#2 - Gedanken

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Triggerwarnung: Essstörung 

Ich lag auf meinem Bett und dachte über die letzten Wochen nach. Nick Nelson war jetzt offiziell mein fester Freund. Eigentlich müsste ich glücklich sein und wenn er bei mir war, dann war ich auch glücklich, aber wenn ich allein war... Allein in meinem Zimmer kamen die Gedanken. Was wenn das alles ein Fehler war? Was wenn Nick mich gar nicht so sehr mochte, wie ich ihn? Was wenn ihm die Anfeindungen von Harry eines Tages zu viel werden würden? Was wenn er merkte, wie kaputt ich eigentlich war? Was wenn...? „Charlie, komm runter Essen ist fertig.", rief meine Mutter mich. Ich seufzte. Ich hatte keinen Hunger, aber es gab diese Regel, dass wir alle zusammen beim Abendessen sitzen müssen. „Ess wenigstens ein kleines bisschen.", kam es von meiner Mutter, als ich ihr sagte, dass ich keinen Hunger hatte. Ich nickte und tat mir ein bisschen zu Essen auf den Teller. Während meine Eltern sich über den nächsten Urlaub unterhielten, kreisten die Gedanken wieder. Fand Nick mich wirklich schön? Ich war doch einfach nur hässlich. Wie konnte er mich schön finden? Ich hatte keine Muskeln und war viel zu dick. Ich starrte auf den Teller, auf dem ein paar Kartoffeln und ein bisschen Gemüse lagen. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass ich das essen sollte. „Alles gut, Charlie?", riss Tori mich aus meinen Gedanken. Ich sah in ihr besorgtes Gesicht. „Mir ist grad einfach ein bisschen schlecht. Vielleicht ist mir das Essen in der Schule nicht bekommen. Mir geht's schon seit dem Mittagessen ein bisschen komisch.", log ich sie an. Ich hatte zum Mittag nur ein kleines Brot und einen Apfel, was sollte daran schlecht sein. Jetzt schauten auch meine Eltern besorgt auf. „Möchtest du was anderes haben, Charlie? Vielleicht einen Tee?" Ich schüttelte den Kopf: „Ich würd mich einfach gerne wieder hinlegen." Meine Mutter nickte: „Ist gut, ausnahmsweise, darfst du früher aufstehen. Wenn du dich nicht zu schlecht fühlst kannst du ja noch ein bisschen für die Schule lernen." Ich seufzte und ging in mein Zimmer.

Am nächsten Morgen wachte ich mit knurrendem Magen auf. Ich ging in die Küche und füllte eine Schüssel mit Cornflakes. Dann gab ich Milch dazu und ließ die Flakes einweichen. Irgendwie mochte ich es so. Währenddessen zog ich meine Schuluniform an und machte meine Haare. Als ich wieder in die Küche kam, saß Tori am Tisch und aß ihr Frühstück. „Dein Müsli ist pampig.", stellte sie fest. „Ich weiß, ich mag es so." Sie verzog das Gesicht und ich lehnte mich an die Arbeitsfläche. Ich aß nicht viel, nur so viel, dass mein Magen aufhörte zu knurren. Ungefähr die Hälfte ließ ich über. „Alles gut?", wollte Tori auf dem Weg zum Bus wissen. „Ja, alles gut." „Ich mach mir Sorgen um dich. Du isst in letzter Zeit so wenig." Ich wurde nervös. Es war ihr also aufgefallen. Tori fiel eigentlich immer alles auf. „Ich hab halt in letzter Zeit nicht so viel Hunger. Mach dir keinen Kopf. Es geht mir gut." Tori musterte mich und ließ das Thema dann auf sich beruhen.

Es vergingen wieder ein paar Wochen. Heute wollten wir mit ein paar Freunden zum Strand fahren. Im Zug lehnte ich mich an Nicks Schulter. Er drehte den Kopf leicht und gab mir einen Kuss auf die Haare. Tao redete pausenlos über irgendwas. Ich hörte nicht richtig hin. Ich war wieder in Gedanken. Heute war das Wetter einfach wunderschön. Ob die anderen wohl ins Wasser wollten? Was wenn ich mit ins Wasser sollte? Ich hatte zwar Schwimmsachen mit, wollte aber eher ungern. Ich wollte nicht, dass jemand mich halbnackt sah. Ich fand umziehen beim Sport schon immer die Hölle. Und was würde Nick denken? Würde er mich abstoßend finden? Vielleicht fand er meinen Körper hässlich und würde Schluss machen. Ich könnte es ihm nicht verübeln. Ich nahm mein Handy, um mich von meinen Gedanken abzulenken. „Lass ein Foto machen.", schlug ich Nick vor. Er nickte und schaute in meine Kamera. „Du siehst süß aus.", sagte ich, nachdem ich das Bild gemacht hatte. Er kicherte: „Du auch." Ich schaute ihn an und er legte eine Hand an meine Wange, um mich im nächsten Moment zu küssen. „Ich liebe dich.", hauchte er leise, als er sich von mir löste. Ich sah ihn geschockt an. Das war das erste Mal, dass er es laut sagte. „Ich dich auch.", gab ich perplex zurück. „Alles gut, Char?", fragte er besorgt. „Ja, es ist nur, du hast zum ersten Mal gesagt, dass du mich liebst.", stellte ich klar. Nick lächelte: „Echt?" Ich nickte nur. „Es ist so. Ich liebe dich, Char." Ich grinste: „Ich dich auch." Nick küsste mich wieder und danach kuschelte ich mich für den Rest der Zugfahrt an ihn.

Am Strand breiteten wir unsere Decken aus. Tara und Darcy zogen sich direkt ihre Klamotten aus unter denen sie ihre Bikinis hatten und rannten ins Meer. Elle legte sich auf ihre Decke und genoss die Sonne. Während Tao ein Buch rausholte. „Wollen wir auch ins Wasser?", fragte Nick. Ich zögerte: „Ich weiß nicht." „Okay, dann warten wir noch und genießen erstmal die Sonne und den Strand." Ich nickte und legte mich zu Nick auf die Decke. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Nicks Herzschlag, während mein Kopf an seiner Brust lag. Nicks Umarmungen waren die besten Umarmungen der Welt. Immer wenn er mich in den Arm nahm, fühlte ich mich so sicher und geborgen. So als könnte die Welt mir nichts anhaben. „Warum kann es nicht immer so sein?", dachte ich seufzend. „Was meinst du?", hakte Nick nach. Hatte ich das etwa laut gesagt. Ich lehnte mich auf und sah ihm in die Augen: „Ich meine das hier. Warum kann es nicht immer so einfach und friedlich sein? Hier können wir einfach wir sein. Zuhause ist immer alles so kompliziert." Nick grinste: „Ich weiß, was du meinst. Ich wünschte auch manchmal, dass es leichter wäre, aber solange du bei mir bist, ist alles gut." Ich kicherte und küsste ihn kurz. Als ich mich von ihm löste, knurrte mein Magen. Nick lachte: „Komm, wir holen uns Pommes." Ich sagte nichts und ließ mich von ihm hochziehen. Er wandte sich an Elle und Tao: „Wollt ihr auch Pommes?" Die beiden schüttelten den Kopf. Nick und ich steuerten auf einen kleinen Imbiss zu an dem man Pommes, Burger und Getränke kaufen konnte. „Was möchtest du haben, Char?", fragte er mich. Ich überlegte: „Ich nehme eine kleine Pommes und ein Wasser." Skeptisch musterte Nick mich, aber er sagte nichts weiter. Nach dem auch er bestellt hatte, setzten wir uns an einen kleinen Tisch. Langsam fing ich an meine Pommes zu essen. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich anstrengte. In meinem Kopf fragte ich mich, wie viel Kalorien die Pommes wohl hatten. Nick nippte an seiner Cola und beobachtete mich mit einem Lächeln. Irgendwie motivierte mich sein Blick zumindest ein bisschen zu essen. „Char, kann ich dich was fragen?", unterbrach Nick plötzlich die Stille. Ich nickte. „Geht es dir gut?" Verwirrt sah ich ihn an: „Warum fragst du? Warum sollte es mir nicht gut gehen?" Nick seufzte: „Ich mache mir Sorgen. Mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit kaum was isst." Ich sagte nichts, sondern starrte auf meine Pommes. Er hatte ja Recht. Ich aß kaum etwas und wenn dann immer nur ein paar Bissen. „Ich...ich weiß nicht...ich kann es nicht erklären. Ich habe einfach Angst, dass ich zunehme, wenn ich was esse.", gab ich zu. Nick musterte mich liebevoll: „Char, du bist wunderschön. Wenn du dir Sorgen machst, dass ich dich nicht schön finden könnte, dann vergiss das ganz schnell. Für mich bist du der schönste Mensch der Welt.", gestand er mir und brachte mich damit zum Grinsen. „Danke.", hauchte ich leise. Ich rückte mit meinem Stuhl an ihn und lehnte meinen Kopf an seine Schulter: „Es ist nur nicht so einfach. Da sind diese Gedanken. Die sind schon seit Jahren da." „Was für Gedanken?", hakte Nick nach. „Es ist wie Stimmen in meinem Kopf, die mir sagen, dass ich das Leben aller anderen in meinem Umfeld zerstöre und es besser wäre, wenn ich nicht da wäre. Diese Stimmen sagen auch, dass ich hässlich bin und dass mich niemand wirklich lieben kann." Nick löste sich ein Stück von mir und nahm mein Gesicht in seine Hände: „Ich weiß, dass es nicht einfach ist, diese Stimmen loszuwerden, aber ich werde dir so oft es geht sagen und beweisen, dass ich dich liebe. Charlie Spring, du zerstörst mein Leben nicht. Du machst es jeden Tag besser." Dann legte er seine Lippen auf meine und für einen kurzen Moment waren die Stimmen still. Es würde noch seine Zeit dauern, bis die Stimmen verschwinden würden, aber mit Nick an meiner Seite hatte ich die Hoffnung, dass ich sie loswerden konnte. 

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