Die Geschichte vom Elefantenheer

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Erinnerst du dich, wie Ibrahim und Ismail die Kaaba als erstes Ge-

betshaus für die Menschen bauten und Mekka eine große, wichtige

Handelsstadt wurde? Dort trafen sich jedes Jahr Kaufleute aus

vielen Ländern mit ihren Waren. Sie brachten Gewürze aus Indien,

Seide aus China, wertvolle Pelze aus dem fernen Norden, Elfenbein

aus Afrika und vieles mehr. Aber nicht nur verkauft und gekauft

wurde auf diesem Jahrmarkt, sondern da führten auch allerlei

Gaukler ihre Künste vor. Schlangenbeschwörer gab es da, Tier-

bändiger, Akrobaten und Märchenerzähler, die gleichzeitig die

neuesten Nachrichten aus fernen Ländern zum Besten gaben.

Am berühmtesten aber war der Wettstreit der Dichter. Romanti-

sches und Lustiges wurde da in wohlgesetzten Reimen vorgetragen,

und dann verkündete ein Schiedsgericht, wer in diesem Jahr das

beste Gedicht verfaßt hatte.

Gleichzeitig vergaßen aber die Einwohner von Mekka im Laufe der

Jahrhunderte Allah und dachten auch an Ibrahim und Ismail nur

noch, weil sie berühmte Männer waren und die Stadt Mekka ge-

gründet und die Kaaba gebaut hatten. Zwar siedelten sich viele

Juden und Christen in Mekka und anderen Teilen der arabischen

Halbinsel an, aber sie blieben meist für sich. Die meisten Araber

beteten verschiedenartige Götzen an, die sie teils von anderen

Völkern übernahmen, teils sich selbst ausdachten. Sie machten

Bilder und Statuen davon und stellten sie in ihren Häusern und in

der Kaaba auf. Mittlerweile hatten sich schon 365 Götzenbilder in

der Kaaba angesammelt, so viele, wie es Tage im Jahr gibt.

Wie bei den Bani Israel und den anderen alten Völkern, so bestand

auch das Volk der Araber aus verschiedenen Stämmen. Der mäch-

tigste und größte war der Stamm der Kureisch. Die Männer aus

diesem Stamm hatten die Aufgabe, all die vielen Menschen, die

alljährlich nach Mekka kamen, mit Speise und Trank zu versorgen,

und sie waren außerdem für die Verteidigung der Stadt und der

Kaaba verantwortlich. Viele von ihnen hatten weite Reisen unter-

nommen und waren sehr reich. Sie besaßen schöne Pferde und

zahlreiche Kamele.

Weiter südlich auf der arabischen Halbinsel liegt das Land Yemen.

Dort hatten sich viele Christen niedergelassen. Sie wurden immer

mehr, bis sie schließlich die Juden vertrieben, denen zuvor die

Herrschaft gehört hatte. Ihr König hieß Abraha Ashram, ein stol-

zer und ehrgeiziger Mann. Er ärgerte sich darüber, daß so viele

Menschen jedes Jahr nach Mekka reisten, nie aber nach Yemen.

„Reisen sie nach Mekka, um die Kaaba zu besuchen?" rief er aus.

„Ich will ein viel größeres und schöneres Gebetshaus bauen, und

das sollen dann alle Menschen der Welt besuchen und wissen, daß

Abraha der mächtigste König ist." Er ließ Marmor und wertvolle

Hölzer aus aller Welt zusammentragen und baute einen prächtigen

Tempel, der beinahe so groß und schön war wie der, den König

Suleiman einst in Jerusalem hatte bauen lassen. Überall ließ er

dann verkünden, daß sich in seinem Land das größte und schönste

Gebetshaus der Welt befände.

Aber die Menschen reisten nicht nach Yemen. Sie fuhren fort, je-

des Jahr nach Mekka zu reisen, wo sie die alte, ehrwürdige Kaaba

besuchten, ihre Waren verkauften und sich auf dem Jahrmarkt und

bei dem Dichterwettstreit vergnügten. Denn wenn auch in der

Kaaba längst unzählige Götzenbilder standen, so war die Reise

nach Mekka und das Andenken an Ibrahim und Ismail doch eine

uralte Tradition, die man nicht aus dem Volksleben hätte weg den-

kein können.

König Abraha wurde neidisch und eifersüchtig. Er beschloß, die

Stadt Mekka zu erobern und die Kaaba zu vernichten, damit die

Menschen dadurch gezwungen würden, seinen prächtigen Tempel

zu besuchen. Darum suchte er die größten und stärksten Männer

als Soldaten aus und gab ihnen die besten Waffen, die er finden

konnte. Und nicht auf Pferden und Kamelen sollten sie reiten,

sondern auf Elefanten, die Abraha zu diesem Zweck aus Indien

bringen ließ. Ein solches Elefantenheer galt in der damaligen Zeit

als unbesiegbar.

Als die Kureisch in Mekka vom Herannahen des Heeres hörten,

war ihnen nicht recht wohl zumute, denn sie wußten nicht, wie

sie sich gegen ein Elefantenheer wehren und die Stadt verteidigen

sollten. Zwar waren sie tapfere, geübte Kämpfer, aber ein solcher

Krieg, so glaubten sie, wäre sicherer Selbstmord. Sie machten sich

bereit, die Angreifer ohne Widerstand als Sieger zu empfangen, un-

ter der Bedingung, daß sie niemanden töteten und die Stadt nicht

zerstörten und plünderten.

Aber Allah wollte nicht, daß das älteste Gebetshaus der Mensch-

heit in Feindeshand fiel und zerstört wurde. Er hatte einen ande-

ren Plan. Allah wollte gerade dieses Gebetshaus von den Götzen

reinigen und von dort aus Wahrheit und Rechtleitung unter allen

Menschen der Welt verbreiten lassen. Durch ein Wunder wollte

Er die Kaaba vor den Angreifern bewahren.

König Abrahams Truppen hatten inzwischen fast schon die Stadt-

grenze erreicht und waren ihres Sieges sicher. Da schickte Allah

einen Schwärm Vögel aus, die in ihren Krallen und Schnäbeln

Steine trugen. Als sie über Abrahams Heer hinwegflogen, ließen

sie die Steine einfach hinabfallen. Die Elefanten wurden dadurch

erschreckt und liefen in wilder Flucht davon, so daß keiner der

Soldaten sie mehr bändigen konnte. Gedemütigt mußten sie nach

Yemen zurückkehren, wo sie der Zorn des enttäuschten Königs

erwartete.

Im gleichen Jahr wurde in Mekka Allahs letzter Gesandter, unser

Prophet Muhammad, geboren.


Die Geschichte der Propheten und GesandtenWhere stories live. Discover now