Die Bani Israel verbrachten viele Jahrzehnte in der Gefangenschaft
in Babylon und trauerten um ihre verlorene Heimat. Sie versuchten
so gut es ging, sich an Allah und Sein Gesetz zu erinnern, obwohl
die offenbarten Schriften zerstört waren und man sich nur auf Tei-
le davon besinnen konnte. Aber sie beteten zu Allah und übernah-
men nicht den Götzendienst der Babylonier. Selbst als der König
ihnen eines Tages befahl, verbotene Speisen zu essen, weigerten sie
sich.
Damals lebte unter den Bani Israel ein Mann namens Uzeir. Allah
hatte ihn beauftragt, ein Lehrer für die Bani Israel zu sein. Er war
weit und breit bekannt für seine Weisheit und Aufrichtigkeit, so
daß sogar der babylonische König seinen Rat suchte. Aber Uzeirs
besten Rat, den Götzendienst aufzugeben und sich Allah zuzuwen-
den, nahm der König nicht an. Statt dessen wurde er zornig und
vertrieb Uzeir aus dem Lande.
Lange Zeit lebte Uzeir einsam in der Wüste. Da erhielt er eines Ta-
ges von Allah den Auftrag, nach Palästina zu reisen und die zer-
störte Stadt Jerusalem wieder aufzubauen. Denn Allah wollte die
Bani Israel bald in ihre Heimat zurückkehren lassen und das Reich
von Babylon vernichten.
Uzeir besorgte sich einen Esel und Speise und Trank als Wegzeh-
rung und brach unverzüglich auf. Lange dauerte die einsame, be-
schwerliche Reise, bis er endlich in Palästina ankam. Gegen Abend
entdeckte er in der Ferne das erste Dorf. Als er aber näherkam, fand
er, daß die Häuser leer und halb zerfallen waren. Alles Hausgerät
war fort, und überall lagen die gebleichten Knochen toter Tiere
und sogar Menschengebeine herum. Gespenstisch sah es aus, und
Uzeir war entsetzt und verlor alle Hoffnung. Bedrückt ritt er wei-
ter. Die Stadt Jerusalem, das wußte er nun, würde ebenso schreck-
lich aussehen oder noch schlimmer. Voller Verzweiflung rief er
aus: „O weh! Wie kann Allah diese Stadt nach solcher Vernichtung
wieder zum Leben erwecken?" Da sprach Allah einen Befehl.
Uzeir fiel tot von seinem Esel, und das Tier verendete nicht weit
davon in der Wüste.
Als hundert Jahre vergangen waren, ließ Allah Uzeir wieder zum
Leben erwachen und fragte ihn: „Wie lange hast du in der Wüste
geschlafen?" Uzeir erwiderte: „Vielleicht einen Tag oder auch nur
ein paar Stunden." Allah sprach: „Nein, hundert Jahre hast du
hier gelegen. Wenn du deinen Vorrat an Speise und Trank an-
schaust, dann scheinen sie gar nicht älter geworden zu sein. Aber
schau einmal, was aus deinem Esel geworden ist!" Von dem Esel
war nun nicht mehr viel übrig außer ein paar trockenen, gebleich-
ten Knochen, denn das Fleisch war im Laufe der hundert Jahre
längst zu Staub zerfallen.
Allah sprach zu Uzeir: „Ich will mit dir für die ganze Menschheit
ein Zeichen setzen. Schau auf die Knochen und sieh, wie ich sie
zusammensetze und mit Fleisch und Haut bekleide."
Vor seinen eigenen Augen sah Uzeir dies alles geschehen, bis der
Esel lebendig vor ihm stand, bereit, ihn und sein Gepäck zu seinem
Bestimmungsort zu tragen. Entsetzt rief Uzeir aus: „Jetzt weiß
ich, das Allah über alle Dinge Macht hat!"
Er stieg auf seinen Esel und ritt nach Jerusalem. Inzwischen waren
die Bani Israel längst nach Palästina zurückgekehrt. In mühevoller
harter Arbeit hatten sie aus den Trümmern Dörfer und Städte wie-
der aufgebaut. Auch die Stadt Jerusalem stand da in neuer Pracht,
und die Bani Israel waren gerade dabei, auf dem Fundament des
alten Tempels einen neuen zu bauen. Was von Allahs Gesetz und
den offenbarten Büchern übriggeblieben war, wurde dort aufbe-
wahrt und von den Gelehrten nach eigenem Ermessen ergänzt.
Allah beauftragte Uzeir, den Bani Israel Allahs Gesetz vollständig
wiederzugeben. Alles, was Allah Seinem Gesandten Musa dereinst
offenbart hatte, war in Uzeirs Herz eingraviert, und er trug es
mühelos den Gelehrten und dem Volk vor. Aber statt sich darüber
zu freuen und Allah dankbar zu sein, wiesen die Gelehrten Uzeir
ab und hörten ihn nicht einmal an. Sie waren sehr hochmütig und
sagten: „Wir wollen schon selbst sehen, wie wir die verstreuten
Teile sammeln und die ganze Taurat wieder zusammenstellen. Du
bist irgendein dahergelaufener Beduine aus der Wüste, und wir ken-
nen weder dich noch deine Familie. Wie kannst du Allahs Gesetz
kennen, wenn du nicht einmal an unserer Schule studiert hast?"
In Wirklichkeit hatten sie aber Angst, daß ans Licht käme, was sie
selbst in die Tau rat eingefügt hatten.
Bis heute ist die Taurat eine Sammlung von Bruchstücken der ur-
sprünglichen Offenbarungen, die von den Gelehrten zusammenge-
setzt und mit selbst ausgedachten Geschichten vermischt wurde.
Allah weiß es am besten. Mit böser Absicht haben sie sogar Allahs
Gesandte verleumdet und schändliche Dinge über sie behauptet.
Die hochmütigen Gelehrten haben sich selbst und ihre Mitmenschen
betrogen.
Allahs Friede sei mit Uzeir.
JE LEEST
Die Geschichte der Propheten und Gesandten
SpiritueelViel Spaß beim Lesen dieser sehr interessanten und zu gleich lehrreichen Geschichte, nämlich die der Propheten und Gesandten. Begleitet diese Menschen durch Zeiten und Geschehnisse, aus denen man fürs Leben lernen kann. Dies hier ist mein zweiter V...