15 - [Fahrt]

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Aufgeregt und panisch wartete ich bei den Gleisen auf Quinn. Sie blieb die Nacht nicht bei mir. Sie bestand darauf nach Hause zu gehen.

Ungeduldig schaute ich immer wieder auf die Uhr meines Handys. Ich wippte so unruhig hin und her, dass ich schwören konnte, dass mich alle anstarrten.

Ich entsperrte das Display und wollte ihr schreiben. Ich ignorierte die tausenden Nachrichten meiner Mutter, die sie mir seit Freitagabend schickte. Ich hatte mir keine der Nachrichten durchgelesen und antwortete einfach mit "Entschuldigung", dies machte sie jedoch noch wütender, da sie wusste, dass ich mir die Nachrichten nicht durchlas.

Ich ging von dem Kontakt meiner Mutter runter und schaute dafür in meiner recht langen Kontaktliste nach ihr, doch nirgends stand der Name Quinn Crowley.

Der Wind schlug mir, wie eine Faust ins Gesicht. Ich realisierte, dass ich nie ihre Nummer besaß. Ich kam mir so dumm vor. Ich hatte es ja nicht einmal bemerkt.

Ich konnte sie nicht erreichen. Das schwirrte mir im Kopf herum. Ich wusste nicht, ob es ihr gut ging, ob etwas passiert war, oder ob sie sich verabschiedet hatte...

Angestrengt ging ich in die Knie. Ich wollte schon mürrisch schnauben, doch eine Hand an meiner Schulter, hielt mich davon ab.

,,Entschuldige" Sagte ihre vertraute Stimme. Ich konnte spüren, wie die Freude in mir am turben war.

Aufgeregt drehte ich mich um, und erstarrte sofort. Quinn lächelte mich mit ihrer aufgeplatzten und geschwollenen Lippe an.

,,Was ist passiert?" Stotterte ich im Schock. Sie sah mich an, als hätte sie keine Ahnung gehabt, wovon ich überhaupt redete.
,,Deine Lippe" Ich fast mir selbst an meine eigene, nur damit sie verstand, was ich meinte.

Unsicher mied sie meinen Blick.
,,Ich war nicht erlaubt, bei dir zu übernachten" Ich sah sie fassungslos an. Quinn war ihre eigene Person, welche nicht wie ein Kleinkind behandelt werden musste. Sie konnte selbst Entscheidungen treffen. Es war ja nicht einmal so, dass sich ihre Eltern überhaupt für sie interessierten.

Ihre Eltern waren drogenabhänige, manipulative Kontrollfreaks! Sie verdienten es nicht, jemals ihr Lächeln zu sehen.

Ich wollte sie in den Arm nehmen, doch ich konnte schon die Blicke der anderen vorhersehen.
,,Wir werden eine schöne Zeit in Gracehill haben. Versprochen" Etwas funkelte in Quinns Augen auf.

Sie sah mich mit so einem ehrlich aufgeregten Lächeln an.
,,Ich freu mich darauf, Aspen" Sie lehnte sich zu mir vor.
,,Das ist mein erstes richtiges Date" Flüsterte sie ganz leise in mein Ohr.

Ich konnte nicht sagen, was in meinem Magen vor sich ging. Mir war schlecht, ich fühlte mich erdrückt und doch konnte ich mich darauf freuen. Mir fiel es schwer zu sagen, ob es mir nun gut oder schlecht ging.

Ich nickte einfach nur. Es war immer noch falsch. Redete ich mir weiterhin ein.

Aufgeregt schaute sie die Gleise entlang, als die Bahn ankam. Ich ging vor. Ich zog sie weit nach hinten. Ich wollte nicht, dass irgendjemand uns belauschte. Es war paranoid von mir, doch es ging um Quinn, da war es mir egal, wie verrückt ich wurd.

Wir setzten uns in einen Zweisitzer. Sie hatte den Platz am Fenster freudig genommen. Strahlend beobachtete sie die Landschaft.

Ich konnte spüren, wie meine Innereruhe wieder die überhand meines Körpers gewann. Nur brachte Quinn mich wieder zur Unruhe.

Still und heimlich griff sie meine Hand. Sie sah so stolz dabei aus. Ängstlich versteckte ich ihre Hand unter meiner Jacke, welche ich kurz zuvor ausgezogen hatte.

Ich hatte mich richtig entschieden, einen Platz hinten zu nehmen, wo sich niemand befand.

,,Erzähl mir etwas über Gracehill" Forderte ich sie auf.
,,Ich kann mich ehrlich gesagt, nicht mehr an viel erinnern" Sie klang so niedergeschlagen.
,,Ich weiss nur, dass ich glücklicher dort war"

,,Wie lange fahren wir überhaupt?" Wechselte Sie schnell das Thema. Ich zögerte etwas.
,,Etwa drei Stunden" Quietschte ich.

Ihre Augen hatten sich geweitet. Die Fahrzeit schien ihr nicht zu gefallen.
,,Dann können wir wohl nicht allzu lange bleiben" Lachte sie zur Beruhigung.
,,Ja" Stimmte ich betrübt zu.

Der haltlose Zug machte mich nervös.
,,Kommst du morgen in die Schule?" Fragte ich aus leichter Panik heraus.
,,Ich weiss nicht" Quinn starrte ganz verträumt aus dem Fenster.
,,Warum?" Ich war mir sicher gewesen, dass man die Panik nun perfekt raushören konnte.

Sie wandte ihren Blick vom Fenster ab und starrte mich mit einem sanften Lächeln an.
,,Ich bin so unglaublich glücklich, wenn ich mit dir bin, Aspen" Ich konnte sehen, wie ihre Lippen am zittern waren. Sie wollte mich küssen, doch tat es nicht.

Leicht entsetzt starrte ich zurück. Ich Zwang mich zu einem Lächeln.
,,Das freut mich" Das war gelogen.

Ich fühlte mich furchtbar. Ich hielt an ihren unmenschlichen Lebensbedingungen fest, nur damit ich sie bei mir behalten konnte.

Ihr Leiden wirkte auf mich nicht real. Ich erlebte es nicht selbst. Ich konnte es nicht verstehen. All diese Wunden waren echt, sie existierten in Wirklichkeit, doch ich konnte es nicht richtig wahrnehmen.

So etwas existierte nur in Filmen. Das wurde mir so beigebracht. Häusliche Gewalt, Kindesmisshandlung und Suizid, so etwas gab es nur in Filmen. Doch auf einmal war es Realität.

Ich hätte mich für meine eigene Ignoranz schlagen können, doch auch mich beeinflusste ihre Situation.

Wieder dachte ich nur an mich selbst. Es ging um Quinn, doch der Fokus lag auf mir, anstelle von ihr.

Jeder meiner Gedanken wurde schlimmer, doch einer brachte mich wieder in die Realität.
Ich kann sie nicht erreichen. Ich realisierte, dass ich Quinn immer noch nicht, nach ihrer Nummer gefragt hatte.

,,Hey, Quinn?" Stammelte Ich nervös.
,,Ja?" Ihr Kopf war am Platz vor uns gelehnt.
,,Kann ich deine Nummer haben?" Meine Wangen glühten vor Scham.
,,Gib mir dein Handy" Forderte sie mich sanft mit einem Lächeln auf.

Ich entsperrte das Display noch schnell für sie. Aber Quinn ging nicht auf meine Kontaktliste, sondern auf meine Kamera.

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und begann zu Grinsen. Aus Unverständnis und Nervosität begann ich ebenfalls zu lächeln.

Aufgeregt schoss sie das Selfie und stelle es zu meinem Hintergrundbildschirm ein.

Als nächstes ging sie zu meiner Notizen-App und schrieb willkürliche Zahlen auf.
,,Ich habe kein eigenes Handy, aber das ist die Nummer unseres Haustelefons"

Ich ahnte warum sie die Nummer nicht als Kontakt einspeicherte. Ashville steckte was Technik anging, wirklich in den achtzigern fest.

Jedes Haus besaß noch eines dieser alten Telefone, wo man an diesem Rädchen drehen musste.

,,Danke"

It's Okay - I'm There For You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt