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10 | Bruder

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Mein Herz überschlug sich vor Panik. Meine Lippen zitterten und aus Angst, er könnte vielleicht doch böse Absichten haben, wollte ich unter seinem riesigen Körper wegrutschen, doch er ließ kein Entkommen mehr zu.

Knurrend stand er über nur, fixierte dabei meine ihn anstarrenden Augen und platzierte dazu noch seine große, schwarze Pfote mitten auf meinem Oberkörper, sodass ich keine Chance mehr hatte, mich auch nur das geringste bisschen zu bewegen.

Ich dummes, naives Mädchen ...

Meine verrückte Idee, ihn aufzusuchen, hatte mich in eine Lage gebracht, aus der mich nun niemand mehr retten konnte, doch brauchte ich überhaupt Rettung vor ihm?

Als ich gebannt und zitternd in seine dunklen Augen starrte, wurde seine Mimik weicher und selbst das Knurren, welches zuvor tief aus seiner Kehle kam, verstummte langsam aber sicher. Vorsichtig nahm er seine Pfote wieder von meiner Brust, während er sich leicht schüttelte und die Tropfen seines nassen Fells auf mich herunterfielen, wodurch sein Geruch sich an meine nassen Klamotten haftete.

Seine Iriden huschten über meinen auf dem Waldboden liegenden Körper, während er anfing, an meiner Jacke zu schnüffeln, was ihn dann doch wieder zum Knurren brachte.

Wessen Jacke ist das?

Erschrocken darüber, ihn in meinem Kopf hören zu können, riss ich ungläubig die Augen auf und wollte mich sofort erheben, doch er stellte sich wieder nah über mich, um mich kalt zu fixieren.

Sollte ich ihm antworten oder hatte ich mir diese tiefe, bedrohlich wirkende Stimme vielleicht nur eingebildet?

Während ich panisch darüber nachdachte, bemerkte ich gar nicht, dass er sich schnaufend ein Stück zurückzog und mir so die Möglichkeit gab, endlich wieder den Weg auf meine zitternden Beine zu finden.

Vorsichtig stand ich auf, ließ ihn dabei nicht eine Sekunde aus den Augen und hielt dann wieder die Luft an.

Antworte!

Erstarrt hörte ich dem Regen zu und wich seinem eindringlichen Blick aus, um darüber nachzudenken, abzuhauen. Er war mit großer Wahrscheinlichkeit schneller als ich, aber ich würde ihm nicht erzählen, von wem diese Jacke war. Mein Bruder hatte meinetwegen schon genug Ärger und wenn dieser Wolf hier, wirklich mein Mate wäre, dann würde er Devin sicher angreifen, wenn nicht sogar töten.

Unter angehaltenem Atem schaute ich in die Richtung, aus der ich gekommen war, um dann, so schnell es mir möglich war, einfach loszurennen.

Ich hielt nicht an, drehte mich nicht einmal herum und rannte so lange zwischen den Bäumen hindurch, bis ich mit Herzrasen und Seitenstechen endlich wieder am Sportplatz ankam.

An meiner Ausdauer sollte ich wirklich arbeiten.

Vorne über gebeugt versuchte ich wieder zu Atem zu kommen und beruhigte mich auch allmählich wieder, bei der Gewissheit, dass er mich nicht verfolgt hatte. Dafür aber jemand anders.

»Was hast du im Wald gemacht?«

Ich erhob meinen Oberkörper und starrte ertappt nach vorne, wo mein klitschnasser Bruder an den Zaun vom Sportplatz gelehnt stand und mich wütend anfunkelte.

Scheiße verdammt!

Er sah nicht nur stinksauer aus, sondern auch enttäuscht und kam dann schnellen Schrittes auf mich zu, um mich am Arm mit sich mitzuziehen.

»Devin, du tust mir weh«, erklärte ich ihm aufgeregt und versuchte dabei verzweifelt mein Handgelenk aus seinem festen Griff zu befreien, doch er zog mich einfach weiter über die nasse Wiese hinweg und beachtete mich überhaupt nicht.

»Devin!«, wurde ich lauter, doch wieder keine Reaktion.

Vor lauter Wut auf mich selbst und den ziehenden Schmerzen seines Griffs, sammelten sich erste Tränen in meinen Augen, während ich ein letztes Mal mit voller Kraft versuchte mich zu befreien, was mir dann auch gelang.

Er drehte sich zu mir, musterte meine dreckige, nasse Kleidung und schaute mir dann tief in die Augen.

»Wie dämlich bist du eigentlich?«, fragte er mit einer Verachtung, die mich erschaudern ließ. »Du weißt, welche Strafe droht, wenn du den Wald betrittst! Außerdem hättest du vergewaltigt werden können!«

Seine Stimme wurde immer lauter und sein Blick immer wütender.

»Es ist aber nichts passiert!«, erklärte ich kleinlaut und mittlerweile liefen mir die Tränen nur so über mein Gesicht, denn er hatte ja irgendwie recht. Mir hätten wirklich schreckliche Dinge passieren können. Wie konnte ich nur so naiv sein ...

»Es hätte aber etwas passieren können!«, schrie er aufgebracht und holte dann tief Luft. »Wofür spielen wir dann überhaupt allen etwas vor, wenn du anscheinend die Gefahr suchst und keine Angst hast? Dann könnte ich auch einfach zu meiner Mate und …«

Er unterbrach sich selbst und wich meinem Blick erschrocken aus, während ich aufhörte zu weinen und ihn ungläubig musterte.

»Deine Mate?«, wiederholte ich leise und ging dabei einen Schritt auf ihn zu. »Du hast deine Mate gefunden, Devin?«

Es kam mir so unwirklich vor, was er da gerade sagte und umso größer wurde mein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Er verzichtete wirklich auf alles, um mich zu beschützen und ich dankte es ihm, indem ich mich absichtlich in Gefahr brachte.

Die Anziehung dieses unbekannten Wolfes machte mich nur noch wütend. So wütend, dass ich meine Hände zu Fäusten ballte und mir selbst schwor, nie wieder so einen Mist zu bauen.

»Ja, ich weiß, wer sie ist, aber solange du keinen vernünftigen Partner hast, werde ich dich nicht verlassen«, erklärte er mit zitternder Stimme und nahm mich dann fest in seine Arme, während es über uns laut anfing zu donnern. »Du bist das Wichtigste in meinem Leben, Jady. Ich hab's versprochen.«

An seiner bebenden Brust stehend, erinnerte ich mich daran, wie er mir das Versprechen gab, immer bei mir zu bleiben, bis ich in Sicherheit wäre und einen Partner hätte, der auf mich aufpassen würde.

»Devin?«, flüsterte ich leise und löste mich anschließend ein klein wenig von ihm, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Seine meeresblauen Augen sahen mich fragend an, während seine nassen Haare ihm leicht ins Gesicht fielen. »Sobald ich volljährig bin, werde ich mir einen Partner suchen und dann möchte ich, dass du mit deiner Mate glücklich wirst.«

Er setzte ein gespieltes Lächeln auf, strich mir eine Strähne meiner braunen Haare hinters Ohr und legte seine warme Hand daraufhin an meine Wange.

»Abgemacht«, nickte er und gab mir schließlich noch einen sanften Kuss auf meine Stirn, ehe er meine Hand nahm und wir gemeinsam durch den Regen nach Hause liefen.

Die Arroganz des WolfesWhere stories live. Discover now