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7 | Geschwisterliebe

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Während ruhige Musik von Adele in meine Ohren drang, lag ich mit geschlossenen Augen einfach nur da und versuchte den ereignisreichen Morgen irgendwie zu verarbeiten.

Immer wieder drang Guiselles verzweifelter Ausdruck in meinen Verstand, während Violas eindringlicher Blick mich nicht losließ.

Dazu dieser unbekannte Wolf, von dem ich immer noch nicht wusste, wer er war oder was seine Absichten waren. Zwar schien er mir gegenüber feindselig gestimmt, aber es lag auch Neugierde in den Tiefen seiner braunen Augen. Hätte er mir etwas Böses gewollt, wäre das seine beste Chance gewesen, er tat aber nichts ...

Gedankenverloren drehte ich mich zur Seite und schaute flüchtig zu meinem kleinen Schrank, der außer meinem Bett das einzige Möbelstück in meinem Zimmer war. Ja, es war klein, aber mehr konnten wir uns eben nicht leisten, was mir aber nicht wirklich etwas ausmachte.

Erneut schloss ich meine Augen, ließ meine Gedanken schweifen und erschrak dann fast zu Tode, als mich plötzlich etwas am Fußknöchel berührte.

Nach Luft schnappend, riss ich meine Augen auf und sah meinem Bruder entgegen, der sofort entschuldigend seine Hände hob. Mit Herzrasen zog ich meine Kopfhörer aus und starrte ihn immer noch erschrocken an.

»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken«, meinte er beruhigend und ließ sich neben mich aufs Bett fallen, um seinen Arm unter meinen Kopf zu schieben. Ich beruhigte mich allmählich wieder und kuschelte mich dann begierig auf seine Nähe an seine Brust. Er roch sehr stark nach Öl und Benzin, was mich tief einatmen ließ. Ich liebte diesen Geruch, denn er gehörte zu ihm und das brachte mir die gewohnte Vertrautheit, die ich nach diesem Tag einfach brauchte.

»Was machst du schon hier?«, fragte ich ihn dann leise und er streckte sich, um mit einer Hand den Vorhang zur Seite zu schieben. Erst dann fiel mir auf, dass es draußen bereits stockdunkel war.

Wie lange hatte ich hier gelegen?

»Wir haben schon 23 Uhr«, grinste er und legte seinen Arm wieder an seine Seite, um gähnend seine müden Augen zu schließen. Er sah so erschöpft aus und ich blöde Kuh, hatte ihm nicht mal etwas zum Essen gemacht. Das schlechte Gewissen drang tief in mein Bewusstsein und als ich ihn daraufhin fragen wollte, was er essen möchte, hörte ich aber schon sein leises Schnarchen und da wurde mir klar, dass er heute sicher nichts mehr essen würde.

Mein Blick fiel herunter auf seine rote Arbeitshose, die voller Lackreste ihre besten Tage hinter sich hatte und am liebsten hätte ich ihn geweckt, um ihn zu bitten, sich umzuziehen, doch es war so warm und gemütlich in seinem Arm, dass ich nur noch vorsichtig meine weiße Decke schnappte, sie über uns legte und dann an seine Brust gekuschelt auch meine Augen schloss, um mit seinem Geruch in Geborgenheit einzuschlafen.

Er würde mich immer beschützen ...

___

Der nächste Morgen kam leider viel zu schnell. Müde und erschöpft öffnete ich meine schweren Lider und stellte sofort fest, dass Devin schon aufgestanden war. Meine braune Holztür stand ein Stück weit offen und der wohltuende Geruch von Kaffee durchflutete das gesamte Haus und hauchte mir ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht.

Nach einem langen, ausgiebigen Strecken meines Körpers, erhob ich mich und schaute als Erstes aus dem Fenster, um festzustellen, dass von der gestrigen Sonne nichts mehr übrig war. Es regnete wie aus Eimern und der Himmel sah so dunkel aus, dass ein Gewitter sicher bald noch folgen würde.

»Guten Morgen.«

Ich drehte mich zur Tür herum, sah meinen gähnenden Bruder und musste dann automatisch auch noch mal gähnen. Ein kurzes Lächeln seinerseits, ein Augen rubbeln meinerseits und schließlich erhob ich mich endgültig, um ihm erst mal in die Küche zu folgen.

Dort stand schon mein Kaffee auf meinem Platz am Holztisch und gierig nach Koffein schüttete ich ihn einfach herunter, um dafür einen irritierten Blick von meinem Bruder zu kassieren, der mir gegenüber Platz genommen hatte.

»Schlecht geschlafen?«, fragte er neugierig und wandte sich dabei schnell wieder seinem Handy zu.

»Ja, irgendwie schon«, gab ich zu und erinnerte mich daran, nur verrücktes Zeug geträumt zu haben. Kein Wunder, angesichts meiner letzten Erlebnisse. »Ich bin mal duschen.«

Er nickte nur, schaute aber nicht von seinem Handy auf und ich tapste kurz in mein Zimmer, um mir frische Klamotten zusammenzusuchen. Eine schwarze Leggins, ein grauer Kapuzenpullover meines Bruders und dunkle Unterwäsche. Das alles legte ich ordentlich auf meine Arme und verschwand dann gegenüber in das winzige Badezimmer, in dem man schon leicht Platzangst bekommen konnte.

Fertig geduscht, stellte ich mich mit einem Handtuch um den Körper vor den Spiegel und betrachtete meine dunklen Augenringe. Oh ja, man sah mir förmlich an, dass ich des Öfteren nachts wach geworden war, was ich dann schnell versuchte, mit ein wenig Make-up zu überdecken, was mir auch ganz gut gelang.

Einigermaßen zufrieden mit meinem Gesicht, wollte ich noch schnell meine Haare föhnen, verzichtete aber aufgrund des Regens darauf und zog mich einfach nur hastig an, denn Devin klopfte mittlerweile schon zum zweiten Mal an die Tür, was mich mal wieder meine Augen verdrehen ließ.

»Du sollst das lassen«, lachte er vor der Tür und auch ich musste daraufhin leise kichern. Er kannte mich einfach zu gut.

»Kann ich nicht, so nervig wie du bist«, rief ich zurück und stopfte dann meine alten Sachen in den kleinen blauen Wäschekorb neben dem Waschbecken.

Wieder zurück in meinem Zimmer, wollte ich gerade meinen Rucksack nehmen, da fiel mir die Jeansjacke wieder ein, die ich eilig heraus kramte und einfach in die Ecke meines Zimmers schmiss. Ich würde sie sofort nach der Schule waschen, denn Devin hasste es, zu spät zu kommen, also warf ich schnell den Rucksack um und lief mit eiligen Schritten zur Haustür, um dort angekommen noch meine roten Gummistiefel anzuziehen.

»Endlich fertig?«, grinste Devin und zog sich dabei seine dunkelblaue Regenjacke über, um dann mir voraus das Haus zu verlassen.

Sofort flog mir der Geruch von Regen um die Ohren und ich sprintete fast schon zum Auto, denn obwohl ich eine Wölfin war, hasste ich das Gefühl von nassen Klamotten an meinem Körper.

»Ich habe heute Abend frei«, fing Devin ein Gespräch an, als wir eingestiegen waren und uns beide angeschnallt hatten. Lächelnd schaute er anschließend zu mir herüber. »Hast du Lust, zum Sportplatz zu gehen?«

»Gerne, aber bei dem Wetter?«, gab ich ihm, mit meinem Blick aus dem Fenster gerichtet zurück und er startete nur schulterzuckend den Wagen.

»Bist doch nicht aus Zucker, oder doch?«, lachte er und nahm meine Hand, um ihr einen sanften Kuss aufzudrücken. »Schmeckst eher salzig.«

Er schaute mich belustigt an und ich musste über seine dämliche Art auch amüsiert grinsen.

»Du bist ein Idiot«, murmelte ich nur und schon fuhr er guter Laune los zu meiner Schule, während ich dieses mulmige Gefühl im Magen hatte, dass unsere gute Laune nicht lange bleiben würde.

Hätte ich nur auf mein Bauchgefühl gehört, dann wäre ich nämlich zu Hause geblieben.

Die Arroganz des WolfesWhere stories live. Discover now