Absage

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Dort stand doch tatsächlich Julia - dass ich mich an ihren Namen erinnerte war ein Wunder. Sicherlich kannte ich viele Menschen und ich kannte auch viele Frauen, doch manche blieben einem mehr im Gedächtnis als andere. Julia hatte ich getroffen im Club 45. Es war wie es immer in einem Club war, man tanzte und sah sich mit schüchternen Blicken an, tat so, als hätte man sich nicht gesehen und tanzte immer näher beieinander. Bei Antanzen war es nicht geblieben, sonst könnte ich mich auch kaum an ihren Namen erinnern. Wir redeten nett und Einiges, ich hatte durchaus Gefallen an ihr gefunden - aber irgendwie verlief es dann nicht weiter. Ich erinnerte mich noch vage daran, dass das der Abend mit dem LSD-Absturz gewesen sein musste, vielleicht verschwamm deswegen ihre Erinnerung ein bisschen. Sie spielte glaube ich Handball und war sehr eingespannt, studierte noch und ich studierte auch, war dann in der Klinik und bei Olga im Rettungswagen - es ergab sich leider einfach nicht mehr. Sie sah anders aus als damals, wahrscheinlich auch, weil es nicht im Clublicht war und weil ich nicht vollgedröhnt und betrunken war. Stattdessen lag ich wie benommen im Rausch des Orgasmus auf dem Schreibtisch meiner Professorin, der Chefärztin, und zwar splitterfasernackt. Ich wusste, dass es mich noch nicht störte, der Scham würde erst morgen eintreten, wenn ich die Gedanken frei hatte und nicht Olgas Präsenz meine Sinne vernebelte.

Sie war noch sportlicher geworden, aber schien etwas müde und abgeschafft zu sein. Ihre Augenringe waren deutlich. Wobei nur absolutes Erstaunen, gemischt mit leichter Panik auf ihrem Gesicht zu sehen war. Wer könnte es ihr verdenken, ich lag hier in einer nicht sehr alltäglichen Situation und Olga würde sich auch nicht alltäglich geben, sondern abgehoben. So verwunderte es mich auch nicht, als ich ihre Stimme hörte, die sagte: "Sie sind im falschen Zimmer. Soll ich den Sicherheitsdienst rufen, oder finden sie selbst den Weg hinaus?" Mir zog eine heiße Schauer den Rücken runter, denn Olga konnte in so einer bizarren Situation wie diese es gewesen war noch die Kontrolle behalten und sich nicht hastig, nicht eilig, aber ganz beherrscht und stark vor mich stellen und so den Blick auf mich versperren und dabei noch bedrohlich wirken. Wie sollte es auch anders sein - binnen Millisekunden drehte sich Julia um und trat den Rückzug an, was ich ihr auch nicht verübeln konnte. Kein Mensch würde mit so etwas gerechnet haben und dann auch noch in die Augen von Olga Valencova zu schauen machte das ganze wahrscheinlich nicht einfacher.

Kaum hatte sie das Zimmer verlassen drehte sich Olga zu mir um und schaute von oben auf mich herab. Automatisch schluckte ich, da ich nicht in der besten Position war. Was ist, wenn sie dachte, dass das wieder ein eingefädeltes Spiel sei, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen? Oder noch schlimmer, um sie eifersüchtig zu machen? Sie beugte sich herunter und ging sogar in die Knie, was auf ihren unglaublich hohen Schuhen nicht schwer war. So war nun ihr Kopf direkt vor meinem und ihr Blick wirkte noch bestechender und ich fühlte mich noch schuldiger, obwohl ich diesmal wirklich nichts dafür konnte. Ich hätte niemals mit so etwas gerechnet und konnte es nur daher so gut vertragen, weil ich noch total überströmt von Endorphinen war. Das musste sie wissen! Und sie schien es auch zu wissen, denn auf ihren Lippen zeichnete sich ein ganz diabolisches Lächeln ab, es triefte vor Überlegenheit und Beherrschung. "Sag mir, meine kleine Melanie, wer war das?" Ihr unausweichlicher Blick und ihre Präsenz brachten mich an den Rande des Wahnsinns, aber ich wisperte ganz schüchtern: "Sie heißt Julia." Sie legte ihren Kopf ein klein bisschen schief und erreichte damit noch umso mehr Wirkung bei mir: "Das habe ich nicht gemeint, sei doch nicht so ausweichend." Und obwohl ich keinerlei Gefahr von Olga befürchten musste, war ich in leichter Nervosität. Ihre Finger strichen über meine Unterlippe, was ich genoss, aber was nicht im geringsten die Bedrohung minderte. Also flüsterte ich: "Ich habe sie kurz davor kennengelernt, bevor ich wegen LSD an dich geraten bin. Wir haben ein paar Worte gewechselt, mehr nicht. Vielleicht ein bisschen zusammen getanzt." Als ich das gesagt hatte, was Olga ganz präzise aufgenommen hatte, versenkte sie ihren Mittel- und Ringfinger in meinem Mund. Während sie das wie von Sinnen tat, was wir beide zu genießen schienen, hauchte sie und ich war mehr erstaunt als sonst etwas, dass das ihre Reaktion darauf war: "Soso, zusammen getanzt." Sie konzentrierte sich weiterhin sehr darauf, ihre Finger in meinen Mund gleiten zu lassen, wobei sie währenddessen spielerisch lächelte.

Obsession in weißen KittelnWhere stories live. Discover now