste Aufgabe hat, nämlich den goldenen Schnatz zu fangen, einen winzigen geflügelten Ball von der Größe einer Walnuss, dessen Fang das Spiel beendet und dem Team des Suchers 150 Punkte extra einbringt.
Oliver Wood war ein stämmiger Siebzehnjähriger, inzwischen im siebten und letzten Schuljahr in Hogwarts.
An jenem Donnerstagabend im kalten Umkleideraum draußen am Spielfeldrand, als er vor uns anderen sechs Spielern seines Teams trat, war eine Spur von Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhören:
„Das ist unsere letzte Chance - meine letzte Chance - den Quidditch-Pokal zu gewinnen.", erklärte er, während er vor uns auf und ab schritt. „Ende des Jahres gehe ich von der Schule. Noch eine Gelegenheit kriege ich nicht. Gryffindor hat seit sieben Jahren nicht mehr gewonnen. Gut und schön, wir hatten tatsächlich schlimmes Pech - Verletzungen, und dann ist das Turnier letztes Jahr auch noch abgeblasen worden..."
Wood schluckte, als ob ihm die Erinnerung immer noch wie ein Klumpen im Hals steckte.
„Aber wir wissen auch, dass wir das verdammt - noch - mal - beste - Team - der - Schule sind.", sagte er.
Dabei schlug er mit der rechten Faust in die linke Handfläche und in seinen Augen erschien wieder das alte, manische Glimmen.
„Wir haben drei erstklassige Jägerinnen."
Wood deutete auf Angelina Johnson, Katie Bell und mich.
„Wir haben zwei unschlagbare Treiber."
„Hör auf, Oliver, du machst uns ganz verlegen.", sagten Fred und George und taten so, als würden sie sich schämen.
„Und wir haben einen Sucher, der noch jedes Spiel für uns gewonnen hat!", donnerte Wood und starrte Harry mit einer Art grimmigem Stolz an.
„Und mich.", fügte er noch hinzu, als wäre es ihm gerade eingefallen.
„Du bist auch ganz toll, Oliver.", sagte George.
„Als Hüter ein Ass.", sagte Fred.
„Die Sache ist die.", fuhr Oliver fort und fing wieder an, auf und ab zu schreiten, „der Quidditch-Pokal hätte in den letzten beiden Jahren unseren Namen tragen müssen. Seit Harry dabei ist, denke ich immer, wir hätten das Ding eigentlich schon in der Tasche. Aber wir haben's nicht geschafft und jetzt haben wir die letzte Chance, endlich unseren Namen auf diesem Pokal zu sehen..."
Wood schien so niedergeschlagen, dass selbst Fred und George ihn mitleidig ansahen.
„Oliver, das ist unser Jahr.", sagte Fred.
„Diesmal packen wir's, Oliver!", sagte Angelina.
„Wir legen uns richtig ins Zeug.", lächelte ich.
„Ganz klar.", stimmte Harry zu.
Voll Entschlossenheit begannen wir zu trainieren, drei Abende die Woche.
Allmählich wurde es kälter und regnerischer und es wurde immer früher dunkel, doch weder Schlamm, Wind noch Regen konnte uns alle aus dem wunderbaren Traum reißen, endlich einmal den riesigen silbernen Quidditch-Pokal zu gewinnen.
Eines Abends nach dem Training kehrten Harry und ich steif gefroren, doch höchst zufrieden mit dem Training ins Schloss zurück.
Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte ein aufgeregtes Summen.
„Was ist denn hier los?", fragte ich Ron und Mine, die in zwei der besten Sessel am Kamin saßen und an ihren Sternkarten für Astronomie arbeiteten.
„Das erste Wochenende in Hogsmeade.", sagte Ron und deutete auf den Zettel, der am ramponierten alten Notizbrett aufgetaucht war. „Ende Oktober, an Halloween."
Oh ja, ich freue mich schon.
Vielleicht fällt sogar früher als gedacht Schnee und wir machen eine Schneeballschlacht, ich hoffe es.
„Klasse", sagte Fred, der Harry und mir durch das Porträtloch gefolgt war, „ich muss zu Zonko, meine Stinkkügelchen sind fast alle."
Harry ließ sich in den Sessel neben Ron fallen und ich mich neben Mine.
„Das nächste Mal kannst du dann sicher mitkommen, Harry.", sagte Mine. „Sie werden Black bestimmt bald fassen, er wurde ja schon gesehen."
Als Mine damit anfing, drehte ich meinen Kopf zum Feuer hin.
„Black ist nicht so bescheuert, in Hogsmead Ärger zu machen.", sagte Ron. „Frag doch, McGonagall, ob du dieses eine Mal mitkommen kannst, wer weiß, wann wir wieder dürfen -"
„Ron!", sagte Mine, „Harry soll in der Schule bleiben."
„Er kann doch nicht der einzige Drittklässler sein, der nicht mitdarf.", sagte Ron. „Frag McGonagall, mach schon, Harry."
„Ja, vielleicht hast du Recht.", sagte Harry nachdenklich.
Mine öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch in diesem Moment sprang Krummbein auf ihren Schoß.
Eine große tote Spinne hing ihm aus dem Maul.
Ich verzog mein Gesicht.
Muss ja köstlich sein... nicht!
„Muss er die denn ausgerechnet vor unseren Augen fressen?", fragte Ron missmutig.
„Kluger Krummbein, hast du die ganz allein gefangen?", fragte Mine.
Gemächlich zerkaute Krummbein die Spinne, die gelben Augen frech auf Ron gerichtet.
„Pass bloß auf, dass er bei dir bleibt.", sagte Ron gereizt und wandte sich wieder seiner Sternkarte zu. „Krätze schläft in meiner Tasche."
Harry gähnte.
Gerade als ich vorschlagen wollte, er solle ins Bett gehen, zog Harry seine Tasche zu sich, holte Papier, Tinte und Feder heraus und begann zu arbeiten.
„Du kannst meine abzeichnen, wenn du willst.", sagte ich, kramte meine Sternkarte raus und reichte sie ihm.
Mine, die nichts von Abschreiben hielt - ich ja eigentlich auch nicht, aber Harry ist eben müde -, schürzte die Lippen, sagte jedoch nichts.
Krummbein starrte immer noch unverwandt auf Ron und ließ die Spitze seines buschigen Schwanzes zucken.
Dann, ohne Warnung, sprang er los.
„He!", brüllte Ron und packte seine Tasche, doch Krummbein hatte schon vier klauenbestückte Pfoten darin versenkt und zog und zerrte wie verrückt.
„Hau ab, du blödes Vieh!"
Ron wollte seine Tasche in Sicherheit bringen, doch der Kater hielt sie fauchend, hauend und kratzend fest.
„Ron, tu ihm bloß nicht weh!", kreischte Mine; der ganze Gemeinschaftsraum sah zu; Ron wirbelte die Tische im Kreis herum, doch Krummbein ließ nicht locker und jetzt kam Krätze oben herausgeflogen.
„Fang diesen Kater ein!", schrie Ron, als Krummbein die Überreste der Tasche liegen ließ, über den Tisch sprang und dem panisch davonrasenden Krätze nachjagte.
George machte einen Hechtsprung, doch er verfehlte Krummbein knapp; Krätze huschte durch 20 Paar Beine und verschwand unter einer alten Kommode; Krummbein kam schlitternd zum Halt, legte den Kopf auf den Boden und haute zornig mit den Tatzen unter die Kommode.
Ron und Mine rannten herbei; Mine packte Krummbein am Bauch und hob ihn hoch; Ron warf sich auf den Boden und zog Krätze mit großer Mühe am Schwanz hervor.
„Schau ihn dir an!", sagte er wütend zu Mine und ließ Krätze vor ihrem Gesicht baumeln. „Er ist doch nur noch Haut und Knochen! Halt ihm bloß diesen Kater vom Leib!"
Oh man, hoffentlich endet das jetzt nicht schlecht.
Ich sah leicht verzweifelt, zwischen Ron und Mine hin und her.
„Krummbein weiß doch nicht, dass man das nicht tut!", sagte Mine mit zitternder Stimme. „Alle Katzen jagen Ratten, Ron!"
„Aber an deinem Tier ist irgendwas komisches!", sagte Ron, während er versuchte, den vor Aufregung bebenden Krätze zurück in seine Tasche zu komplimentieren. „Er hat gehört, dass ich gesagt habe, Krätze sei in meiner Tasche!"
„Ach, das ist doch Unsinn.", sagte Mine ungehalten. „Krummbein kann ihn riechen, Ron, oder wie sonst, glaubst du -"
„Dieser Kater hat es auf Krätze abgesehen!", sagte Ron und würdigte dem Publikum im Raum keines Blickes, das allmählich zu kichern begann. „Und Krätze war zuerst hier und er ist krank!"
Ron marschierte durch das Gemeinschaftszimmer und verschwand auf der Treppe hoch zum Jungenschlafsaal.
Ich sah Harry verzweifelt an und er mich ebenfalls.

Luna Black 3 - Harry PotterWhere stories live. Discover now