6. Kapitel

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„We're arriving London Heathrow in a few minutes", dröhnte die Stimme einer Stewardess durch das Flugzeug.

Als sie in den Landeflug gingen, zog sich Romys Magen zusammen. Gleich war es so weit. Sie würde Eunice, Erik und Thea sehen. Mit Thea hatte sie in den letzten Tagen viel telefoniert und sie freute sich richtig, sie zu sehen. Zum Glück hatte ihr Vater kein großes Theater gemacht. Er hatte kurz gezögert, aber als Romy ihm das bezahlte Flugticket gezeigt hatte, hatte er schließlich nachgegeben. Es war ihm wahrscheinlich eh egal, was mit ihr passierte, hatte Romy gedacht und dabei eine beunruhigende Gleichgültigkeit empfunden.

Auch die Schule hatte keine Probleme bereitet und Romy war in den letzten Tagen seit langem mal wieder enthusiastisch und motiviert gewesen. Um aufgeregt zu sein war keine Zeit gewesen. Das hatte sie aber jetzt im Flugzeug nachholen können und ihr Herz klopfte bis zum Hals.

Keine halbe Stunde später jedoch lag sie dann in den Armen von Tante Eunice, die sie mit einem lang gezogenen „Rooomy, Daaaaaarling!" begrüßte. Ein kleines bisschen ihrer Aufregung legte sich.


~


An diesem Abend sogar konnte Romy wieder lächeln. Als sie auf einer Matratze in Theas Zimmer lag und Thea leise angefangen hatte zu schnarchen, stahl sich ein kleines Lächeln auf Romys Lippen.

Kelly hatte sich wirklich gut mit Erik verstanden und die beiden hatten noch sehr lange über Eliza geredet. Und sie hatte Thea gehabt. Natürlich war es nicht wie mit Emilia gewesen, aber sie hatte wieder jemanden zum reden und lachen. Thea hatte sie, obwohl Romy einfach so in ihr Leben geplatzt war, einfach so akzeptiert und Romy war ihr sehr dankbar.

Es kam ihr vor als würde sie nach Ewigkeiten von haltlosem im Wasser treiben endlich wieder Land unter den Füßen spüren. Noch war es Treibsand. Noch konnte sie nicht darauf stehen, aber es war ein Hoffnungsschimmer in ihrer ganz persönlichen Dunkelheit und es fühlte sich gut an.


~


„Hier muss es sein", sagte Kelly. Sie standen vor einem riesigen Glasgebäude, das laut ihrer Wegbeschreibung das Olympiazentrum sein musste. Auf ihrem Weg waren sie auch an dem riesigen ovalförmigen nach oben offenen Stadion vorbei gekommen und Romys Herz hatte begonnen, schneller zu schlagen.

Sie öffneten die große Glastür und traten ein. An einem Schalter auf der gegenüberliegenden Seite des Raums saß eine Frau mit einer viereckigen Brille.

„Your names, please", fragte sie nachdem sie sich begrüßt hatten.

„We're Kelly Moos and Romy Lindner", antwortete Kelly. Die Frau tippte eine Weile in ihrem Computer. „Oh well", sagte sie schließlich „You're doing gymnastics, don't you? Welcome to Olympia!".

Aus einer Tür kam ein Mann auf sie zu. „This is Mister Vladislav Berger. He's going to show you all you should know."

„Hallo", sagte der Mann „Ich bin der Moderator für Deutschland. Auch von mir ein herzliches Willkommen. Folgt mir bitte."

Wow, eine persönliche Einweisung, dachte Romy.

„Soweit ich weiß, machst nur du mit, richtig? Ich darf doch du sagen, oder?" Romy konnte nur überwältigt nicken.

Herr Berger führte die beiden durch das ganze Olympiazentrum. Er zeigte ihnen die Schwimmhallen, Trainingshallen, Umkleiden, Duschen, Aufenthaltsräume und die große Halle, in der Romy ihre Wettkämpfe haben würde. Zum Schluss sahen sie sich noch das große Stadion an, in dem morgen die Eröffnungsfeier stattfinden würde und danach alle Leichtathletik-Wettkämpfe.

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