Teil 10

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Lamia:

Ich hatte es geschafft. Geschafft meinen ewigen Albtraum vom gefangen sein zu entkommen. Geschafft, aus meinem Gefängnis zu gelangen.

Vorsichtig und darauf bedacht keinen falschen Schritt zu machen sah ich in den Abgrund. 9 Jahre war ich in dieser ewigen Finsternis gewesen. Das schwache Licht, was die Unterwelt beleuchtete, tat meinen Augen weh. Ich rieb mir sie und streckte mich ausgiebig.

Meine Hände schmerzten und meine Füße brannten. Meine Kleidung war gerissen und meine Haare standen in alle Richtungen ab. Bedacht mir nicht mehr wehzutun, fuhr ich mir durch meine Haare.

Nach einiger Zeit, in der ich am Boden vor der Grube saß, stand ich schließlich auf. Noch immer etwas erschöpft von meinem Meter langen Klettergang huschte ich durch die Unterwelt.

Dämonen, Monster und Sünder liefen an mir vorbei. Darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden, versteckte ich mich bei jedem Geräusch. Qualvolle Laute und Schreie waren aus jeder Richtung zu hören. Ich sah Dinge, die keiner sehen sollte. Dinge, die man der Menschheit nicht zeigte, nicht zeigen sollte.

Leise machte ich mich weiter auf den Weg, es musste einen Ausgang geben. Einen Ausgang, den ich erreichen würde.

Zeus:

Wie jeden Tag der langen 9 Jahre, flog ich in meiner Adlergestalt über den glitzernden Fluss Styx. Der Wind pfiff und die Wälder erstreckten sich unter mir. Doch meine Aufmerksamkeit zog etwas anderes auf sich. Die Unterwelt.

Mit meinem Flügel, die weit ausgebreitet waren und meinen Kopf, den ich erhoben hielt, landete ich mit Leichtigkeit am Eingang der Unterwelt.

Elegant und schwungvoll wurde ich beim Aufkommen wieder zum Gott und drehte mich glücklich um mich selber. Doch mein Grinsen verschwand, als ich Schreie hörte. Schreie unzähliger Monster.
Langsam bewegte ich mich auf die Granit-Tür zu, die durch Dornenranken im Grünen versteckt war.

Ein paar mal klopfte ich gegen sie. Ein kleiner Dämon sah mich Hass erfüllt an. "Wie immer?", fragte er dann in piepsiger Stimme. "Ja.", gab ich nur trocken von mir. Er nickte mir kurz zu und dackelte dann vor mir zur Grube hin.

Als wir ankamen, signalisierte ich den Dämon, dass er verschwinden sollte. Zickig streckte er mir die Zunge raus, rannte bei meinem bösen Blick jedoch schnell weg.
Leise und ohne einen einzigen Laut von mir zu geben, setzte ich mich an die Kante.

Meine Füße baumelten in der Grube herum und ich sah einfach nur ins Schwarze hinab.
Doch weder hörte ich was, noch spürte ich ihre Anwesenheit. Ich beschloss mich unsichtbar zu zaubern und selbst unter nachzugucken.

Als ich nur noch ein unsichtbares Etwas war, sprang ich in die Grube und landete breitbeinig.
Es war dunkel, feucht und stickig. Ich nahm mir eine Fackel, die an der Wand hing und zündete sie mit meinem Atem an. Sofort erhellte sich der Steingraben. Ich brauchte nicht lange, um zu bemerken, dass Lamia nicht da war.

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Wie konnte das sein? Wie war sie bloß hier herausgekommen? Wütend warf ich die Fackel nach unten, beim Kontakt mit dem nassen Boden erlosch die Flamme.

Mit einem Schrei sprang ich nach oben und kam keine Sekunde später oben an der Kante an. Wo war Lamia? Ich rief nach meinem Bruder. Mein Ruf wurde sofort erhört. Mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck kam er vom Weiten auf mich zu.

"Brüderchen, ich weiß das du nach Lamia gucken gekommen bist. -", er stockte. Dann nahm er tief Luft. Seine Augen färbten sich rot und kleine Flammen waren in seiner Pupillen zu erkennen. Um ihn herum sah man seine schwarze Aura und seine Dämonen hinter ihm.

"Aber dafür musst du nicht die gesamte Unterwelt zusammen schreien!", meckerte er laut und beruhigte sich dann jedoch wieder. Abwartend blickte er mich an. "Erklärung?", er biss die Zähne zusammen und sah mich Hass erfüllt an.

"Lamia ist verschwunden", erwiderte auch ich laut. Sofort wurde Hades Gesichtsausdruck verwirrt. "Wie konnte das sein?", fragte mein Bruder eher sich selbst.
"Weiß nicht, sag du es mir. Was hattest du noch mal gesagt? Die Unterwelt ist der sicherste Ort, nicht wahr? Wie es aussieht wohl doch nicht!", lachte ich sarkastisch auf und blickte ihn böse an.

"Sie kann noch nicht weit sein...", murmelte Hades und flüsterte einem seiner Dämonen etwas zu."Wir werden sie finden. Sie muss noch hier unten sein. Den Ausgang hat bis jetzt noch keiner gefunden.", fügte er hinzu.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. "Noch keiner gefunden? Du sagtest niemand würde je aus der Grube...-", er unterbrach mich ruckartig und ich erkannte Schuld in seinen schwarzen Augen.

"Wenn sie ihn gefunden hätte, wüsste ich Bescheid.", erklärte er mir und befahl mit einem Handzeichen auch den anderen Dämonen Lamia zu finden.

Verärgert blickte ich zur Grube. Nur meinetwegen lebte sie noch. "Ich hätte sie umbringen sollen...", murmelte ich, doch war nicht mal ich überzeugt von meiner eigenen Aussage.

"Nein. Das hättest du nicht tun sollen.", fragend sah ich Hades an. "Hättest du sie umgebracht, wärst du innerlich zerstört. Du solltest die Entscheidung nicht, wegen dessen treffen, was die anderen Götter behaupten über Lamia zu wissen.
Du kennst sie von einer ganz anderen Seite, mach dein Ding Zeus.", sein Mundwinkel zuckte bei dieser Aussage ein wenig.

"So wie du etwa?", lachte ich. "Ja, genau so! Und sie mal einer an, ich bin glücklich.", lachte nun auch Hades. Mein Gesichtsausdruck verhärtete sich jedoch wieder, als ich sah wie ein Dämon hinter einen Felsen schaute.

"Nun denn, schicke mir eine Nachricht, wenn du sie gefunden hast.", dann sah ich mich noch einmal um und sah in das enttäuschte Gesicht Hades. "Ja, mache ich." Ich nickte noch den Dämonen zu und machte mich auf den Weg zum Ausgang.

Vor einer Steinwand blieb ich stehen, langsam strich ich über sie und murmelte altgriechische Wörter vor mich hin. Langsam erschien eine Türklinke an der Wand. Mit ganzer Kraft zog ich die Wand zu mir.

Vor mir war Land. Mit einem unzufrieden Gesichtsausdruck trat ich nach draußen. Die Wand schloss sich von alleine hinter mir und ich verwandelte mich bei ihrem letzten Geräusch in einen Adler.

Ich atmete tief ein und aus. Hades würde sie finden. Sie würde wieder in der Grube landen und alle wären glücklich. Nein, das stimmte nicht ganz, die anderen wären glücklich.
Traurig breitete ich die Flügel aus und machte mich auf den Weg zum Olymp. Dort würde ich nun gebraucht werden.

Die Verlorene Tochter Des Himmels [In Überarbeitung] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt