10. Kapitel

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Es regnete noch den ganzen Tag. Die meiste Zeit redete niemand, nur ab und zu hörte ich, wie sich Rino und Baki leise miteinander unterhielten. Ich starrte gedankenverloren vor mich hin und warf ab und zu mal einen Blick auf die Hinterköpfe der anderen. Langsam fragte ich mich auch, wie Gaara es aushielt so lange ohne irgendwelchen Schutz vor dem Regen zu bleiben. Seine roten Haare klebten ihm am Nacken und auch seine Kleidung sah ziemlich durchweicht aus. Außerdem musste der Sand, den er in der teilweise rissigen Kürbisflasche trug, doch schon zu Schlamm geworden sein, überlegte ich.
Als wir die Wüste verließen, führte uns der Weg erst einmal durch einen kleinen Wald, nach dem dann eine karge Steinwüste folgte. Zum Glück war es trotz des Regens nicht sonderlich kalt und so gab es eigentlich keine wirklichen Probleme.

Als der Himmel langsam anfing, sich zu verdunkeln, legten wir eine kleine Rast ein, während die beiden Jonin sich auf die Suche nach einer Höhle oder einem anderen Unterschlupf machten.
Schon nach kurzer Zeit kamen sie wieder und führten uns zu einer Felswand, in der man weit oben einen Eingang erkennen konnte.
In der Höhle machten Yugi und Temari erstmal ein Feuer und so saßen wir schließlich da und aßen etwas von unserem Proviant, während das Flackern der Flammen an den steinernen Wänden zu sehen war. Trübsinnig starrte ich nach draußen, wo man mittlerweile nichts mehr erkennen konnte und nur noch das prasselnde Geräusch des Regens zu hören war.
Da erst bemerkte ich, wie müde ich war. Baki übernahm die erste Wache und ich erkannte die Umrisse seiner Gestalt vor dem Feuer, bevor mir die Augen zu fielen und ich einschlief.

Ich träumte. Wiedermal war ich irgendwo in der Dunkelheit, konnte nichts sehen oder hören. Plötzlich stürzten Geräusche und Bilder auf mich ein: Schreie, Angst, ein unheimliches Lachen, Panik, fliehende Menschen, züngelnde Flammen, die Häuser niederbrannten, verzweifelte Leute, die weinend Namen riefen, Kummer, Panik... Und plötzlich erhoben sich über das Chaos zwei riesige Augen. Eines kannte ich, es war das Schwarze mit der violetten Pupille, aber das andere war blutrot und machte einen genauso unheimlichen Eindruck. Die Augen starrten mich an, während sich unter ihnen ein gewaltiges Maul voller Reißzähne auftat. Panisch wollte ich mich umdrehen und davonlaufen, aber meine Füße waren wie fest gewachsen. Entsetzt sah ich das grässliche Gesicht auf mich zukommen und wollte um Hilfe rufen, bekam jedoch keinen Ton heraus. Das Wesen grinste bösartig, bevor es das Maul weit öffnete und mich mit einen Mal verschlang.

Heftig keuchend fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Um mich herum war es dunkel, nur vom Höhleneingang drang ein schwaches Licht herein. Anscheinend hatten die Regenwolken sich verzogen und den leuchtenden Nachthimmel freigegeben.
Zitternd blickte ich mich um, mit der Befürchtung, jeden Moment von irgendeinem großäugigen Biest angegriffen zu werden.
Meine Kameraden waren zum Glück nicht wach geworden und ihr leises Atmen erfüllte mich langsam mit Ruhe. Langsam stand ich auf und tappte vorsichtig ins Freie. Vor der Höhle war ein kleiner Vorsprung auf dem ich stehen blieb. Während der Wind mein Haar leicht in der Luft tanzen ließ, blickte ich über die Landschaft, fasziniert davon, wie weit ich sehen konnte. Die Felsenwüste schien sich unendlich weit zu erstrecken und am Horizont erkannte ich einen kleinen, dunklen Fleck, welcher anscheinend der Wald war.
Ich schloss kurz die Augen um die wohltuende Luft zu genießen.
"Takami?", fragte plötzlich eine Stimme hinter mir und ich erschrak mich so sehr, dass ich beinahe vom Felsen gekippt wäre. Aber ich konnte mich noch abfangen und wirbelte herum. Da war niemand. Langsam glitt mein Blick über die Felsen, als ich aus dem Augenwinkel weiter oben eine Bewegung wahrnahm. Ich legte den Kopf in den Nacken, um zu erkennen, wer dort war. Zwar konnte ich nur die Silhouette einer Gestalt erkennen, aber irgendwie war mir klar, wer da oben auf der Klippe saß.
Nach ein paar Sprüngen landete ich mit dem Rücken zu Gaara hinter ihm und betrachtete die Felsen, die sich hier oben befanden. In einigen Spalten und Ritzen im Boden wuchsen dürre Sträucher und Pflanzen und nach ein paar Metern verschwand der Boden in einem Abgrund auf der anderen Seite.
"Warum bist du noch wach?", ertönte Gaaras Stimme und ich drehte mich zu ihm um. Er saß da wie immer, mit gesenktem Kopf und seine Beine baumelten über den Rand des Felsens. Ohne Aufforderung setzte ich mich neben ihn und blickte in die Nacht.
"Ich hatte einen unschönen Traum und bin aufgewacht", erklärte ich kurz, für mich machte es keinen Sinn ihn anzulügen. Ich fragte auch nicht, warum er wach war, er würde mir vermutlich eh keine Antwort geben.
Andererseits musste ich etwas sagen. Doch ich wusste nicht was.
"Mhmm... Gaara?", meinte ich schließlich und er blickte mich an. Verzweifet überlegte ich, was ich jetzt bloß sagen sollte während ich versuchte, seinem eindringlichen Blick standzuhalten.
Verdammt Takami, lass dir was einfallen!
Zu meiner Überraschung war es dann aber Gaara, der anfing zu sprechen.
"Ist schon gut", murmelte er leise und ich schaute ihn neugierig an.
"Ich weiß, dass du eigentlich nicht hier sein willst und das musst du auch nicht. Du hast Angst vor mir, wie alle anderen auch, ich spüre es. Am besten gehst du einfach wieder schlafen."
Überrascht starrte ich ihn an. Er hatte, zu meinem Bedauern, Recht. Am liebsten wollte ich nur noch so schnell wie möglich weg hier. Aber ich konnte ihn doch nicht einfach alleine hier sitzen lassen, oder?
"Ich gehe nur, wenn du das möchtest", erklärte ich leise und Gaara sah mich kurz aus dem Augenwinkel an.
Dann senkte er leicht den Kopf.
"Wenn du meinst."
Da war es wieder, dieses verdammte Schweigen. Aber jetzt fehlten mir komplett die Worte. Warum hatte ich immer Angst vor Gaara gehabt? Mir war nie etwas passiert, wenn ich mit ihm gesprochen hatte. Und ich hatte noch nie gesehen, wie er jemandem wehgetan hatte, geschweige denn jemanden getötet hatte. Auch wenn mich die Geschichten, die ich so gehört hatte warnten, er tat mir wirklich Leid.
"Gaara, du... Du musst das nicht", meinte ich verlegen und er blickte mich erneut an. Ich musste wegsehen.
"Ich meine, dass du immer alleine bist. Es gibt viele, die Angst vor dir haben, aber wenn du genau hinschaust findest du vielleicht jemanden dem du etwas bedeutest...", erklärte ich und meine Stimme brach ab. Einen Moment lang sah er mich nur still an. Dann schloss er die Augen und nickte kurz.
Mein Herz pochte wie wild, ich wusste nicht ob es Angst, Erleichterung oder Nervousität war, aber ich hielt es hier nicht mehr länger aus.
"Ähm... Es stört dich doch nicht wenn ich wieder schlafen gehe, oder?", fragte ich behutsam und Gaara schüttelte den Kopf.
"Nein, geh nur."
Ich nickte leicht, stand auf und sprang wieder auf das Felsplateau. Als ich grade in die Höhle gehen wollte, hörte ich Gaaras Stimme über mir.
"Takami?"
Ich blickte zu ihm hoch.
"Danke", murmelte er leise. Auf einmal geschah etwas wirklich unerwartetes: Gaara lächelte. Es war nur eine kleine Bewegung seiner Mundwinkel, aber ich war mich sicher, dass er lächeln wollte. Es war ein schöner Anblick und ich grinste zufrieden zurück.
"Kein Problem", antwortete ich dann und betrat die dunkle Höhle. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, schlich ich mich zurück zu meinen Sachen. Während ich einschlief, spürte ich, wie sich ein angenehmes Gefühl der Ruhe in mir ausbreitete.

How to Love a Demon  [Sabaku no Gaara]Where stories live. Discover now