Kapitel 7

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Sie wieder los zu lassen, war eine Herausforderung gewesen

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Sie wieder los zu lassen, war eine Herausforderung gewesen. Auch dann noch, als sie seinem Vorschlag zur Zusammenarbeit zugestimmt hatte. So recht vertrauen konnte er ihr nicht. Der erste Eindruck, den er von ihr gewonnen hatte, war eine Lüge gewesen. Der Zweite so dermaßen chaotisch, wild und unberechenbar angriffslustig, dass sie wahrscheinlich der letzte Mensch gewesen wäre, den er zum Partner haben wollte. Insbesondere bei einem Job, der ganz plötzlich sehr viel riskanter geworden war.

Die Novavita Kultisten waren bisher nicht Teil seines Planes gewesen und die Diebin, die sich tatsächlich nur die Hände frei geschritten hatte, um dann zu ihm zurückzukehren, schien genauso überrascht.

„Was wollen die Metallköpfe hier?", fragte sie mit gerunzelter Stirn. Nervös beobachtete er wie sie vor ihm stand. Das scharf geschliffene Messer bedrohlich fest in ihren Händen und besorgniserregend nah an seinen. Sie schnitt und das leise Geräusch der Klinge schien in seinen Ohren zu fauchen.

„Ist das nicht ziemlich offensichtlich?", keuchte Lorin. Erleichtert atmete er aus, als sie das festgezogene Seil von seinen Handgelenken abwickelte. Sofort rieb er sich über die gerötete Haut.

Sie schnalzte leise mit der Zunge.

„Woher soll ich das wissen? Bisher bin ich noch keinem so direkt begegnet oder hatte irgendwie mit ihnen zu tun." Missmutig sah sie ihn an und Lorin musste sich daran erinnern, dass sie ihn noch immer nicht vollständig befreit hatte. Solange das Risiko bestand, dass er auf ungute Weise weiter in ihrem Ansehen sank, würde er ihr wohl oder übel Honig um den Mund schmieren müssen. Oder zumindest so tun, als wäre er tatsächlich bereit sich auf ernsthafter Basis mit ihr zu unterhalten.

„Wir wollen beide eine Maschine stehlen, die in der Lage ist, unbegrenzt Energie zu produzieren."

„Wollen wir das?" Sie legte das Messer wieder zur Seite und zog den Stuhl mit seiner Weste herbei, um sich darauf zu stellen.

„Das Perpetuum Potestas."

Fragend legte sie den Kopf zur Seite. Lorin unterdrückte ein Stöhnen.

„Das leuchtende Kasten Dings!"

„Ah!" Nun nickte sie verstehend und fügte ein überraschtes: „Sowas kann es also", hinzu.

War das ihr Ernst? Er biss sich fast auf die Zunge, als er vermied herablassend zu werden. Doch wie konnte eine Diebin losziehen und nicht einmal wissen, was es war, das sie stehlen sollte? Ihr Verhalten war inkompetent, selbstzerstörerisch, durch und durch... Lorin stockte in seinem Inneren Brüllen und runzelte die Stirn. Hatte er sie schmunzeln sehen? Sie streckte sich auf dem Stuhl, um seine Beine zu erreichen.

„Wir haben keine Zeit für dumme Scherze", fauchte er gereizt.

Sie gluckste amüsiert. „Ich arbeite besser, wenn jemand anderes den Verstand verliert."

Himmel! Lorin hatte auch schon mit anderen Dieben zusammengearbeitet. Doch keiner davon war lange so frustrierend gewesen wie sie. Das konnte auch daran liegen, dass sie nur der Notwendigkeit wegen, ein höchst wackliges Versprechen geleistet hatten. Oder aber sie besaß wirklich das erschreckende Talent mit seinen Nerven zu spielen, wie mit einem schlecht gestimmten Musikinstrument.

Auch mit Stuhl, musste sie sich noch auf die Zehenspitzen stellen, um das Schloss an der Kette mit ausgestreckten Armen zu erreichen.

„Aber, die Frage – warum es hier plötzlich von Metallschädel Kultisten wimmelt, die in ihrer Freizeit Städte in die Luft jagen, wenn jemand sich etwas zu sehr gegen ihre Überzeugungen stellt – war wirklich ernst gemeint. Ich weiß nicht viel von ihnen, aber normalerweise lassen sie sich doch nicht auf Partnerschaften mit niederen Lebensformen ein. Oder? Aber das hier sah sehr nach einer Partnerschaft aus."

Über ihm arbeitete sie leise klickend während sie sich mit einer Hand an seinem Hosenbein hielt.

„Sie sind Cyborgs. Eine kleine, handliche Maschine, die ihnen unbegrenzte Energie liefert, käme ihnen sehr gelegen. Momentan müssen sie sich immer wieder selbst laden, um überhaupt laufen zu können. Wenn es ihnen gelingen sollte das leuchtende Ka... das Perpetuum Potestas, zu vervielfältigen und in ihre Körper einzubauen, wären sie quasi unaufhaltsam."

„Das ergibt Sinn.", murmelte die Diebin. „Streck die Arme aus."

Verwirrt sah er zu ihr auf. „Was?"

Dann klickte es wieder leise und kurz darauf rutschten seine Knöchel aus der gelockerten, klirrenden Kette und der Boden zog ihn schlagartig wieder an sich. Fluchend gelang es ihm geradeso, sich abzufangen und zur Seite zu rollen, ohne dabei auf der Nase zu landen oder sonst noch weiter zu verletzen.

Sie stand noch immer auf dem Stuhl während sie sich mit dem Dietrich gegen ihr Kinn tippte und mit konzentrierter Miene fragte: „Aber warum nehmen sie es sich dann nicht einfach? Ivory City ist reich, aber das beste Sicherheitssystem herrscht hier nicht. Hätte ich eine Armee skrupelloser, modifizierter Soldaten die blind derselben Ideologie folgen, hätte ich einfach angegriffen, den Stadtherren als Geisel genommen und ihn gezwungen das Ding herauszurücken."

Lorin rollte sich stöhnend auf den Rücken. Sein Kopf war unverletzt geblieben, doch seine Handflächen brannten und an seiner Hüfte spürte er das deutliche Ziehen einer Prellung. Wobei das kaum zu bemerken war, bei den sehr viel heftigeren Schlägen, die ihm der rothaarige Hühne zuvor verpasst hatte. Oder denen, mit denen sie ihn in ihrem Anfall von Wahnsinn attackierte, kurz bevor alles außer Kontrolle geraten war. Vorsichtig setzte er sich auf.

„Sie brauchen wahrscheinlich jemanden der ihnen mit der Forschung hilft."

Nonie drehte das Messer in ihrer einen Hand und streckte die Andere in unerwarteter Hilfsbereitschaft aus, um ihm auf die Beine zu helfen.

„Ich dachte sie sind selbst ganz wild auf Forschung."

„Sie sind wild darauf Forschung anderer zu stehlen", verbesserte er. Er erhob sich, ohne ihre Hand anzunehmen und ging direkt dazu über seinen Kragen zu richten. „Oder die zu kaufen die bereits gestohlen wurde. Wie in diesem Fall.", erklärte er weiter. Die Finger nun in seinen Haaren, um durch die unordentlich verrutschten Strähnen zu streichen. Nonie beobachtete ihn sichtlich amüsiert und gänzlich desinteressiert darüber, wie es um ihre eigene Frisur stand. Allerdings war ihr kurzes Haar auch so glatt wie das Fell einer gewöhnlichen Hauskatze und abgesehen von einer blonden Strähne, die sich schräg zur Seite lehnte, sah sie beinahe aus wie zuvor. Von den Überresten ihres zerfetzten Kleides abgesehen. Es juckte ihn dennoch in den Fingern ihr über den Kopf zu streichen und zu richten was sich so tapfer weigerte der Ordnung folge zu leisten. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm daraufhin in die Hand beißen würde, schätzte er für zu hoch ein, um das Risiko einzugehen.

Schritte auf dem Gang und das gedämpfte Geräusch grummelnder Stimmen, lenkten ihn ab von ihrem Erscheinungsbild und ließen ihn im selben Moment auf die eine Tür des Raumes blicken, wie die Diebin.

Sie griff fester um das Messer in ihrer Hand und raunte: „Du übernimmst die linke Seite, ich die rechte."

Noch während sie mit entschlossener Miene voran schritt – wohl um den ersten aufzuschlitzen, der den Raum betrat – griff Lorin von hinten an ihren Kragen und hielt sie auf. Wütend zischend drehte sie sich zu ihm herum.

„Unter Umständen habe ich eine bessere Idee", erklärte er und entfernte seine Hand rasch wieder. „Eine bei der wir weitere Schläge und doch noch blutige Nasen – an uns selbst – verhindern können."

Misstrauisch betrachtete sie ihn.

„Es wäre schade um die Nase", stimmte sie schließlich nachdenklich zu. Ob sie nun seine meinte oder ihre, Lorin reagierte mit einem Nicken und einem: „Danke!"

Magpie Promise - Ehre unter DiebenWhere stories live. Discover now