Wattpad Original
There is 1 more free part

12 | Paranoia

12.1K 697 113
                                    

»Jady?«

Vollkommen in Gedanken versunken, saß ich im Schneidersitz auf meinem Bett, starrte dabei wie in Trance an die Wand mir gegenüber und nahm nur nebenbei wahr, dass Devin nach Hause kam und nach mir rief.

»Jady, was zum Teufel ist hier los!«

Er kam schnellen Schrittes in mein Zimmer gelaufen, stellte sich genau vor mein Bett und als ich dann zu ihm aufsah, zeigte er fragend auf mein Fenster, während er mit der anderen Hand die Kapuze seiner nassen Jacke vom Kopf schob.

»Wieso sind alle Fenster verdunkelt und die Haustür doppelt abgeschlossen?«

Ja, seine Frage war berechtigt. Nachdem Aleya gegangen war, brachte mich das bedrückende Gefühl, beobachtet zu werden, beinahe um den Verstand.

Selbst schuld!

Ich wusste, dass er da draußen war und auch, dass er wahrscheinlich in irgendeinem Busch lauerte und nur darauf wartete, dass er einen Blick auf mein Zuhause erhaschen konnte. Nur war mir leider immer noch nicht klar, wer er war, oder was seine Absichten waren.

»Hallo?«, riss Devins Stimme mich aus meinen Gedanken und lief dabei einen Schritt auf mein Fenster zu, um seine Hand an den Vorhang zu legen, was mir aber sofort wieder Herzrasen bescherte.

»Nicht!«, schrie ich so panisch auf, dass er mit großen Augen sofort wieder einen Schritt zurück machte und mich anstarrte, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Ich habe Migräne. Das Licht tut mir nicht gut«, murmelte ich vor mich hin und versuchte mich anschließend wieder zu beruhigen, bevor er etwas von meiner Panik bemerken würde, wenn es dafür nicht schon längst zu spät war.

Stirnrunzelnd fixierte er meinen Blick und ich wusste ganz genau, dass er meine Lüge bemerkte.

»Hast du die Nachbarn mal wieder verärgert?«, grinste er belustigt und öffnete dann einfach meine Vorhänge. »Außerdem ist es draußen stockdunkel, also kein Licht in Sicht.«

»Bist du jetzt unter die Dichter gegangen?«, pampte ich ihn genervt an und erhob mich schließlich aus dem Schneidersitz, um ebenfalls an mein Fenster zu laufen. »Mein Zimmer, meine Regeln.«

Nach einem flüchtigen Blick in die Dunkelheit, zog ich die Vorhänge sofort wieder zu und ignorierte den eiskalten Schauer, der mir dabei über den Rücken lief.

»Leicht paranoid?«, wollte Devin mit hochgezogener Augenbraue wissen und machte sich aus meiner Angst anscheinend einen Spaß. Er dachte womöglich wirklich, dass ich mal wieder Mrs. Fidele von gegenüber verärgert hatte.

Ich wünschte, es wäre so gewesen.

Zum Glück trieb ihn sein Hunger dann wieder raus aus meinem Zimmer und ich hatte wieder genug Zeit, mir auf dem Bett sitzend Gedanken über das alles zu machen. Ich versuchte, die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen. Dachte dabei über den Brand nach, der plötzlich alles veränderte. Über Trevis, dessen Angriff mir immer noch ein Rätsel war und auch über den Wolf, der in mir anscheinend seine Beute sah.

»Hast du auch Hunger?«

Devin stand mit einer Dose Ravioli in meinem Türrahmen und ich fragte mich bei seinem Anblick mal wieder, wie er dieses Zeug nur kalt in sich rein löffeln konnte.

»Nein«, antwortete ich kurz angebunden und wandte meinen Blick daraufhin wieder auf meine Hände, die ruhig auf meinen Knien lagen. Was war nur los mit mir? Ich fühlte mich so komisch und unruhig und konnte rein gar nichts dagegen tun.

»Na gut. Ich bin duschen«, hörte ich ihn noch neben mir und das nächste, was ich hörte, war, wie er die Badezimmertür schloss.

Dann entstand Stille. Einsame, hilflose, mich verzehrende Ruhe, die mich voll und ganz einnahm. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag, der immer schneller wurde, umso mehr ich mich auf ihn konzentrierte. Ich bildete mir ein, seinen Geruch selbst hier drinnen wahrzunehmenden, obwohl alle Fenster und Türen geschlossen waren. Meine Hände zitterten leicht und mein Herz flatterte wie ein wilder Schmetterling, der unaufhörlich mit den Flügeln schlug und mir damit schon leichte Rippenschmerzen bescherte.

Kraftlos und voller wirrer Gedanken ließ ich mich einfach zur Seite fallen und zog dann meine Decke bis über meinen Kopf. Ich wollte nichts mehr hören oder sehen. Hatte ständige Angst vor einem Überfall oder einer Zwangsmarkierung und als ich nach kurzer Zeit die Badezimmertür hörte, erhob ich meinen Oberkörper und schaute Hilfe suchend in den dunklen Flur.

»Devin?«

Meine Stimme zitterte und wäre das Licht in meinem Zimmer nicht an gewesen, wäre ich vermutlich aufgestanden und zu ihm gerannt.

»Ja?«

Seine Stimme beruhigte mich zum Glück wieder und nur mit einem Handtuch um die Hüfte stand er auch direkt in meinem Türrahmen.

»Kannst du bei mir schlafen?«

Er schaute mich besorgt an und nickte zustimmend.

»Ich gehe mir nur schnell was anziehen.«

Beruhigend ließ ich mich wieder aufs Kissen fallen und atmete tief durch, um dann nervös darauf zu warten, dass er endlich kommen würde.

»Ist wirklich alles okay bei dir?«

Seine Stimme klang sanft, doch als er das Licht in meinem Zimmer ausschaltete, bekam ich sofort wieder wildes Herzrasen.

»Ja«, flüsterte ich mit zitternder Stimme und als er sich endlich neben mir niederließ, klammerte ich mich sofort an seinen so gut riechenden, warmen Körper. Er roch nach Zitronen, frisch und vertraut, denn dieses Duschgel benutzte er so lange ich denken konnte.

Sanft streichelte er in einem gleichmäßigen Rhythmus über meinen Rücken, hielt mit seiner Hand meine Hand und mit meinem Kopf auf seiner Brust liegend, lauschte ich seinem langsamen Herzschlag und schloss dann in vollkommener Geborgenheit meine müden Augen.

Endlich verschwanden mit seiner Nähe all die bösen Geister. Er konnte sie immer vertreiben und dafür war ich ihm unendlich dankbar.

____

»Was war das?«

Panisch schreckte ich hoch und versuchte in der Dunkelheit meines Zimmers etwas zu erkennen, doch meine Augen waren anscheinend noch nicht richtig wach. Devin sprang sofort auf und machte anschließend mein kleines Nachtlicht an.

»Sicher nur eine Mülltonne, die vom Wind umgefallen ist«, versuchte er mich zu beruhigen, doch ich war nicht blöd. Ich sah ihm erschrocken in die Augen und erkannte auch bei ihm, dass er gerade ebenfalls Angst empfand.

»Das war keine Müllton-«

Ein weiterer noch lauterer Schlag ließ mich erneut zusammenzucken und Hilfe suchend stand ich eilig auf und klammerte mich zitternd an Devins Rücken.

Wie erstarrt schauten wir in den dunklen Flur und bewusst darüber, dass der zweite Knall unsere Haustür war, die eingetreten wurde, hielt ich den Atem an, schloss meine Augen und machte mich darauf gefasst, gleich etwas Schreckliches zu erleben.

Die Arroganz des WolfesWhere stories live. Discover now