Teil 9

114 24 40
                                    


Ariana

Mein Gegner neben mir war kräftig, stark und undurchschauber. Seine feuerroten Haare waren hinten zu einem kurzen Zopf gebunden und die kleinen, gift grünen Augen blitzten mich sauer an.

Schluckend wandte ich mich von ihm ab. Ich musste es nur schaffen, seinen Schwertangriffen zu entkommen. Dann würde ich siegen. Noch einmal schloss ich die Augen, atmete durch und sah auf meinen Dolch hinab.

Der rote Glanz hatte nachgelassen und das Blitzsymbol war nun nicht mehr zu erkennen. Mit meinem Zeigefinger fuhr ich die Klinge entlang, dort wo zuletzt der Blitz zu sehen war.

Mein Finger kribbelte etwas und ein entspannendes Gefühl machte sich in mir breit. Doch das wurde schnell unterbrochen, als ich nach vorne sah.

Die Sklaven hatten mit großer Mühe das Steintor aufgeschoben, vor mir erblickte ich das wartende Volk. Das Volk, das auf den Tod eines von uns wartete. Über mir, an der Stelle wo sich der Balkon befand, erklang die Stimme des Königs.

"Im nächsten Kampf treten Valerius und Ariana gegeneinander an! Lasse den besseren gewinnen!", der König klatschte in die Hände, das Zeichen jetzt in den Kreis zu treten. Schnell rannte ich auf den Kreis zu, Valerius war mir dicht auf den Fersen.
Im Kreis angekommen drehte ich mich prompt um, ich drückte das Schild nach oben und ohne dass ich eine Ahnung hatte, schlug Valerius mit seinem Schwert dagegen.

Geschockt wich ich etwas zurück.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Man sprach vom Glück, dass ich das Schild rechtzeitig hochgehalten hatte. Etwas geschockt sah ich den Gegner an. Dieser jedoch blickte mich nur stur an, beinahe enttäuscht.

Wütend guckte ich ihn an, mein Kiefer spannte sich an und meine grauen Augen verdunkelten sich. Ich erwischte Valerius am Hals. Eine tiefe Schlitzwunde verlief seine Kehle hinab und es sah nicht gerade gut aus.

Anstatt jedoch einen Laut von sich zu geben, wischte er sich nur das Blut von der Wunde. Mit einer bösen Miene setzte er seinen nächsten Schlag aus. Mit einem weiten Abstand zu mir, soweit der Kreis es ihn ermöglicht, warf er blitzschnell einen Sperr nach mir.

Mithilfe der Kante meines Schildes wehrte ich den Spieß größtenteils ab. Die Spitze streifte leicht meine Wange. Prompt stellte ich fest, dass sich eine leichte, feine Blutlinie gebildet hatte.

Das war jedoch nicht mein Problem, Valerius rannte nicht wartend auf mich zu und drängte mich aus dem Kreis. Mit seiner Waffen freien Hand packte er mich an meiner Taille und stieß mich heftig gegen die nahestehende Hauswand.

Schmerzhaft knallte ich gegen die Mauer. Die Menschen um uns herum machten Platz und bestaunen den Kampf aus nächster Nähe. Zischend fasste ich mir an den Rücken. Als ich jedoch Valerius nächsten Angriff vorhersah, sprang ich zur Seite. Mit einem schmerzhaften Geräusch knallte der Römer gegen die Wand.

Valerius fasste sich für einen kurzen Moment am Kopf. Diese Gelegenheit nutzte ich. Ich zog mein Schwert aus meinem Gürtel, welches im Licht des Mondes Silber glänzte.

Mein Herz raste und mein Bauch schmerzte, doch mit einem kurz kommenden Adrenalinschub stieß ich mich von der gegenüberliegenden Mauer und bohrte den rothaarigen ruckartig mein Schwert ins Bein.

Valerius schrie auf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und sein Kopf versuchte sich langsam zu mir zu drehen. Ich holte schwer atmend mein Schwert hinaus und stieß noch einmal in seinen Rücken hinein.
Meine Beine gaben langsam nach und mein Griff um mein schweres Schwert nahm langsam an Kraft ab. Doch Valerius wollte nicht von uns gehen.

Mit einer schnellen Handbewegung, drehte er sich von der Wand weg, stieß mich mit seinem Arm zu Boden und sah mich aus grünen wütenden Augen an. Schnell zog er sich das Schwert aus dem Rücken raus und warf es vor mich achtlos zu Boden.
Er schrie vor Wut auf.

Rache und Schmerz lag in seinem Schrei und er bewegte sich breitbeinig langsam auf mich zu. Durch den Aufprall auf den steinigen Boden wirbelte nun Staub um mich herum und ließ mich schlecht sehen.

Meine Beine waren überfüllt mit Schürfwunden und aus meiner Rüstung tropfte Blut auf den Boden. Valerius war inzwischen bei mir angekommen.

Hoffnungslos versuchte ich mich mit meinen Beinen zu wehren. Trat und schrie mir die Seele aus dem Leib, doch der Kämpfer hob mich mit Leichtigkeit am Hals nach oben.
Meine Füße schwebten in der Luft herum und die Luft wurde mir durch seinen starken Griff abgeschnitten.

Mein Hals war gerötet und meine Haut nahm einen seltsamen Ton an. Von Sekunde zu Sekunde merkte ich, dass ich dem Tod immer näher war.
Panisch blickte ich zu meinem Gürtel hinab.

Da blitzte plötzlich etwas auf, durch meinen schleierhaften Blick konnte ich zwar schlecht sehen, doch erkannte ich etwas Rotes. Hoffnung machte sich in mir breit. Ich müsste es nur schaffen, an ihn ran zu kommen.

Immer wieder schnappte ich nach Luft, hustete und würgte, mit dem Ziel besser an meinen Gürtel zu kommen. Meine Finger streckten sich zu meinem Dolch. Unter großer Anstrengung erreichten die Fingerspitzen die kühle Klinge.

Als ich den Dolch endlich fester im Griff hatte, riss ich ihn aus seiner Absicherung. Meine Sicht war nun schon größtenteils verschwommen, Kopfschmerzen plagten mich und ich spürte keine Luft in meinen Lungen.

Mit zitternden, kraftlosen Händen stieß ich zu. Schnell landete die Waffe in seiner Schulter. Ein kleiner, schwacher Schrei entwich seiner Kehle. Sein Griff um meinen Hals ließ nach und schlapp fiel ich auf den Boden.

Valerius stolperte zurück und landete auf dem Rücken, regungslos blieb er am Boden liegen. Ein paar mal holte ich keuchend nach Luft, rieß mir den Brustharnisch vom Leib und rieb mir meinen pochenden Kehlkopf.

Plötzlich erschrak ich, ein kleines Stöhnen war zu hören. Ruckartig drehte ich mich zu Valerius. Seine Brust hob und senkte sich und langsam versuchte er sich aufzurichten.

Ich schrie vor Wut auf und krabbelte auf ihn zu. Mit meinem Bein beförderte ich seinen Oberkörper wieder zu Boden. Jedoch lehnte ich mich über ihn und riss meinen Dolch aus seinem Hals.
Schnell löste ich den Harnisch von seiner Brust.

Nun bohrte ich ihm schreiend immer wieder ins Herz. Immer wieder stieß ich zu, mit meiner blutunterlaufenen Waffe befand ich mich in einem Rausch.
Das Jubeln des Publikums blendete ich wie von alleine aus, die Glückwünsche des Königs waren für mich nur ein schwaches Murmeln.

Ich sah nur noch den toten Körper des Valerius vor mir. Wie er zitterte und plötzlich bleich wurde.
Nach einigen Sekunde, in denen ich noch immer in seinen Oberkörper stach, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Eine ruhige, entspannende und behutsame Stimme. Die Stimme Lamia's, die Stimme meiner Mutter.

"Liebling, es reicht. Du hast deine Aufgabe erledigt.", immer wieder wiederholten sich ihre Worte in meinem Gedächtnis. Erschöpft und erschrocken hörte ich plötzlich auf.
Ich lehnte mich verwirrt an die kalte Wand hinter mich und steckte meinen Dolch ein. Eine kleine, warme Träne rollte meine Wange hinunter. Langsam blickte ich nach oben zum Balkon, mit freundlichem Gesichtsausdruck schaute der König auf mich hinab.

"Ariana hat gewonnen.", doch lächeln konnte ich bei dieser Aussage nicht. Ich hatte mich gerade eben in einer anderen Welt befunden. Ich war nicht ich selbst gewesen, oder?

Mein Blick huschte auf Herakles, seine Augen strahlten Verwunderung aus. Einen kurzen Augenblick schaute auch er mir in die Augen. Er runzelte die Stirn und zog fragend eine Augenbraue nach oben.

Schnell wandte ich mich ab und stand auf. Etwas wackelig auf den Beinen ging ich langsam auf das Palasttor zu. Ohne dass ich es bemerkte, füllten sich meine Augen mit weiteren Tränen.

Der Tod des Petros hatte meine Denkweise verändert. Er war ein Vater gewesen, ein Ehemann, ein Sohn für seine Eltern, doch nun war er weg und würde nicht wieder zurückkehren.

Ich würde nie die Leiche des Valerius unter mir vergessen. Nie würde ich vergessen, dass ich Eltern ihren Sohn weggenommen hatte. Niemals würde ich das vergessen.

Die Verlorene Tochter Des Himmels [In Überarbeitung] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt