3 - [Reue]

326 20 0
                                    

In der hintersten Reihe am Fenster saß sie. Ihr Blick folgte dem Wind, außerhalb dieser vier Wände.

Alle in diesen Raum, hatten sie mit verwirrten blicken gemustert. Es wunderte mich nicht, dass Quinn sich diesen nicht aussetzen wollte.

Man konnte die Verurteilung mit eigen Augen sehen. Die Klasse mochte Quinns Anwesenheit nicht, und das ließen sie sie auch spüren. Lautstarke Lästerein, abwertende Blicke und fiese Kommentare.

Sie hielten nur dann ihre Mäuler, wenn ein Lehrer in den Raum kam, wie Eliza in diesen Moment.

,,Schlagt die Seite 56 auf. Du fängst an mit lesen, Allison" Jeder nahm seine Lektüre vor, nur Quinn nicht. Wahrscheinlich besaß sie das Buch nicht einmal.

Wie denn auch? Niemand hatte ihr gesagt, dass sie es kaufen sollte. Wir beide saßen hinten. Sie am Fenster, ich in der Mitte.

Ich wollte ihr die Blamage ersparen, bevor es jemand bemerken konnte. Ace und Arrow waren neben mir.

Ich gestikulierte zu Ace, dass er mein Buch unauffällig zu Quinn reichen sollte. Widerwillig und mit einem fragenden Ausdruck tat er es auch.

Quinn wandte ihren Blick zum Tisch. Zum ersten Mal heute, konnte ich ihre Augen sehen. Eins war geschwollen und leicht blutunterlaufen gewesen.

Unsere Blicke trafen sich nach wenigen Sekunden. Erschrocken drehte sie sich wieder zum Fenster hin.

Zum ersten Mal in meinem Leben, sah ich die Konsequenzen meiner Taten. Quinn Crowley wurde ohne Zweifel geschlagen.

Doch es hätte niemanden interessiert. Ich lebte in einem Dorf, wo die meisten Bewohner auf den Tod warteten. Es hätte keinen Erwachsenen interessiert, schließlich sind sie alle mit den Werten der Misshandlung aufgewachsen.

Ich konnte nichts tun, selbst wenn ich es gewollt hätte. Was nicht hieß, dass ich ihr nicht helfen wollte, doch es war hoffnungslos.

Ich musste sie weiterhin ansehen. Ich musste jedes noch so kleine Detail mustern. Wurde sie noch woanders geschlagen, hatte sie ältere Wunden, oder war das eine einmalige Sache gewesen?

Elizas Stimme ließ mich für einen kurzen Moment nach forn starren.
,,Du bist dran, Quinn" Meinte sie.

Sie zögerte. Der halbe Inhalt des Raumes starrte sie mittlerweile an. Heiser presste sie die Wörter des Buches hervor.

Heute morgen hatte sie gegen den Wind gesprochen, weshalb ich diesen rauen Unterton erst nicht wahrgenommen hatte.

,,Quinn, Quinn...schone lieber deine Stimme, nicht das sie später komplett weg ist" Witzelte Eliza unlustig herum. Die Klasse lachte auch nur für ein paar Sympathiepunkte mit, schließlich wollten alle eine bessere Mündlichenote ergattern.

Beschämt blickte Quinn wieder aus dem Fenster.

Zwanghaft stoppte ich mein starren, als mein Name aufgerufen wurde.
,,Aspen, Seite 67 bitte" Sie sprach definitiv in einem sanfteren Ton mit mir.

Ich zog Arrows Buch näher zu mir. Widerwillig begann ich zu lesen. Wie die dummen kleinen Wörter, doch so gut zu dieser Situation passten, war wirklich lustig gewesen.

Vielleicht hätte ich zuhören sollen, als die anderen lasen, dann hätte ich vielleicht den Kontext dieses Abschnittes verstanden.

Meine Tortur des vorlesens, würde dank der Klinge zum Ende gebracht. Ich packte erleichtert meine Sachen in die Tasche, doch die Jungs schmissen lieber alles herein.

Sie rannten beide so schnell es ging aus dem Raum. Beide wollten ohne Zweifel wieder auf ihren alten Platz sitzen.

Ich schulterte mir meinen Rucksack und stand auf. Quinn kam mir hinterher gelaufen. Ich vermutete zuerst, dass sie wieder zu dem Platz wollte. Mir kam es gar nicht in den Sinn, dass sie mir mein Buch wiedergeben wollte.

Mit gesenkten Kopf stand sie im Flur vor mir. Die Ärmel ihres Pullovers rutschten dabei hoch. Ich erblickte violette Flecken und vereinzelte Narben.

,,Behalt es. Ich schenk es dir" Erklärte ich. Zögernd drückte sie das Buch an sich heran. Ich wandte ihr mein Rücken zu und lief einfach weg.

Ich wollte nicht noch mehr, meines Rückgrats verlieren. Hätte sie angefangen mich zu interessieren, dann wäre der Abschied von hier, nur schwerer gewesen.

,,Wo warst du so lange, Aspen?" Durchlöcherte Arrow mich sofort.
,,Unwichtig"
,,Es hat was mit Quinn zu tun, nicht wahr?" Ace war nur halb so dumm, wie Arrow gewesen. Und das gab er gerne preis.

Ich schwieg. Sofort leuchteten ihrer Gesichter auf.
,,Wusste ich es doch" Trällerte Ace herum. Ich rollte nur meine Augen.
,,Und?" Entfuhr Es mir.

Ich erwartete, dass die beiden sich wie Sherlock Holmes und Watson benahmen, einfach nur, damit die beiden mir meine Vermutung bestätigen konnten.

Wie zwei Vollidioten, strichen sie mit ihren Finger über ihr Kinn und dachten intensiv nach.

Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete ich die beiden gelangweilt.

,,Und, Geheimniss schon gelöst?" Fragte ich nach einiger Zeit.
,,Nö" War die kurze Antwort, welche Arrow mir entgegnete.

Was hatte ich eigentlich erwartet? Ich wusste, dass die beiden keine Ahnung hatten. Warum hatte ich denn trotzdem so gehofft?

Ich stieß einen gequälten Seufzer aus. Ich schaute mich in der von Lehrern genannten Weltgeschichte um. Jeder auf diesen Hof, hatte eine Rolle.

Die Beliebten waren das Aushängeschild der Schule. Die Streber halfen den beliebten bei diesem Ruf. Die Raucher sollten aus dem Blickfeld der anderen sein. Und die Außenseiter sollten nur kein Ärger anrichten.

Quinn hätte in dieser Hierarchie, wahrscheinlich zu den Außenseitern gehören. Obwohl weder Ace, noch Arrow sie so wirklich wollten. Mir war es allerdings egal, ich wäre sowieso bald weg gewesen.

Allein ihr hätte man einen komplett neuen Rang zuordnen müssen. Ich wollte für sie kein Mitleid empfinde, schließlich tat ich das in den letzten Stunden zu oft.

Ich wünschte mir, dass ich kein Streit mit Eliza angefangen hätte, dann hätte ich Quinns Eltern umgehen können. Dann hätten sich meine dämlichen Gedanken nicht angefangen, um sie zu kreisen.

Vielleicht wollte mich das Universum bestrafen. Als wenn meine Schuldgefühle nicht schon genug waren.

Ich sollte wirklich in Reue versinken.

It's Okay - I'm There For You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt