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8 | Donnerwetter

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Mit lauter Musik aus dem Radio kamen wir auf dem Parkplatz vor der Schule an, der aufgrund des strömenden Regens aber an diesem Morgen wie leer gefegt wirkte. Dafür tummelten sich noch einige Schüler unter dem Vordach am oberen Rand der Treppe, unter denen sich auch Viola und Trevis befanden, die mich sofort wieder im Visier hatten.

Was war eigentlich denen ihr scheiß Problem? Nur weil ich gestern nicht sitzenbleiben wollte? Konnte denen doch egal sein.

»Alles okay?«, fragte mein Bruder und nahm dabei meine Hand, um mir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Er dachte wahrscheinlich, ich hätte immer noch Angst wegen der Situation mit Guiselle, aber mich belasteten eher die fast schon wütend wirkenden Blicke der beiden Oberen.

»Ja, alles okay«, gab ich ihm schließlich mit einem aufgezwungenen Lächeln zurück und entzog ihm dabei meine Hand, um die Tür aufzumachen und in den Regen auszusteigen. Natürlich tat er es mir wie immer gleich.

»Devin«, mahnte ich genervt und schaute dann kurz nach oben. »Du musst nicht immer mit mir aussteigen, wann kapierst du das mal?«

Er lachte und kam dabei ums Auto herumgelaufen. »Und wann kapierst du, dass es nur zu deinem Besten ist?«

Als er genau vor mir zum Stehen kam, nahm er meine Hand erneut in seine und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, die von wenigen Regentropfen schon ganz eingenommen war.

»Bis später.«

Grinsend kniff er mir leicht in die Wange und als er mir dann noch einen Kuss geben wollte, hörte ich nur noch schnelle Schritte neben mir und ehe ich mich versah, hatte Trevis meinen Bruder am Kragen gepackt und gegen sein Auto gedrückt.

»Spinnst du?«, schrie ich ihn erschrocken an und wollte ihn mit angehaltenem Atem von meinem Bruder wegzerren, doch er bewegte sich kein Stück.

»Was hattest du gerade mit ihr vor?«, brüllte der Schwarzhaarige meinen Bruder an und ich dachte, ich würde vor Angst um ihn noch einen Herzinfarkt bekommen, denn pitschnass stand ich einfach nur da und wusste weder ein noch aus.

Doch Devin war kein Kind von Traurigkeit, im Gegenteil.

In Sekundenschnelle hatte mein Bruder dem Oberen eine Kopfnuss gegeben, sodass dieser sich sofort schmerzverzerrt seine Hände an die blutende Nase hielt.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und die Menge an Schülern, die sich oben an der Treppe tummelten, nahm von Minute zu Minute zu. Sie alle schauten neugierig zu uns herab und tuschelten dabei aufgebracht.

»Was ich mit meiner Freundin vorhabe, ist ganz alleine meine Sache!«, knurrte Devin bedrohlich auf und kam daraufhin einen Schritt auf mich zu. »Jady, geh rein in deine Klasse«, befahl er und als ich gerade zitternd loslaufen wollte, stürzte sich der Schwarzhaarige erneut auf meinen Bruder.

Diesmal packte er ihn nicht, sondern schlug ihm direkt mehrere Male mit der Faust in den Magen, sodass ich sofort mit weit aufgerissenen Augen zwischen die beiden wollte, doch es war Viola, die mich plötzlich zurückhielt.

»Misch dich da nicht ein«, meinte sie streng und hielt mich am Ärmel meines durchnässten Pullovers fest, doch ich dachte überhaupt nicht daran, untätig dabei zuzusehen, wie dieser Idiot meinen Bruder grundlos bewusstlos schlagen würde.

Ich entriss mich ihrem Griff, ging auf die beiden sich Schlagenden zu und packte Trevis am Ärmel seiner roten Jacke. »Lass ihn gefälligst in Ruhe!«

Trevis wollte meine Hand sofort von sich loswerden, fuhr daraufhin wütend zu mir herum und traf mich dabei mit voller Wucht mit seinem Ellenbogen im Gesicht, sodass ich von diesem harten Schlag überwältigt rückwärts auf den nassen Asphalt fiel.

»Jady!«, hörte ich die besorgte, aber auch vor Zorn bebende Stimme meines Bruders, doch mein Blick ging starr nach oben zum dunklen Himmel, aus dem immer noch unaufhörlich der Regen auf uns herunterprasselte.

So lag ich da. Nass, voller Angst und mit einem viel zu schnell schlagenden Herzen.

»Was ist dein scheiß Problem?«, schrie mein Bruder ihn an.

»Dass du denkst, sie würde dir gehören!«, brüllte Trevis zurück und plötzlich beugte sich Viola über mich und ich schaute genau in ihre dunklen Augen, die mich erneut gefangen nahmen.

»Nimm meine Hand«, forderte sie leise, mit ruhiger Stimme und half mir vorsichtig wieder zurück auf die Beine.

Die beiden Jungs schrien sich immer noch an, doch ich war froh, dass sie wenigstens aufgehört hatten, sich zu schlagen.

Der besorgte Blick meines Bruders traf mich und als er auf mich zukommen wollte, stellte sich Trevis ihm aber sofort in den Weg.

»Was soll das?«, fragte ich mit zitternder Stimme und schaute dabei zu Viola, während mir die ersten warmen Tränen über meine Wangen liefen.

Ihr gleichgültiger Blick wurde weicher, fast schon mitleidig und plötzlich wandte sie sich von mir ab, um Trevis ihre Hand auf die Schulter zu legen.

»Wir gehen«, meinte sie zu ihm, doch der Schwarzhaarige bebte vor Wut und stand immer noch, mit dem Rücken zu meiner Seite, zwischen Devin und mir.

»Aber-«

»Nichts aber!«, unterbrach Viola ihn zischend und warf sich dabei ihre nassen, schwarzen Locken über ihre Schulter. »Wir gehen, hab ich gesagt, also beweg dich!«

Schnaufend vor Wut drehte der Große sich herum und warf mir dabei einen eiskalten, warnenden Blick zu, während meine Augen sich mal wieder an seine schreckliche Narbe hafteten.

Ohne noch etwas zu sagen, verschwanden die beiden die Treppen hoch zu den uns immer noch anstarrenden Mitschülern, während mein Bruder sich den Magen festhielt und einige Tropfen Blut aus seiner Nase liefen.

»Oh Gott, Devin«, hauchte ich mitfühlend und trat dabei so nah an ihn heran, dass er seinen Kopf sofort auf meiner Schulter ablegte. Er zitterte und bebte, als würden Angst und Wut ihn gleichermaßen einnehmen, was mir noch mehr Tränen in die Augen jagte.

»Steig ein«, flüsterte er leise und machte einen Schritt zur Seite, damit er mir die Tür seines Wagens öffnen konnte.

Ich tat, was er verlangte und ließ mich sofort auf den Sitz fallen, wo ich erleichtert feststellte, dass alle im Gebäude verschwunden waren. So langsam beruhigte sich meine Atmung und auch mein Herz pochte wieder gleichmäßig in meiner Brust.

»Ist er dein Mate?«, wollte mein Bruder wissen, als er ebenfalls einstieg und dabei schmerzverzerrt aufstöhnte.

»Nein, also ich glaube nicht«, antwortete ich mit leiser Stimme und wunderte mich gleichzeitig über seine Frage. Er wusste doch, dass ich es erst mit 18 herausfinden würde, also wieso fragte er?

Er nickte nur und kramte dann seinen Schlüssel heraus, um sofort den Motor zu starten.

»Du bleibst bis zu deinem Geburtstag Zuhause«, befahl er anschließend noch und zum ersten Mal in meinem Leben, verstand und akzeptierte ich seine Sorge um mich, denn ich hatte nie größere Angst empfunden, als in diesen nervenaufreibenden letzten zehn Minuten.

Doch das war leider erst der Anfang, wie ich noch feststellen musste …

Die Arroganz des WolfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt