drittes Kapitel: Teil 2

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Liron folgte seinem Freund nach draußen, wo es in Strömen regnete.
Die Wassertropfen klatschten ihm ins Gesicht.
Der Boden war schon längst vom starken Regen, der seit Tagen ununterbrochen anhielt, durchweicht, sodass er ein einziges Schlammfeld bot.
Überall rannten Soldaten der ersten und zweiten Kompanie umher, auf der Suche nach ihren Pferden und brüllten den Stallburschen irgendetwas zu.
Unter ihren Stiefeln spritzte der Matsch hervor.

,,Komm jetzt!", wies ihn Nael an.

,,Wir haben nicht viel Zeit mehr."

Nael marschierte zielstrebig durch das Schlammfeld auf zwei schon gesattelte Pferde zu.
Ein nachtschwarzer Hengst und eine karneolbraune Stutte.
Nael befahl dem Stahlburschen, welcher die Pferde an den Zügeln hielt, wegzutreten.
Unterdessen hatte sich Liron die karneolbraunen Lederhandschuhe übergezogen.
Und zurrte den schmalen mattweißen Ledergurt, welcher über seine rechte Schulter verlief und über der Kleidung getragen wurde, zurecht.
Nael nahm dem Burschen die Zügel aus der Hand und reichte die einen Liron.

,,Hier." Damit drückte er Liron das eine Zügelpaar in die Hand.

,,Danke."

Liron ließ seinen Blick über die Masse an Pferden und Soldaten schweifen.
Er nahm seine Schirmütze der zweiten Kompanie vom Kopf, sodass seine kurzen aschbraunen Haare innerhalb weniger Sekunden komplett nass waren.
Er tat so als würde er vor Nael knicksen und als hätte dieser ihm grade das Leben gerettet.
Nael brach in schallendes Gelächter aus.

,,Steh auf. Die gucken uns schon alle an", sagte Nael immer noch lachend.

Liron klopfte sich die Uniform glatt. Er setzte sich die Mütze zurück auf das klatschnasse Haar und richtete diese noch einmal, sodass der Schirm der Mütze auch gerade saß.

,,Ist nicht mein Problem, wenn sie meinen, dumm aus der Wäsche gucken zu müssen. Lass mir meinen Spaß."

,,Ich verstehe schon, der edle Herr möchte es vermeiden, sich zum Gespött zumachen", parodierte er Lirons Tonfall.

In einen spaßig ernsten Ton fügte er hinzu:

,,Bleib am Leben, ja?"

Liron klopfte Nael aufmunternd auf die Schulter.

,,Du auch."

Nael tat es im gleich und klopfte ebenso ihm auf die Schulter.
Dann schwang sich Liron leichten Fußes auf Habichtschwinge, der seine Nüstern blähte und unruhig begann die Mähne zu schütteln.
Nael stieg neben ihm auf Goldblatt, welche im Gegensatz zu Habichtschwinge ganz entspannt blieb.

,,Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld", rief Nael noch, bevor er Goldblatt antrieb.

Liron versetzte ebenfalls Habichtschwinge in einen schnelleren Schritt, um sich hinter Offizier Zychor in der sechsten Reihe an zweiter Position links einzureihen.
Die Wolken ballten sich bedrohlich über der leichten Kavallerie zusammen.
An die vierhundertachtzig Mann würden bald in Richtung Weißespitzen ausrücken.
Wie viel Mann die Truppe der Gesetzlosen umfasste ließ sich nur grob abschätzen.
Man rechnete mit mindestens zweihundertfünfzig Männern, doch konnten es auch mehr oder weniger sein.
Zumindest ging man davon aus, dass sich keine Götterkinder unter den Gesetzlosen befanden, soweit man wusste.
Liron hielt nervös an seinen Zügeln fest.
Entweder würde er diesen Kampf überleben oder er würde sein Leben verlieren.
Er hatte ursprünglich gar nicht gewollt, der Armee beizutreten, zu kämpfen.
Er wollte immer Bäcker werden.
Doch als er mit neunzehn Wintern dann plötzlich der Armee beitreten sollte, hatte ihn keiner danach gefragt, was er wollte.
Man hatte ihm alles genommen, was er liebte.
Nur weil die Regierung festgestellt hatte, dass die nördliche Armee unterbesetzt war und sich im Recht sah, unschuldige Leute zu rekrutieren, die das gar nicht wollten.
Er musste seine Mutter zurücklassen, seinen Traum eines Tages eine eigene Bäckerei aufzumachen hatten sie einfach mal so zu nichte gemacht und diese zwei Dinge, sind alles gewesen, das ihn am Leben hielt. Wofür er lebte.
Er hatte so oft mit dem Gedanken gespielt, dem ganzen ein für alle mal ein Ende zu setzen.
Doch der Gedanke an seine Mutter, die in der alten Hütte in ihrem kleinen Dorf noch wohnte und nichts hatte, hielt ihn davon ab Selbstmord zu begehen.
Er sah die Armee als eine neue Chance an. Er versuchte sich schnell hochzuarbeiten, aber dem Druck der Armee standzuhalten war schwieriger als erwartet.
Sein Ziel war es im Rang aufzusteigen. Egal, wie Kräfte zerrend die morgendlichen Übungen und wie hart die wöchentlichen Tests auch sein mochten.
Bisher hatte er sich ganz gut schlagen können und gehört der höheren Mittelschicht an.
Er schickte seiner Mutter jeden Mond die Hälfte seines Einkommens.
Viel war das nicht, jedoch genug, um fürs Lebensnotwendige zu sorgen.
Zwei Winter diente er erst der nördlichen Armee.
Und nun entschiede dieser eine Einsatz nicht nur über sein Leben, sondern auch um das seiner Mutter.
Denn würde sie das wenige Geld, das er ihr jeden Mond zukommen ließ, nicht mehr erhalten, so würde sie den kalten Winter des Nordens nicht überstehen.
Das Bellen des Offiziers holte Liron in die Gegenwart zurück.

,,Mögen die Götter uns beistehen", murmelte er.

Der Schweiß lief ihm den Rücken herunter und Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn aus Angst, was die Nacht für ihn bereithalten würde. Es juckte ihm im Nacken aufgrund der wachsenden Nervosität und die Haare an seinen Armen stellten sich zittrig auf.
Einfach überleben. Bleib am Leben. Das ist alles was zählt, redete er sich in Gedanken ein.

,, Soldaten, bereit machen zum Ausrücken!", bellte Offizier Zychor.

Zychor saß aufrecht, kerzengerade, wie ein Fels in der Brandung auf Lichtfell und hatte seinen rechten Arm gehoben, damit auch die Soldaten der hinteren Reihen seine Position ausmachen konnten.

,, Wir wissen weder, welcher Blutsorte die Gesetzlosen angehören noch wie viele es sind! Also seid auf alles gefasst!", rief der Offizier aus.

Zu dem Regen mischte sich jetzt ebenfalls noch ein kühler Wind, der unangenehm an Lirons Uniform zerrte und ihn einen Schauer einjagte.
Es war kälter als es normalerweise zu dieser Jahreszeit im Norden war.
Und der Regen ging überdurchschnittlich lange.
So eine lange Regenzeit hatte der Norden bisher noch nie gehabt.
Obwohl es nicht selten vorkam, dass es im Gebiet der Weißenspitzen und Umgebung oft regnete, schien der Regen diesen Winter besonders ausgeprägt zu sein.
Das Wiehern der Pferde, die immer unsteter wurden, erfüllte den Platz und drohte fast die Befehle des Offiziers zu übertönen, weshalb dieser krampfhaft sein Bestes tat, um seine Stimme zu verstärken.

,,Tötet jeden, der getötet werden muss, aber verschont die Einwohner der Weißenspitzen oder Ferngänger! Es geht nur um die Köpfe der Gesetzlosen, die diese Nacht fallen sollen! Habe ihr mich verstanden! Ich werde mich nicht wiederholen!"

Was, wenn ich einen Unschuldigen töte? Wie werde ich Feind und Freund in einer Schlacht wie dieser noch auseinander halten können?, überlegte er bis er sich damit beruhigte, dass außer den Gesetzlosen wohl keiner so wenig Verstand besitzen würde sein Haus zu verlassen. Abgesehen von eventuell paar Ausnahmen.
Er fasste die Zügel etwas knapper und alle Gedanken, die ihm im Kopf herum schwirrten, verbannte er.
Danach fühlte sich dieser unglaublich unbeschwert an und Liron war imstande sich besser zu konzentrieren.
Offizier Zychor gab das Zeichen zum Start und die Truppe Soldaten setzte sich in Bewegung.
Liron treibte Habichtschwinge an.
Er achtete darauf, sich dem vorgegebenen Tempo anzupassen, um nicht aus der Reihe zu reiten.
So fiel Habichtschwinge in einen flotten Trab.
Liron zwang Habichtschwinge nicht in den Trab, sondern bietete ihm Führung.
Die Pferde des Nordens galten im Lande, als die gehorsamsten und als leicht zu reiten, jedoch lag dies einzig und allein daran, wie man mit den Pferden umging.
Beispielsweise bestand eine von Lirons ersten Lehrstunden in der Armee darin, eine Bindung zu Habichtschwinge aufzubauen.
Bestehe eine Bindung zwischen Reiter und Pferd, so sei das Pferd zu einer besseren Leistung fähig und würde weniger Scheu zeigen.
Man nahm sich für solche Dinge hier in der nördlichen Armee Zeit und legte viel Wert darauf.
Liron hatte bevor er aus seinem alten Leben gerissen worden war noch nie auf dem Rücken eines Pferdes gesessen.
Ein eigenes Pferd war zu kostspielig.
Und äußerst gerne hatte er die Viecher auch nicht gehabt.
Er hätte nie geglaubt, dass er eine Bindung zu Habichtschwinge aufbauen könnte, aber letztendlich haben die Übungen Erfolg gezeigt.
Nun fühlte er sich Habichtschwinge auf eine kompliziert zu erklärende Art verbunden und niemals hätte er ihn freiwillig in eine Schlacht geschickt.
Man könnte meinen, dass es ja nur ein Bürgeraufstand wäre.
Eine kleine Angelegenheit, die man binnen noch kürzerer Zeit beseitigen könnte, doch war mit den Gesetzlosen nicht zu spaßen.
Sie waren gefährlich und auf jedenfall mehr als hundert Mann.
Die karge Landschaft zog sich hin soweit das Auge reichte.
Nirgends auch nur ein einziger Baum oder Gestrüpp zu sehen.
Der zunehmende Sichelmond erhellte die klare Sternennacht, sodass man nicht in völliger Finsternis ritt.
Tausende Lichtpunkte zeichneten sich am dunklen Firmament ab und bildeten einen Kontrast.
So weit entfernt und dennoch so nah.
Liron redete sich ein, dass dies ein gutes Omen sei.
Ein Zeichen dafür, dass sie gewinnen werden würden.
Und wir werden gewinnen, versuchte Liron ebenso sein Herz zu überzeugen.
Wir werden gewinnen...

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⏰ Last updated: Aug 21, 2023 ⏰

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