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-Levis Sicht-

Am nächsten Morgen lag Ymir immer noch in meinen Armen. Sie öffnete ihre Augen und sah mich an. ,,Hast du gut geschlafen?", fragte ich meine Tochter. ,,Ja!", erwiderte sie lächelnd, ehe sie aus der Bettdecke schlüpfte und sich auf die Matratze stellte.

Ich schmunzelte leicht und stieg aus dem Bett. Dann nahm ich Ymir in meine Arme und trug sie in das Badezimmer. Noch war sie klein und leicht, aber irgendwann würde sie zu alt dafür sein und ich würde sie nicht mehr tragen können.

Im Badezimmer ließ ich Ymir auf einem Hocker nieder. Ich wusch ihr Gesicht, putzte ihre Zähne und kämmte ihre Haare. ,,Welche Frisur möchtest du heute haben?", fragte ich sie. Ymir schien nicht lange überlegen zu müssen. ,,So wie Tante Annie", erklärte meine Tochter.

Ich erfüllte ihr den kleinen Wunsch und band ihre Haare zu einem Zopf, so wie Annie ihn trug. Ymir sah sich im Spiegel an und lächelte. Sie mochte es nicht, wenn ihre Haare ihr im Gesicht hingen, deshalb wollte sie ihre Haare oft nicht offen tragen.

Als ich mit Ymir fertig war, stieg sie von dem Hocker, auf dem sie stand, und lief in ihr Zimmer. Ich schmunzelte und folgte ihr. In ihrem Kinderzimmer angekommen, stand Ymir vor ihrem Kleiderschrank. Ich holte ihr Kleidung aus diesem hervor und half ihr beim Umziehen.

Ich zog ihr eine Strumpfhose und langärmeliges Shirt an, ehe sie in ein rosanes Kleidchen schlüpfte. ,,Wer ist Papas hübsches Mädchen?", fragte ich. Ymir lächelte selbstbewusst. ,,Ich!"

Wir gingen gemeinsam in die Küche und Ymir stellte sich sofort vor den Obstkorb. Sie war noch zu klein, um ihn zu erreichen und da ich wusste, was sie wollte, nahm ich Orangen aus den Korb, um ihr mit diesen einen Orangensaft zum Frühstück zu machen.

Ich bereitete ihr den Saft zu, schnitt etwas Gemüse und belegte ihr ein Brot. Sie mochte es, wenn ihr belegtes Brot ein Gesicht aus Tomaten und Paprika besaß. Als ich fertig war, stellte ich ihr Frühstück auf den Tisch und setzte mich dann zu ihr.

,,Du muss auch groß und stark werden", sagte Ymir. Sie gab mir wie jeden Morgen etwas von ihrem Gemüse ab und obwohl ich morgens nichts aß, nahm ich ihre kleine Gäste wie immer an. Sie war ein kleiner Engel. ,,Papa wächst nicht mehr, Ymir. Vielleicht wirst du irgendwann größer als ich werden - und stärker."

,,Wirklich?"

,,Ja, wirklich."

Nach dem Frühstück spülte ich das Geschirr und als ich merkte, dass Ymir nicht von meiner Seite wisch, hielt ich inne. ,,Wann schauen wir Papas Fotos an?", fragte sie und schaute mich mit ihren unschuldigen Augen an. Sie hatte gestern Abend nach ihrem Vater gefragt.

,,Du möchtest Papas Fotos sehen?", hakte ich nach, woraufhin Ymir nickte. ,,Warte im Wohnzimmer auf mich, ich bin gleich fertig", sagte ich. Ymir nickte erneut und verließ dann den Raum.

Sie wollte wissen, wer ihr Vater war. Wer du warst, Eren. Sie würde Fotos von dir sehen und sich fragen, warum du nicht hier bei uns warst. Sie war noch ein kleines Kind und würde das nicht verstehen.

Ich ging in mein Schlafzimmer und holte das Fotoalbum hervor, das ich in meinem Kleiderschrank aufbewahrte, ehe ich ins Wohnzimmer ging und mich zu Ymir setzte.

Ich öffnete das Fotoalbum und legte es ihr auf den Schoß. ,,Ist das mein Papa?", fragte meine Tochter. Sie zeigte auf einen Mann mit braunem Haar und blaugrünen Augen, der sie ansah und anlächelte.

,,Ja", hauchte ich sanft und legte einen Arm um meine Tochter, um sie in meinen Armen zu halten. Sie schaute sich die Fotos an und blätterte auf die nächste Seite. ,,Ich habe auch braune Haare", fiel Ymir auf. Sie sah mich an und lächelte. ,,Ja, die hast du von Papa", erklärte ich hier.

,,Wieso hat Papa einen großen Bauch?", fragte Ymir. ,,Auf den Bildern war dein Papa schwanger mit dir - du warst in seinem Bauch, da warst du noch ganz klein." Ymir nickte und blättere weiter. ,,Ist das Papas Haus?" Sie meinte das Penthouse, in dem Eren und ich gemeinsam gelebt hatten. ,,Dein Papa und ich haben früher in einem ganz hohen Gebäude gewohnt."

Ymir sah mich mit großen Augen an. ,,Hattest du keine Angst?", fragte sie erstaunt. Ich schmunzelte leicht. ,,Dein Papa hat mich beschützt, er war- er ist sehr mutig", antwortete ich und zum Teil entsprach das der Wahrheit, Eren war sehr stark gewesen bei Ymirs Geburt, auch wenn er es nicht geschafft hatte.

Ymir zeigte mit ihrem kleinen Finger auf die ganzen Bilder. Immer mehr Erinnerungen kamen hoch und ich hatte zu jedem der Fotos eine kleine Geschichte zu erzählen.

,,Dort waren Papa und ich auf einem Weihnachtsmarkt. Er hat einen Crêpe nach dem anderen gegessen", erzählte ich und zeigte auf das Foto, auf dem Eren zu erkennen war. An jenem Tag lag Schnee und im Hintergrund waren Weihnachtsbeleuchtungen zu sehen. Eren lächelte. Seine Wangen und seine Nase waren wegen der Kälte rot.

Je länger ich mir die Fotos ansah, desto mehr wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn eigentlich vermisste.

,,Ich liebe deinen Papa sehr, Ymir", sagte ich. Ymir wusste noch nicht, was sie mit diesen Worten anfangen sollte. Sie sah mich an und wartete anscheinend auf eine Erklärung. ,,Onkel Armin und Onkel Jean lieben sich. Tante Mikasa und Tante Annie lieben sich auch", setzte ich noch an.

,,Liebt Papa dich auch?"

,,Sehr sogar", erklärte ich meiner Tochter. Sie zeigte mir ein kleines Lächeln. ,,Und mich?" Ich sagte Ymir oft, dass ich sie lieb hatte. Ich schmunzelte sanft. ,,Dich lieben wir am meisten."

Wenn ich irgendwann die Kraft dazu fand, würde ich unsere Tochter mit zum Friedhof nehmen, damit sie dich besuchen konnte, Eren. Sie würde eine Blume auf deinen Grab legen und dir vielleicht ein paar Geschichten erzählen.

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Pregnant [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now