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Silas

Ich hatte schon oft mehr getrunken als gut für mich war. Früher hatte ich die Wirkung der Getränke, die ich zu mir genommen hatte, jedoch gekannt und absichtlich darauf abgezielt, mich bis in die Bewusstlosigkeit zu trinken.

Das Teufelszeug der ADGD war mit Spirituosen wie Wodka oder Rum nicht zu vergleichen. Es schmeckte nicht annähernd zu scheußlich – zumindest nicht mehr nach dem ersten Glas – wirkte dafür aber mindestens drei Mal so stark.

Von Ezra erfuhr ich, als sie mich aus dem Bett warf und mir ein Katerfrühstück vorsetzte, dass ich mich letzte Nacht vollgekotzt hätte und Ben die Aufgabe übernommen hatte, mir das Erbrochene aus den Haaren zu waschen, bevor er mich ins Bett gelegt hatte.

„Früher war es andersrum", murmelte ich an das Brötchen, das sie mir mitgebracht hatte.

Ein Grund für die Wirkung des Alkohols war sicherlich auch die Tatsache, dass ich davor kaum etwas gegessen hatte. Dafür konnte ich nun zuschlagen.

„Also uns hat Ben erzählt, er war unwiderstehlich und du hättest ihn vergöttert, seit ihr klein war."

Ich verdrehte die Augen und leerte den Orangensaft in einem Stück, ehe ich mir nachschenkte und antwortete:

„In seinen Träumen vielleicht."

Sie grinste bloß und knabberte weiter an ihrer Karotte. Nicolo leistete uns nach kurzer Zeit Gesellschaft und bediente sich, obwohl er laut eigener Aussage bereits gegessen hatte, an dem Frühstück, das Ezra für sich und mich gebracht hatte.

„Die Alten besprechen jetzt noch, wie genau es weitergehen soll und melden sich dann bei dir. Du wirst innerhalb der nächsten Tage von ihnen hören", teilte er mir mit. „Bis dahin solltest du dich darauf vorbereiten, für ein paar Monate nicht mehr nachhause zu kommen."

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das aussehen soll, den Unterricht, den wir bekommen haben, ganz alleine zu kriegen", überlegte Ezra.

„Ich glaube, die Alten überlegen sich da schon was Passendes. Aber Arian versucht mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass Silas bloß nicht in unser Team kommt." Nicolo schüttelte den Kopf.

Ich musterte ihn , nicht dazu im Stande, seine Einstellung dazu zu verstehen. „Ehm, ich bin durch die Prüfung gefallen und werde nur wegen meines Nachnamens aufgenommen. Ist doch nur logisch, dass ich nicht ins A-Team komme. An Arians Stelle würde ich mich auch nicht haben wollen."

„Hey!" Ezra warf mit einem Korn aus ihrem Brötchen nach mir. „Denk gefälligst nicht so schlecht von meinem Cousin."

„Großcousin dritten Grades", korrigierte Nicolo sie. „Seine Mutter war die Schwester meiner Mutter. Wir sind richtige Cousins." Er zwinkerte mir zu und bekam wenige Sekunden später selbst ein Körnchen an den Kopf.

„Wenn ich in der Schule nur halb so beliebt gewesen wäre wie unter euch zwei", schmunzelte ich, ohne den Satz fortzusetzen. Es gab viele Möglichkeiten, ihn zu beenden, aber keine, die ich aussprechen wollte. Das war Vergangenheit.

Ein Klopfen an die Zimmertür verhinderte weitere Diskussionen. Arian wies Ezra und Nicolo darauf hin, dass sie in zehn Minuten Training hatten und Ben mich langsam nachhause bringen sollte, damit er rechtzeitig zur Einsatzbesprechung zurück war.

Ich verabschiedete mich von ihnen, jeweils mit einer Umarmung und folgte Arian durch das Gebäude. Außer uns war kaum jemand auf den Fluren unterwegs. Bis auf unsere Schritte herrschte absolute Stille.

Ich dachte darüber nach, mit Arian zu sprechen. Über etwas ganz Unverfängliches. Sowas wie die Party des vergangenen Abends. Aber wirklich Lust darauf, eine Unterhaltung mit ihm zu führen hatte ich nicht. Selbst, wenn es mir nur zuträglich sein konnte, mich mit ihm gut zu stellen.

Erwacht- KaltblütigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt