25 - [Hilfe]

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Der Zeiger der Uhr zeigte Punkt ein Uhr morgens. Zusammengekauert saß Quinn auf meinem Bett. Panisch mieden wir unsere Blicke.

Zwanghaft überlegte ich mir, wie ich Quinn am besten ansprechen konnte. Ich wollte etwas sagen, nur wusste ich nicht einmal, was ich genau sagen wollte.

Ich setzte mich auf die Kante des Bettes. Unsere Rücken waren einander zugewandt.

Verunsichert lachte ich.
,,Wir haben uns nie die Antworten auf die letzte Frage gegeben" Neugierig summte sie auf.
,,Warum hasst du es, ein Einzelkind zu sein?" Erläuterte ich es ihr.

Der Raum füllte sich wieder mit Stille. Ich konnte hören, wie sich ihre Finger in den Stoffe der Decke krallte.
,,Ich wollte nicht alleine sein" Hauchte sie.

Zum ersten mal bereute ich meine Frage nicht, auch wenn ich es hätte tun sollen.

Die Antwort war nicht vollkommen gewesen, also wartete ich.
,,Ich zog ständig um. Ich konnte keine Freunde finden. Ich hatte niemanden. Ich wollte einfach jemanden, der meine Seite niemals verlassen würde" Heiser lachte sie über sich selbst.

,,Ich beneide dich, Aspen" Ihre Stimme kam aus einer anderen Richtung. Sie hatte sich zu mir gedreht. Sie klang eifersüchtig und doch spottete sie über mich.

,,Ich kam nach Ashville bevor sich deine Eltern scheiden ließen. Du hattest alles!" Redete sie sich in rage.
,,Du warst beliebt, hattest viele Freunde, doch von dem einen auf den anderen Tag, hast du angefangen alle zu ignorieren. Die einzigen die bei dir geblieben sind, sind Arrow und Ace. Trotzdem sieht es aus der Ferne so aus, als würdest du sie für selbstverständlich halten. Warum?"

Quinn war so verletzt gewesen. Ich mied ihren Blick weiterhin.
,,Ja, ich war beliebt" Stimmte ich ihr zu. Aber auch nur bei diesen Punkt.
,,Aber der Großteil ist nicht mit mir befreundet. All meine Freunde zogen weg, mit Ausnahme von den beiden. Es tat weh sie gehen zu sehen, doch selbst gehen zu müssen, stellte ich mir viel schwieriger vor. Ich wollte einfach keine Erinnerungen schaffen, an denen ich hängen würde"

Sie schwieg. Ich konnte nicht sagen, ob sie am überlegen war, oder mich für meine Antwort hasste.
,,Warum liebst du es, ein Einzelkind zu sein" Ihre Worte zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen.

,,Irgendwie gab es immer nur Mom, Dad und mich. Ich wurde wie eine Prinzessin behandelt. Ich hatte Angst, dass wenn ich ein Geschwisterchen hätte, sie mich weniger lieben würden" Gott, fühlte ich mich dumm.
,,Naja, wie werden sehen" Murmelte ich lese. Nicht einmal Quinn hatte es gehört.

Ich fragte mich, an was sie dachte. Ich besaß ein Leben, von welchem sie nur träumen konnte. Sie musste mich dafür doch genauso hassen.

Wieder war alles still gewesen. Nur der Zeiger der Uhr füllte die Leere unseres Schweigens.

,,Quinn?" Langsam drehte ich mich zu ihr. Ihr Kopf lag auf der Seide der Decke und starrte auf die Tür. Ich legte mich zu ihr und entschloss mich endlich ihr in die Augen zu sehen.
,,Ist das unser Ende?" Sie wollte nicht antworten. Sie wollte an so etwas nicht einmal denken. Das sah man ihr einfach an.
,,Ich will nicht, dass unsere Geschichte so endet"

Ein kurzes Lächeln der Erleichterung schlich über ihre Lippen.
,,Ich auch nicht" Ihre Hand wanderte langsam zu meiner. Gierig wollte ich sie ergreifen, doch wollte ich Quinn nicht so überfallen.

Verbunden in einander, lagen unsere Hände in der Mitte. Ihr Verband reichte bis zum Inneren ihrer Handfläche.

,,Tut mir leid, dass ich dir das Gefühl gegeben habe, dich kontrollieren zu wollen" Ich schämte mich, doch trotzdem starrte ich weiterhin in ihre Augen.

Ein sanftes Lächeln bildete sich.
,,Du kontrollierst mich nicht. Ich wollte nur meine Wut an jemanden auslassen. Entschuldigung" Ihr Lächeln formte sich zu einem trüben Grinsen.

Ich nahm meine frei Hand und Strich ihr sanft über ihre Wange. Ich zog unsere Hände näher zu mir.
,,Quinn, ich liebe dich" Wisperte ich mit geschlossenen Augen und küsste den Rücken ihrer Hand.

Erst kam die Stille des plötzlichen Schocks, dann folgte das Schluchzen der Freudentränen.

Ich öffnete meine Augen wieder. Quinn war völlig überwältigt gewesen.
,,Ich dich auch" Im selben Moment wo sie es sagte, ertönte an der Tür ein leisen klopfen. Meine Mutter guckte durch einen kleinen Spalt zu uns.

,,Quinn, die Polizei und das Jugendamt sind da" Sagte sie vorsichtig. Langsame Schritte machte sie auf uns zu.

Uns beiden fiel es schwer sich zu lösen. Kreidebleich stand sie vom Bett auf. Behutsam trat sie aus der Tür, zurück ins Wohnzimmer, wo ich schon die kleine Masse an Leuten sah.

Ruckartig stand ich vom Bett auf und lief ihr hinterher. Die Männer in Uniform wurden deutlicher zu erkennen. Sie kamen nicht aus Ashville. Zu unserem Glück.

Neben den Officers stand eine eine Frau. Ich schätzte sie auf Anfang dreizig.

Gedulgig wartete sie auf Quinn, bis sie vor der Dame stand.
,,Ich bin Miss Cornelia. Miss Goodwill hatte mich angerufen" Quinn starrte auf den Boden herab, wieder verbirgte ihr Pony ihr Gesicht.
,,Goodwill?" Murmelte sie fast unverständlich. Es war der Mädchenname meine Mutter gewesen.

Cornelia kniete sich zu Boden und nahm Quinns Hände in ihre.
,,Du hast viel durchgemacht, aber jetzt hast du alles überstanden. Du wirst nun endlich all die Hilfe bekommen, die du verdienst" Die Frau sprach so sorglos, als wäre jegliche Gefahr verschwunden.
,,Ich werde dich jetzt mit nach Liverpool nehmen. Möchtest du noch einmal in dein altes Zimmer gehen und irgendetwas mit nehmen?"

Sofort begann Quinn ihren Kopf zu schütteln. Sie wollte nie wieder dort hinein gehen.
,,Okay, dann komm" Sie legte ihre Hand vorsichtig auf Quinns Rücken ab und führte sie zur Tür. Die Polizisten folgten der Frau stumm.

Ich konnte spüren, wie Quinn mir entrissen wurde. Es war zu plötzlich gewesen. Ich war noch nicht bereit gewesen, sie gehen zu lassen.

Taumelt lief ich ihr hinterher. Die Haustür öffnete sich, erst dann vernahm ich den heftigen Regenschauer und die stummen aber leuchtenden Sirenen des Polizeiwagens.

Als hätten sie Quinn am liebsten wieder zu sich gezerrt, starrten sie ihre Eltern an. Zitternd lief sie immer weiter. Zitternd folgte ich ihr.

Heimlich schauten die Nachbarn aus ihren Fenstern und beobateten das Geschehen.

Meine Eltern blieben bei der Tür stehen und beobachteten uns.
,,Verabschiedet euch ruhig noch" Sagte Cornelia und setzte sich ins Auto.

Quinn drehte sich verängstigt zu mir. Ich konnte nicht anders, gierig nahm ich sie in meine Arme und drückte sie so fest es auch nur ging an mich.
,,Das ist nicht unser Ende" Flüsterte in meine Schulter. Meine Hand wanderte zu ihrer Kopf herauf und fuhr durch ihr seidig glattes Haar.
,,Wir sehen uns wieder" Wisperte ich gegen den gedämpften Regen.
,,In Liverpool"

Sie löste sich aus der Umarmung und nahm meine Wangen in ihre Hände. Sie zögerte, also tat ich es.

Ich küsste sie.

Unsere kalten Lippen erhitzten sich, wann immer sie auf einander trafen. Die harten Regentropfen zeichneten sich auf unseren Lippen ab. Wärme und Geborgenheit stieg in uns beiden auf, sowie Trauer und Angst.

Wir trennten uns. Jeder von ihnen starrte. Der Polizeiwagen dämpfte den Wutausbruch ihres Vaters, während meine Eltern irgendwie stolz aussahen.

,,Auf Wiedersehen, Aspen" Sprach sie mit geröteten Wagen.
,,Auf Wiedersehen, Quinn"

Sie stieg in den Wagen. Sowohl der Motor von Miss Cornelia, als auch der von den Polizisten heulte auf.

Sie fuhren Brücke entlang. Ich konnte mir schon denken, wie Quinn ein letztes mal zu den Rosen blicken würde.

Langsam verschwanden die Autos. Langsam verschwand Quinn.

Der Regen wurde stärker und meine Tränen fühlten sich endlich sicher um herabzufließen.

,,Wir sehen uns in Liverpool, Quinn Crowley"

It's Okay - I'm There For You Where stories live. Discover now