9 - [Badezimmer]

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Sie atmete jedesmal scharf ein, wenn die desinfizierten Wattestäbschen ihre Wunden berührten.

Sie versuchte es nicht mit anzusehen, und schaute sich deshalb in meinen Zimmer um. Wie ich sie hierzu überreden konnte, war mir ebenfalls schleierhaft.

Doch sie war hier, und sie ließ sich helfen. Es war eine so simple Situation, die zugleich eigentlich ziemlich traurig war.

Ich ließ ihren Arme los. Zögerlich drehte sie ihren Kopf zu mir. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich allerdings auf die Wattepads, welche in Blutigenmassen neben uns lagen.

,,Entschuldigung für die Umstände" Schon wieder sagte sie diesen Satz. Sie wiederholte ihn so oft, seitdem wir hier ankamen.

Ich schwieg diesen Satz tot. Es wollte nicht in meinen Kopf hinein, warum sie sich für so etwas entschuldigte.

Ungeduldig wartete sie auf den nächsten Schritt, die Verbände.
,,Du solltest duschen gehen" Meinte ich monoton. Ich wollte es mir nicht anmerken lassen, doch es fühlte sich an, als würde mir die Decke auf den Kopf fallen.

Ich stand von meinem Bett auf und lief zu meinem Schrank. Ich kramte ein paar Handtücher heraus und begleitete sie zum Badezimmer.

,,Du kannst alles benutzen und solange dort bleiben, wie du möchtest, doch die Tür wird nicht angeschlossen" Sagte ich in einem strengen Tonfall.

So wollte ich eigentlich nicht klingen, doch es kam einfach so heraus. Sie öffnete die Tür, nur um sie wieder ins Schloss fallen zu lassen.

Nervös wartete ich. Ich lief auf und ab, hin und her. Ich hörte das Wasser beim plätschen zu. Es war, als hätte die Zeit aufgehört zu existieren.

Ich nahm nur das Wasser wahr.
,,Quinn...?" Zögerte ich zu fragen. Keine Antwort. Ich war drauf und dran durch diese Tür zu stürmen.
,,Ja?" Sprach sie dann doch.

Erleichtert ließ ich mich an der Tür zu Boden senken. Ich konnte mein eigenes zittern wahrnehmen.
,,Schon gut, vergiss es" Wank ich ab.

Ich war mit dem Rücken an der Tür gelehnt, bis Quinn sie aus dem Schloss riss. Ich lag auf dem Boden und erblickte ein spärlich bekleidetes Mädchen. Nur ein Handtuch war um sie geschlungen.

,,Ich gebe dir etwas zum anziehen" Brabelte ich vor mir her. Ein seltsames Gefühl durchzog mein Körper.

Sie folgte mir zurück in mein Zimmer und ließ sich wieder in mein Bett nieder.

,,Mein Rücken" Murmelte sie. Fragend entfernte ich mich von dem Kleiderschrank, mit einem kleinen Haufen von weitgeschnittender Kleidung.

,,Dein Rücken?" Wiederholte Ich leise. Ich setzte mich hinter ihr. Sie holte ihre nassen Haare nach forn und ließ ihr Handtuch fallen.

Ein angenehmer und zugleich verletztender Schock überkam mich. Ich wandte meinen Blick nicht ab. Meine Hand suchte nach den Verbandskasten.

Ich fühlte gerade soviel. Vertrautes und auch unbekanntes. Ich wollte nicht fragen, trotzdem tat ich es.
,,Wie ist das passiert?" Hakte ich angestrengt nach.
,,Mein Vater" Lachte sie. Ich verstand nicht, warum sie lachte.
,,Wenn er betrunken ist, dann schlägt er mit jedem Gegenstand zu" Wieder lachte sie, doch diesmal klang es verzweifelt.

Vorsichtig säuberte ich die unzähligen "Kratzer". Ich bagann die Stellen zu verbinden. Ich mied jedoch einige Stellen ihres Körpers, welche sie von allein bedeckte.

,,Aspen?" Fragte sie. Ich zwang mich zu ihr zu schauen.
,,Warum ziehst du nach Liverpool?" Fragte sie plötzlich.
,,Weil ich dort besser dran bin" Ich widmete mich wieder ihren Verletzungen.
,,Wie meinst du das?" Ich war fertig und reichte ihr die Kleidung.
,,Eine bessere Bildung in der Schule, mehr Jobmöglichkeiten und andere Menschen" Klärte ich sie auf.

Ich drehte mich zur Wand.
,,Wo kommst du eigentlich her?" Stellte ich ihr eine Gegenfrage.
,,Aus Gracehill" Lachte sie, aber diesmal wirklich glücklich.
,,Warst du gern dort?" Versuchte ich das Gespräch am laufen zu halten.
,,Ich liebte es. Wenn meine Eltern nicht angefangen hätten, Drogen zu nehmen, dann würden wir wahrscheinlich immer noch dort leben"

Ich fühlte mich, wie versteinert. Ich konnte nichts sagen und mich auch nicht bewegen.

Arme schlangen sich um mich. Ihre Stirn lang auf meiner Schulter.
,,Danke, Aspen" Sie löste sich von mir. Ich blieb weiterhin still stehen, bis ich das knallen der Tür vernahm.

Langsam ließ ich mich auf das Bett fallen. Meine Hände bewegten sich zu meinem Gesicht. Mir war nie klar gewesen, wie emotional ich eigentlich bin. Meine Gefühle saßen wirklich in einer Achterbahn.

Ich nahm mein Laptop auf den Schoß. In der kleinen Suchleiste, tippte ich den Namen Gracehill ein.

Es war ebenfalls eine Kleinstadt, welche östlich von Ashville lag. Genaugenommen war Gracehill nur drei Stunden mit der Bahn entfernt gewesen.

Ich begann mir Bilder des Ortes anzusehen. Die Stadt machte den Namen wirklich alle Achtung. Sie sah so friedvoll und strahlend aus. Die Menschen in den Bildern sahen so freundlich aus.

Zu jedem Bild war ein Artikel verfasst wurden. Die Eröffnung einer neuen Schule, Kinder retten eine Katze das Leben und die Renovierung eines alten Hauses. All diese Artikel wurden von der Lokalzeitung verfasst.

Ich konnte ahnen, warum Quinn ihre Ruhe haben wollte. Ashville war ein hässlicher Ort mit grauenvollen Menschen, während Gracehill friedlich aussah.

,,Aspen Harrington!" Schrei mich jemand plötzlich an. Ich schaute von meinem Laptop auf, nur um mein Vater mit Eliza zu sehen.

Beide waren wütend, doch ich ging davon aus, dass Eliza die Situation irgendwie mochte.
,,Was denkst du dir eigentlich?!" Schrie er weiter. Ich klappte meinen Laptop zu und begann einfach zu lauschen.

,,Glaubst du, nur weil du zu deiner Mutter gehst, dass du einfach die Schule schwänzen und Eliza blamieren kannst?!" Mit verblüfft Augen und einen ungläubigen Grinsen sah ich zu Eliza.

,,Was ist das?" Brachte sich meine baldige Stiefmutter ein. Sie zeigte auf die vielen kleinen Wattepads und Stäbchen, welche ich nicht entsorgt hatte.
,,Was ist das, Aspen?"
,,Ist das Blut, Aspen?"
,,Ist das von dir, Aspen?" Brabelten die beiden durcheinander.

Ich stand von meinem Bett auf und lief zur Tür.
,,Das ist meine Sache" Mir diesen Wörtern, schmiss ich sie aus meinem Zimmer.

It's Okay - I'm There For You Where stories live. Discover now