Save me / Newtmas

375 13 5
                                    

Thomas
Genervt riss ich meinen Arm aus dem festen Griff des Sicherheitsmannes, der mich drohend ansah.
„Ich finde den Weg selbst", motzte ich ihn an und ging ohne jede Vorwarnung einfach voraus, der übergewichtige Mann hinter mir hatte Mühe, sich meinem Tempo anzupassen.
Schnurstracks lief ich durch die glänzend polierten Gänge des riesigen Gebäudes, ich wusste ganz genau, wohin ich gehen musste. Das war alles, was ich wusste, was ich wissen durfte. Alles, was in meinem Gehirn gespeichert war, war der Plan der Gänge und Räume.
Nichts, nicht einmal meinen Namen kannte ich. Jede Nacht aufs Neue lag ich in meinem Hochbett und überlegte, ob ich wohl so etwas wie Eltern oder Freunde hatte. Es gab nichts, woran ich mich lieber erinnern würde.
Doch aus welchem Grund auch immer durfte ich es nicht.

Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, dass der nächste Raum der richtige sein würde, doch der Sicherheitsmann wirkte abgelenkt. Einen Versuch war es wert, ich wollte nicht in diesen Untersuchungsraum.
Extra unauffällig beschleunigte ich mein Tempo und war schon fast an der entsprechenden Tür vorbei gelaufen, als ich einen festen Druck an meinem Arm spürte. Ich verzog das Gesicht und versuchte erneut, mich loszureißen, doch diesmal erfolglos.
„Versuch's gar nicht erst", knurrte der Dicke, klopfte an die Tür des Raumes und warf mich förmlich in den Raum hinein, als der gleiche Arzt wie immer öffnete. Janson. Oh, wie ich ihn hasste. Sein hässliches Rattengesicht und diese gestellte Freundlichkeit trieben mich in den Wahnsinn, wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich ihm den Hals umgedreht.

Er empfing mich mit einem aufgesetzten Grinsen, ehe er dem Sicherheitsmann die Tür vor der Nase zuschlug und sich mir gegenüber niederließ.
„Hallo, A2. Wie geht es dir?"
An seinem Tonfall war zu hören, dass es ihn eigentlich nicht im geringsten interessierte, wie es mir ging, diese Frage war reine Provokation.
„Scheiße. Wie soll's mir in dieser Drecksbude auch anders gehen?"
Er verdrehte genervt die Augen.
„Man kann's auch übertreiben. Wir helfen dir und schützen dich, hast du das schon vergessen?"
Schützen? Helfen? Wie gerne ich gewusst hätte, wann diese Männer mir jemals in irgendeiner Form Schutz geboten oder mir geholfen hatten, aber ich wusste, dass diese Diskussion nur zu einem Beruhigungsmittel und irgendwelchen Extrauntersuchungen führen würde, also hielt ich einfach den Mund.
Zufrieden grinste Janson, faltete dann seine Hände und setzte sofort zu seiner nächsten verlogenen Rede an.
„A2, kannst du mir sagen, was Cranks sind?"
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und ich ballte meine Hände zu Fäusten, dieser Idiot musste jedes Mal aufs Neue auf mein leeres Gedächtnis anspielen.
„A2?"
Sich über meine Wut erfreuend lehnte er sich zurück.
„Nein! Natürlich weiß ich es nicht! Wie auch? Ihr habt mir all meine Erinnerungen genommen und sie mir nie wieder gegeben! Ich weiß überhaupt nichts mehr!"
Während mir aus Frust Tränen in die Augen gestiegen waren, hatte sich das gemeine Grinsen auf dem Gesicht des Grauhaarigen mit jedem meiner Worte vergrößert.
„Na, na, A2, schön ruhig bleiben. Du solltest doch wissen, dass wir nicht böse sind. Du bist böse, deine Vergangenheit ist böse. Wir waren so barmherzig und haben dich aufgenommen. Also sei uns dankbar."
Meine Wut hatte sich in pure Verzweiflung umgewandelt, diese Stimmungsschwankungen hatte ich unkontrolliert, seit ich mich jeden Tag aufs Neue durch die vielen Untersuchungen quälen musste.
„Warum tut ihr das? Warum darf ich mich nicht erinnern? Kann ich nicht wenigstens meinen Namen wissen? Meinen Geburtstag? Oder wie meine Mutter heißt?"
Der Arzt hatte während meiner gesamten Fragerei nur unbeeindruckt in seinen Unterlagen herumgeblättert.

„Wie auch immer, setz dich bitte auf die Liege."
Seine Kälte erschütterte mich nicht einmal mehr. Ich wusste, dass sein Herz, sofern er eins besaß, aus Stein war.
Der Arzt sah auf. „Wird's bald? Es ist schon spät, ich habe auch keine Lust mehr!"
Ihm einen bösen Blick schenkend stand ich auf und nahm auf der grün-türkisen Liege Platz.
Währenddessen hatte der Grauhaarige schon eine relativ große Spritze hervorgeholt und war sie mit einer durchsichtigen Flüssigkeit am befüllen.
„Was ist das? Was spritzen Sie mir da?"
Die Antwort des Arztes war lediglich ein genervtes Aufseufzen. „Das verstehst du sowieso nicht. Also hinterfrag nicht die Medizin und halt jetzt still."
Er kam auf mich zu und bevor ich mich irgendwie wehren konnte, rammte er mir die Nadelspitze in meinen Arm. Schmerz breitete sich in meinem gesamten Körper aus und ich verzog verkrampft das Gesicht. Die Untersuchungen taten oft höllisch weh, doch Schmerzen auf diesem Level hatte ich noch nie spüren müssen.
Ein erstickter Schrei verließ meinen Mund und ich versuchte, ihm meinen Arm zu entziehen, doch er drückte ihn mit solch einer unbeschreiblichen Kraft auf die Liege, dass ich mir nicht helfen konnte.
Einige schmerzvolle Momente später ließ er mich los und entfernte die Nadel aus meiner Armbeuge, völlig benommen und mit verschwommener Sicht blieb ich liegen.
„Du benimmst dich wie ein Baby, A2. Stell dich nicht so an."
Normalerweise hätte ich bestimmt irgendetwas erwidert, doch gerade konnte ich es einfach nicht mehr. Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt, so als wäre ich stundenlang ohne Pause vor irgendetwas davongelaufen.
Erneut spürte ich ein diesmal harmloses Piksen in meiner Armbeuge, offenbar nahm Janson mir noch Blut ab, so wie jeden Tag.

Dylmas/Newtmas OneShots <3Where stories live. Discover now