Austausch

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Sie hat viel mit einem Scharfschützen gemeinsam, wenn sie so darüber nachdenkt. Stundenlang an einem Fleck bleiben oder ungesehen verfolgen. Das Risiko eingehen erwischt zu werden, im schlimmsten Fall ist der Tod die Folge. Man studiert die Verhaltensweise der Zielperson, wenn es nicht schon bekannt ist. Und man schießt schlussendlich. Nur sind es bei ihr meistens Fotos, Videos sind eher selten und kommen ein oder zwei Mal im halben Jahr vor. Noëlle hat das Fenster direkt vor der Linse, macht schon einmal ein paar Fotos von den Leuten die drin auf etwas zu warten scheinen. Noch ist es nicht viel, nichts aussagekräftiges und nichts was ihr Klient will! Aber es dauert höchstwahrscheinlich noch bis da alle versammelt sind. Sie bleibt mit der Kamera aber nicht immer auf dem gleichen Fenster, sondern beobachtet auch gleichzeitig die Wachen, ob diese sich irgendwie auffällig verhalten. Gleichzeitig hat sie ihr Gehör aufgebessert, sodass sie gewarnt ist wenn etwas sein sollte. Sie wäre höchstwahrscheinlich ein genau so guter Spion wie Paparazzo, aber als Spion hast du eindeutig fragwürdigere Aufträge als ein paar Bilder zu schießen! Ihr ist bewusst dass sie damit Leben zerstört, nicht nur das von der Person auf dem Foto sondern im generellen auch von deren Angehörigen. Das reicht aus, sie muss nicht noch ganze Länder zerstören. Das überlässt sie anderen Parteien und mischt sich auch überhaupt nicht ein. Selbst damals, als das mit Millenium, Hellsing und Iskariot so eskalierte- Selbst da hielt sie sich raus und hat sich nicht eingemischt weil sie nicht Teil dieser Welt war in welcher die drei Organisationen gelebt und gekämpft haben. Viele Opfer wurden gemacht, viele Tote waren zu betrauern und einiges ist anders gelaufen als man dachte. 

Aus dem Augenwinkel erkennt sie Bewegungen am Tor und sieht mit ihrer Kamera dort hin. Bingo. Es treffen ein paar Männer und Frauen in einem Wagen ein, die am Tor aufgehalten und kontrolliert werden nachdem sie ausgestiegen sind. Immer wieder drückt sie den Auslöser wenn sie die Hälfte eines Gesichts einfangen kann. Dreiviertel Profile sind auch nicht schlecht, volles Gesicht ist und bleibt am besten. Sie werden in das Haus begleitet und von dort aus geht es höchstwahrscheinlich dorthin wo sich Noëlle das vorstellen kann. Langsam schwenkt die Frau die Kamera wieder zum Fenster und sieht wie immer mehr Leute in den Raum kommen, Fotos werden gemacht. Fotos von Gesichtern. Fotos von der gesamten Versammlung. Fotos von allem was irgendwie geht. Man teilt Essen und Getränke aus, aber nichts zu Ausgefallenes wird serviert. Ihrer Meinung nach kann es weder eine Zeremonie noch eine Feier sein, wozu man die Leute dann wohl eingeladen hat? Egal, sie soll nur die passenden Fotos machen. Und was für Bilder sie bekommt! Ein klischeehafter Koffer voll Geld, nach dem Betrag würden sich manche die Finger ablecken und vieles mehr. Pistolen und Gewehre weil eine der Frauen wohl etwas falsches gesagt hat. Die Übergabe des Geldes und sie konnte sogar ein gewisses Logo ausmachen, ein springender Delfin über den Initialen SL. Griechenlands Nationaltier und die Namensinitialen der Gründerin des Kartells, leider ist die Frau schon verstorben. Sie war eine harte, aber dennoch überraschend Gerechte Chefin von dem was Noëlle mitbekommen hatte. Ihr Nachfolger, nur offiziell bekannt als ‚Terez', soll ein anderes Kaliber sein. Empfindlicher. Ungerecht. Ein kleiner Tyrann. Ruckartig hebt sie plötzlich den Kopf, blickt nach links. Für ein paar Sekunden atmet sie nicht um sich komplett auf die Geräusche zu konzentrieren und sieht dann schnell wieder durch die Linse zum Fenster. Sie gehen, offensichtlich ist es vorbei. Komm schon... komm schon. Beeilt euch! Sie hört auf der einen Seite wie jemand sich daran macht raufzuklettern, aber sie will dieses eine Foto haben in welchem die Personen aus dem Gebäude gehen. MIT dem Koffer selbstverständlich. Die Geräusche werden immer lauter, die Zeit läuft ab. Auch wenn sie weiß dass ihr nichts geschehen wird, ihr Herz donnert gegen ihren Brustkorb und somit auch das Dach unter ihr auf welchem sie liegt. Endlich. Die Tür geht auf, eine Frau mit dem Koffer kommt in ihre Richtung raus, perfektes Material. Bild nach Bild wird geschossen, bevor sie ihren Kopf hebt und sich aufrichtet, sie muss hier weg. 

Schnaubend zieht sich der Wachmann die letzten Leiterstufen nach oben und blickt über das Dach. Und was soll sein Kollege bitte gesehen haben? Er meinte etwas von wegen Aufblitzen, aber da ist nichts. Das gesamte Dach ist leer und selbst als er nach etwas sucht dass ein angebliches Reflektieren von Licht erklären könnte, findet er nichts als eine alte Sonnenbrille die aussieht als habe sie eine der Möwen hier fallen gelassen.

Alba LupinotuumМесто, где живут истории. Откройте их для себя