Kapitel 21

2.1K 96 10
                                    

Aurora

Langsam komme ich wieder zu Bewusstsein. Gott, was habe ich gestern alles gemacht, dass ich so einen Brumm-Kopf habe? Langsam setzte ich mich auf und schaue mich um. Ich fühle mich wie bei einem Déjà-vu. Ich sitze mal wieder auf dem Bett in Nathans Zimmer. Warum bringt er mich immer hier her, wenn ich das Bewusstsein verliere? Er hätte mich doch auch in das Gästezimmer bringen können, schließlich habe ich da meine Sachen.

Ich will gerade aufstehen, als mir ein zusammen gefalteter Zettel mit meinem Namen ins Auge springt. Neugierig nehme ich ihn, klappe ihn auseinander und beginne zu lesen.

Aurora,

ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, da ich es eigentlich lieber persönlich mit dir besprochen hätte, aber das geht nicht, da ich helfen muss.

Du hast bestimmt nach gestern Fragen, ich versuche sie dir hier zu beantworten, damit du nicht auf heißen Kohlen sitzen muss, bis ich wieder Zeit habe, um sie dir selber zu beantworten.

Nach gestern kann ich wohl kaum mein Wesen verheimlichen. Ja, du hast gestern richtig gesehen, ich kann mich in einen Wolf verwandeln. Wir sind Gestaltwandler mit der Gestalt des Wolf. Du kennst es wohl eher unter dem Begriff Werwolf.

Hier machte ich eine Pause, da mir nun der gestrige Tag wieder einfällt. Ach du scheiße. Da war der eine Wolf, der mich gejagt hatte und dann kam der schwarz-weiße Wolf und hat ihn getötet, bevor er sich in Nathan verwandelt hat. Ich merke, wie mein Atem wieder schneller geht. Also setzte ich mich im Schneidersitz auf das Bett und schaue heraus. Dabei kontrolliere ich meine Atmung, sodass sie wieder ruhiger wird und ich mich beruhige. Okay, vielleicht sollte ich den Brief einfach weiter lesen. So viel schlimmeres als ‚Hey, ich bin ein Werwolf' kann da wohl nicht drinnen stehen.

Die Gemeinschaft von der ich immer gesprochen habe, ist in Wirklichkeit ein Rudel aus Wolf-Wandlern. Da ich der Alpha, also Anführer der Gruppe bin, muss ich mich um vieles kümmern. Callum ist mein Beta, also meine rechte Hand. Er hilft mir wo er nur kann. Und dann gibt es noch Theo, er ist mein Delta und kümmert sich um die Wachen und Patrouillen. Eine weitere wichtige Person im Rudel ist die Luna. Sie ist die Mate des Alphas. Jetzt kommen wir zu dem für dich wohl wichtigsten Punkt, Mate. Jeder Gestaltwandler hat eine oder einen Mate. Mate ist die Abkürzung für Soulmate. Nun, wie soll ich das jetzt am besten schreiben, aber DU bist meine Mate. Du bist meine Luna und wirst zusammen mit mir das Rudel leiten. Die Luna ist eine sehr wichtige Position für das Rudel, da sie sozusagen die Mutter des Rudels ist. Sie hält alle zusammen. Dir mag es vielleicht nicht aufgefallen sein, aber seit du bei mir bist, wurde das Rudel ruhiger, trotz ein paar Problem mit Rouges. (Rouges sind verstoßene Wölfe, die meistens wegen Verbrechen bestraft werden. Sie verlieren mit der Zeit ihre Menschlichkeit und werden dann zu echten Monstern.) Und weil du eine so wichtige Rolle in meinem Leben und das des Rudels spielst kannst du nicht mehr weg. Das Rudel würde ohne Luna langsam aber sicher zerbrechen.

Ich würde zerbrechen.

Darum bitte ich dich, bleibe bei mir und führe an meiner Seite das Rudel mit mir.

Nathan

Okay, es kann noch schlimmer gehen. Ich soll die Luna sein? Da muss irgendwas schief gelaufen sein. Wie soll ich mit meinen Ängsten ein Rudel leiten? Nehme ich mal an, ich glaube all das, was in diesem Brief steht. Seit Jahren kann ich nie länger als eine Woche an einem Ort sein. Wie denkt er, soll das funktionieren? Ich.. Ich kann das nicht. Ich muss hier weg.

Sofort springe ich auf und gehe auf die Tür zu. Ich greife nach der Türklinke und drücke sie herunter. Doch nichts passiert. Ich wiederhole es, doch wieder passiert nichts. Nun rüttle ich an der Tür, in der Hoffnung, dass sie einfach klemmt. Nein, Nein, Nein, Nein, Nein, dass darf nicht sein. Er darf mich hier nicht einsperren. Das geht nicht, ich...

Panisch blicke ich mich um und sehe das Fenster. Mehr stolpernd als gehen, haste ich zu diesem und will es öffnen. Doch es lässt sich nur kippen. Bilder von früher tauchen vor meinem Auge auf. Panisch fahre ich durch meine Haare und versuche zu überlegen, wie ich hier heraus komme. Doch als wäre mein Gehirn in den Überlebens-Modus gewechselt seit ich bemerkt habe, dass die Tür zu ist, kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Meine Atmung ist auch schon wieder unregelmäßig. Meine Augen wandern von einer Seite des Zimmers zur anderen, ohne wirklich irgendwas zu registrieren. Ich drehe mich im Kreis, um irgendeinen Ausweg zu finden. Bei der Badezimmertür bleibt mein Blick schließlich hängen. Schnell reiße ich die Tür auf und haste zu dem Fenster. Doch auch dieses lässt sich nur kippen. Ein frustrierter und verzweifelter Schrei entweicht mir. Ich lasse mich an der Wand herabrutschen und ziehe meine Beine an.

Ich versuche mich zu beruhigen, wie ich es früher immer gemacht habe. Nicht dran denken, dass man eingesperrt ist. Okay, okay, ich schaffe das. Was haben wir hier. Eine Dusche, eine Badewanne, Waschbecken und Schränke. Nichts beson... Schränke! Ich krabble auf allen vieren zu dem Schrank unter dem Waschbecken. Vielleicht ist irgendwas hier drin, was ich benutzen kann, um die Tür zu öffnen. Doch in dem unteren Schrank sind nur Handtücher, Binden und Tampons in verschiedenen Größen. Na immerhin dafür brauche ich mir keine Sorgen zu machen.

Am Waschbecken ziehe ich mich hoch und durchsuche die anderen Schränke. Der rechte Schrank ist leer. Komplett leer. Wie schafft man es, einen komplett leeren Schrank im Badezimmer zu haben? Schnell schließe ich die Tür und begebe mich zu dem linken Schrank. Das ist eindeutig Nathans Schrank. Hier ist alles mögliche zu finden: Zahnbürste, Kamm, Bürste, Rasierer und unbeschriftete Sprühflaschen. Neugierig nehme ich eine heraus, bei der ich gesagt hätte, dass es ein Parfüm ist. Aber als ich es gesprüht habe, konnte ich nichts riechen. Warum hat man sowas?

(Triggerwarnung für die nächsten Absätze)

Beim zurückstellen fällt ein Etui heraus und ins Waschbecken. Ich nehme es und öffne es. Aha, das Nageletui. Mein Blick bleibt wie hypnotisiert an der Schere hängen. Meine Gedanken scheinen Achterbahn zu fahren, so schnell sind sie. Damit könnte ich alles beenden. Kein Drang immer weiter zu ziehen. Keine Ängste. Kein Zwang hier zu bleiben. Endlich wäre ich frei.

Aber auch nie die Liebe kennengelernt, wie sie meine Eltern hatten. Und keine Polarlichter gesehen. Die würde ich schon gerne noch sehen, bevor ich sterbe. Schnell nehme ich mir also die Nagelpfeile und stelle das Etui zurück. Dann gehe ich zur Zimmertür und versuche mit der Pfeile die Tür aufzuschließen. Eins kann ich euch sagen, das klappt mit einer Nagelpfeile nicht oder ich bin zu blöd. Schließlich bin ich kein Einbrecher und habe gelernt Türen ohne Schlüssel aufzuschließen.

Also gehe ich wieder ins Badezimmer und lege die Nagelpfeile wieder an ihren Ort. Dabei streift mein Blick wieder die Schere. Meine Fingerspitzen streifen über sie. Ruckartig ziehe ich sie zurück und lege das Etui zur Seite. Vielleicht war das hier alles auch nur ein großes Missverständnis und er wollte mich gar nicht hier einsperren. Ja genau, es war einfach nur ein Missverständnis. Ich muss nur warten, bis Nathan kommt und er lässt mich gehen. Mit dem Gedanken gehe ich wieder ins Zimmer zurück und setzte mich in eine Ecke des Zimmers. Aus dieser habe ich es komplett im Blickfeld. So versuche ich mich wieder zu beruhigen. Dabei habe ich mich, ohne es zu merken, so klein wie möglich gemacht.


(Okay, es kommt doch noch dieses Kapitel heute. Ich bin viel zu aufgeregt, was ihr zu diesem und dem nächsten sagen werdet.)

Strahle mein PolarlichtTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon