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Wenige Minuten später klingelte es. Olivia war zurück in die Klasse und holte unsere Sachen, während ich im Flur blieb. Ich bat sie unserem Lehrer Bescheid zu geben, ich hatte eine Panikattacke. Das war die beste Umschreibung die mir einfiel. Emilio war ebenfalls seine restlichen Sachen holen gegangen. Ich wusste gar nicht wie er mitbekommen hatte, dass... das eben. Beiden hatte ich versichert, es würde mir besser gehen. Doch wo ich hier stand hörte ich alle Wunden, fühlte ich die von in meinem Kopf, sowie aller die in einem bestimmten Radius von mir entfernt waren. So starke Antennen hatte ich lang nicht mehr gehabt. Es war anstrengend. Ein wütendes Gefühlschaos nachdem ein Krieg so wenige Minuten vorher in mir gewütet hatte. Mein Atem beschleunigte sich wieder, ich stützte mich mit den Armen an der Fensterbank ab und erinnerte mich tief durchzuatmen. So langsam füllten sich die Gänge. Auch mein Kurs strömte aus dem Raum. Ich drehte mich weg. Doch sie hatten es eh alle mitbekommen. Ich spürte Röte in mir aufsteigen. Doch die Wunden verschwanden. Ich wollte es schon auf die so angenehme Kälte der Fensterbank schieben als sich alle meine Haare aufstellten und Emilio um die Ecke bog.
„Hey." Als er näher gekommen war, sah er mir tief in die Augen. Mein Atem beruhigte sich, die Röte verschwand und ich kam runter.
Olivia kam zu uns und schniefte.
„Nichts gegen helfen aber musst du Backsteine in deinem Rucksack haben?" Sie stellte ihn neben mich.
Und grinste. Da erst merkte ich, das ich ein kleines Lächeln hervorgebracht hatte. Naja, vielleicht war es eher dem großen Typen neben mir zuzuschreiben.
„Hast du-"
„Alles erledigt." fiel sie mir ins Wort.
„Willst du nicht nach Hause? Du musst ganz fertig sein."
Ich nickte. Auch wenn ich nicht alleine sein wollte.
„Okay ich bring sich runter."
Da brummte ihr Handy.
„Oh."
Sie gestikulierte und das sie schnell dran gehen würde, bevor sie es tat.
„Hey... ja, ich bin noch oben. Ja ich komm gleiche ich muss nur noch- äh ich komm gleich. Wo seid ihr? ....Ok bis gleich."
„Du kannst ruhig gehen." ich versuchte wieder zu lächeln.
„Alles gut."
Ich sah wie sie mit sich kämpfte.
„Er hier, bringt mich schon runter." Ich zeigte auf Emilio.
„Ok aber nur wenn das wirklich ok ist?"
Ich nickte wieder. Und sie verabschiedete sich. Natürlich nicht ohne vorher einen Batzen an Anweisungen im Krankenschwester-Stil zu geben. Ich schulterte meinen Rucksack und ging dann los. Emilio ging nah bei mir. Wahrscheinlich befürchtete er das ich jede Sekunde umfallen würde.
Den ganzen Weg über waren wir still gewesen. Aber es war angenehm und ehrlich gesagt kam es mir gerade nur zu gute.
„Okay danke fürs begleiten und... ja für eben." Ich streichelte seine Hand.
Doch er nickte nur und zog dan an meinem Arm.
„Was machst du?"
Ich gehe.
„Falsche Richtung."
„Nein. Ich komme mit dir."
Perplex lief ich hinter ihm her. Könnt der mal einen Gang runterfahren? Ich kam ja gar nicht hinterher.
„Du hast es aber eilig."
Abrupt blieb er stehen. Ein paar Sekunden bewegte er sich nicht. Irgendwas ging in ihm vor. Dann drehte er sich zu mir.
„Nur kacke das der Bus noch nicht fährt."
„Das nächste mal warte ich bis nach der fünften Stunde."
Scherzte ich, doch mir selber war es irgendwie seltsam dabei jetzt schon wieder so Witze zu reißen.
„Ich mag es im Wald."
„Deswegen bist du fast nie im Bus?"
„Jep. Frische Luft, Bewegung, Natur und ich bin auch noch schneller wenn ich zackig geh."
„Zackig?"
Er lächelte. Endlich.
„Hast du was gegen meine Ausdrucksweise?" ich nahm einen hochnäsigen Ton an.
„Deine Ausdrucksweise?" er hob eine Braue. Und lachte leicht in sich hinein. Spielerisch schlug ich ihn auf den Arm und ging dann neben ihm.

„Was war eben?"
fragte Emilio als wir etwa Zweidrittel des Weges hinter uns gelassen hatten.
Ich schluckte und meine gute Laune schwand wieder.
„Die Wunden, die ich immer spüre."
„Ja?"
„Ich hab eine gespürt die ich nicht kannte. Sie wurde immer intensiver. Echter. Ich hatte das Gefühl darin zu sein, sie zu steuern."
Ich dachte an die Frau. Michi. Ich hatte mich gefragt wer sie war. Und schwuppdiwupp: Michi, seine Schwester. Wie als Antwort wurde es mir serviert. Mir lief ein Schauer über.
„Und dann brachen irgendwie so viele Wunden auf mich ein.
Alte, die ich kannte und neue. Es hat nicht mehr aufgehört."
Bis du kamst. Hätte ich gerne noch hinzugefügt.
Seine Hand umschloss meine.
„Sind sie wie ein Film? - Oder einfach ein Wissen?"
Ich überlegte wie ich es beschreiben konnte.
„Nein, sie sind-fühlen sich echt an. Als bin ich dabei wenn's passiert aber ich gucke halt zu."
Wir gingen zwei Schritte weiter. Als ich noch hinzufügte.
„Manchmal bin ich auch die Person der es widerfahren ist. Ich weiß alles was sie wissen. Fühle alles."
Plötzlich schoss mir ein Ohrwurm in den Kopf. Argh wie ich die Dinger hasste, auch wenn sie, so manche Gespräche oder Unterrichtsstunden unterhaltsamer machten.
„Wieso warst du eigentlich da?"
Die Frage war mir in den Kopf geschossen als mein lieber Ohrwurm für einen kleinen Moment mal in den Hintergrund gerückt war. Es war auch noch so ein nerviges 4-Takt Lied.
„Wo jetzt?"
Hä so schwer von capiche?
„Bei mir, bei der Panikattacke."
„Ich hatte Freistunde und..."
Mein Blick richtete sich auf sein Gesicht. Er schien zu überlegen.
„Ich war wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort."

Just like me  ~ An Enemies to Lovers romantasyWhere stories live. Discover now