Kapitel 31

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Aurora

Mein Lächeln, welches die letzten 25 Stunden immer da war, verblasst langsam, als ich merke, dass ich absolut keine Ahnung habe. So langsam bin ich echt übermüdet. Ich habe nur einmal eine Pause gemacht. Um irgendeinen Anhaltspunkt zu haben, bin ich Richtung Yellowknife gefahren. Schließlich ist er auch mit dem Bus von seinem Haus aus, da hin gefahren. Ich war zwar jetzt auf der Straße, die wir hauptsächlich genommen hatten, aber die Abzweigung finde ich nicht, die zu seinem Haus führt. Man würde meinen, in einem dünn bewohnten Gebiet findet man die Straßen, da es nur die gibt. Aber Pustekuchen. Da es auch in der Nacht nochmal leichten Neuschnee gab, kann ich nicht sagen, wo geräumt ist oder nicht, da einfach keine Spuren zu sehen sind. Frustriert ließ ich meinen Kopf aufs Lenkrad fallen und ließ auch einen kleinen Frustschrei freiem Lauf. Das tut gut, sollte ich öfters machen.

Plötzlich klopfte es an meiner Fensterscheibe. Erschrocken schrie ich auf und schaute raus. Dort sah ich einen grimmig blickenden Theo stehen. Erfreut ein bekanntes Gesicht zu sehen, kurbelte ich das Fenster herunter. „Was willst du hier?" brummt er. Leicht eingeschüchtert antworte ich „Ich wollte zu Nathan, finde den Weg aber nicht." Prüfend schaut er mich an. „Willst du bleiben?" fragt er barsch. „Ich will es immerhin versuchen." Wieder schaut er mir tief in die Augen, bevor er nickt und sagt „Rutsch rüber." Verwirrt folge ich seiner Anweisung. Er öffnet die Tür, macht das Fenster zu und quetscht sich wortwörtlich hinter das Lenkrad. Er kommt sogar oben an das Dach heran. Das sieht so blöd aus, dass ich mir das Lachen richtig verkneifen muss. Um mich abzulenken schaue ich aus dem Fenster. Den Weg, den Theo nimmt, hätte ich selber nie und nimmer genommen. Gut, dass er mich gefunden hat.

Wir nähern uns immer mehr dem Haus von Nathan. Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz herum. Oh man, was soll ich bloß sagen? Theo stoppt den Bus und steigt aus. Nervös steige auch ich aus. Theo kommt zu mir und sagt „Er hat sich seit Weihnachten da drinnen verbarrikadiert. Er lässt keinen rein und kommt nicht raus. Ich werde hier warten, bis du drinnen bist." Dankbar nicke ich ihm zu, ehe ich zur Tür gehe und klingel. Als immer noch nichts zu hören ist, von drinnen, klingel ich nochmal und rufe Nathan. Doch immer noch bleibt alles ruhig. Unsicher drehe ich mich zu Theo um. „Und du bist dir sicher, dass er da drinnen ist?" „Ja, ich kann meinen Alpha drinnen spüren." Na toll. Was soll ich jetzt machen, wenn er die Tür nicht öffnet. „Hat er keinen Ersatzschlüssel hier deponiert?" „Doch, aber als Callum mit diesem zu ihm rein gegangen ist, hat Nathan ihm diesen abgenommen und Callum hinausgeworfen." Ich überlege weiter. Wie bekommt man die Aufmerksamkeit eines sturen Wolfes?

Wenn er nicht raus kommt, müssen wir eben rein. „Du kannst auch nicht zufällig die Tür eintreten oder?" Theo grinst mich an. „Die ist Wolfssicher, so wie eigentlich alles, da er das Haus sicher für seine Luna haben wollte." „Auch die Fenster?" Theo schaut mich kurz überrascht an und zuckt mit den Schultern. Das reicht mir schon als Antwort. Schnell umrunde ich das Haus und komme vor der Terrassentür zum stehen. Ich schaue es mir genauer an. Fragt mich nicht woher, aber ich weiß, dass unbrechbares Glas eine extra Signatur hat. Doch diese finde ich nicht bei der Glasscheibe. Also ist es einfach dickeres Glas, aber es ist möglich. Schnell suche ich nach einem spitzen Stein. Sobald ich den gefunden habe, will ich schon ausholen, als Theo mich aufhält. Ich will gerade protestieren, als er sagt „Gib mir den Stein, nicht dass du dich verletzt." Dankbar, dass ich das nicht machen muss, übergebe ich ihm den Stein und trete ein paar Schritte zurück.

Beim ersten Schlag, bekommt das Glas Risse, beim zweiten mal bekommt es das typische Muster und dann beim dritten Mal zerspringt es. Anerkennend will ich Theo auf die Schultern klopfen, als ich auf den Scherben im Schnee ins Rutschen komme. Reflexartig greife ich nach dem Fensterrahmen, wodurch ich mein Gleichgewicht wieder finde. Nur leider habe ich nicht nachgedacht und ziehe langsam meine Hand aus der Scherbe, die natürlich noch im Fensterrahmen steckte. „Aua" „Ernsthaft? Ich schlage für dich das Fenster ein, damit du dich nicht verletzt und dann das?" fragt Theo. Ich will ihm gerade antworten, als Gerumpel von oben zu hören ist. Keine Sekunde später steht Nathan vor mir und hält meine verletzte Hand in seinen Händen. Er dreht und wendet sie, während er flüstert „Nur eine Fleischwunde, nicht durchgegangen und nichts verletzt." Währenddessen spricht Theo „War klar, dass das ihn holt. Hätte ich auch früher darauf kommen können." Knurrend lässt Nathan meine Hand fallen und wendet sich Theo zu, welcher erschrocken zusammen zuckt. Nathan greift nach seinem Hals und hält ihn an der Wand gepresst hoch. „Wage es nie wieder meine Mate und deine Luna zu verletzten. Und warum zum Teufel schlägst du mein Fenster ein?" Röchelnd versucht Theo zu sprechen „Ar.. Arjun... ich.." Wer ist Arjun? Egal, schnell sprach ich „Naja, eigentlich wollte ich ja die Scheibe.." weiter kam ich nicht, da ich in eine starke Umarmung gezogen wurde. Leise höre ich Nathan „Mate, meine Mate" flüstern oder eher schon fast schnurren.

Eigentlich würde ich die Umarmung ja genießen, aber sie war viel zu fest, wodurch ich keine Luft bekomme. Hilfesuchend blicke ich zu Theo, der auf dem Boden sitzt und sich seinen Hals massiert. „Arjun, du musst locker lassen." Ein warnendes Knurren kommt von Nathan. Mit erhobenen Händen steht Theo nun vor ihm. „Ich will sie dir nicht wegnehmen, aber sie bekommt keine Luft." Fast sofort werde ich losgelassen, wodurch ich auf dem Boden aufkomme. Nach Luft schnappend richte ich mich wieder auf. Zum Glück sind wir inzwischen so weit im Wohnbereich, dass hier keine Scherben mehr liegen. Nathan hockt sich zu mir und streichelt mir über den Rücken. Als ich aufschaue, zucke ich erschrocken zusammen. Die Augen von Nathan sind so viel dunkler, als ich sie in Erinnerung habe. „Entschuldige bitte. Ich bin Arjun, der innere Wolf von Nathan. Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Aber hätte ich nicht die Kontrolle jetzt an mich gerissen, würde Nathan immer noch oben in seinem Bett liegen und denken dass er dich sich einbildet. Ehrlich gesagt kann er es immer noch nicht glauben, dass du vor uns stehst." Von den Informationen etwas überfordert nicke ich nur. Sanft streichelt Nathan oder Arjun mir über die Wange. „Wir haben einiges zu klären und dafür hätte ich gerne Nathan wieder." bitte ich ihn vorsichtig. Er grinst „Das kann ich mir vorstellen. Versprich mir aber, dass ich dich wieder sehen darf." Ich nicke und Nathan/Arjun schließt seine Augen. Als er sie wieder öffnet sind es wieder die gewohnten Augen von Nathan. Er legt beide Hände an meine Wangen und flüstert mit den Tränen in den Augen „Du bist wirklich wieder da." Dann küsst er mich ganz vorsichtig. Seine Küsse sind einfach unglaublich. Ich vergesse dann all meine Probleme und bin einfach im Hier und Jetzt.

Dummerweise unterbricht mein Gähnen unseren Kuss. „Du bist müde." stellt Nathan fest. „Ich bin ja auch fast die ganze Zeit durchgefahren." Nun schaue ich mir Nathan mal genauer an. Er hat tiefe Ringe unter seinen Augen. Zudem scheint es, als habe er schon lange keine Dusche mehr von innen gesehen. Auch seine Kleidung scheint älter zu sein. Langsam stehe ich auf und ziehe Nathan mit mir. „Komm, wir sind beide in keiner guten Verfassung." Er nickt und folgt mir, bleibt aber plötzlich stehen und dreht sich um. „Danke Theo. Könntest du bitte jemanden schicken, der das Fenster sporadisch abdeckt?" Breit lächelnd antwortet Theo „Habe ich gerne gemacht und ja mache ich." Dann ist er auch schon verschwunden.

Gemeinsam gehen wir zuerst ins Badezimmer, wo er meine Hand verbindet, ehe wir in Nathans Zimmer gehen. Als ich dieses sehe, bleibe ich erschrocken stehen. Dieses Zimmer ist der reinste Saustall. Wie kann er dass innerhalb von zwei Wochen schaffen? Unwohl kratzt Nathan sich im Nacken. Bevor er es aber erklären kann, ergreife ich das Wort „Du gehst dich duschen und ich räume auf." Er will protestieren, aber ich blicke ihn nur scharf an und er verschwindet wortlos im Badezimmer.

Zum Glück ist schnell aufgeräumt, was mich bei dem Saustall schon etwas gewundert hat. Aber als Nathan frisch geduscht und rasiert aus dem Bad kommt, werfe ich auch seine letzten Klamotten in den Wäschekorb. Gemeinsam legen wir uns ins frisch bezogene Bett. Wir liegen beide auf der Seite, einander zugewandt und reden über die Zukunft.

Wir haben den Kompromiss gemacht, dass ich Bescheid geben soll, wenn mich wieder der Drang nach Freiheit befällt. Nathan würde dann mit mir kommen und wir könnten benachbarte Rudel besuchen oder auch neue Freundschaften knüpfen. Denn als ich ihm von Aria erzählt habe, hat er darauf bestanden, zu deren Rudel zu fahren und sich zu bedanken.

Nach unserem sehr intensiven Gespräch zog mich Nathan zu sich, sodass ich halb auf ihm lag. Zufrieden legte ich meinen Kopf ab und lauschte seinem Herzschlag. Nathan strich mir beruhigend über den Kopf und gab mir einen Kuss. „Ich würde für dich alles tun." Plötzlich kam mir eine Idee und ich fragte nach „Wirklich alles?" „Alles" brummte er. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen. „Das wird lustig."

Strahle mein PolarlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt