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Silas

Boris und ich siedelten in Charlies Gemach über, als mir kalt wurde. Er meinte, Kian hätte ihm die Klamotten gegeben, die ich in seinem Gemach vergessen hatte. Nicht einmal meine Kleidung in seiner Nähe zu haben hatte er ertragen.

„Warum hast du eigentlich noch kein eigenes Gemach hier?", wunderte ich mich, während ich Boris folgte. Er klopfte nicht einmal an, bevor er Charlies Gemach betrat. „Alica und Oma haben auch eigene Zimmer bekommen. Sogar ich habe theoretisch eins. Nur, dass ich da nie drin war."

„Charlie besteht darauf, dass ich bei ihm schlafe." Boris ging durch den Raum und öffnete den Schrank. „Im obersten Fach sind deine Sachen. Kannst aber auch was von mir nehmen"

„Es sieht so aus als wärst du hier eingezogen", murmelte ich, während ich die Fülle an Kleidung in Charlies Schrank betrachtete. Alles, was ich sah, konnte ich klar als Boris' identifizieren.

„Ich meine, irgendwie stimmt es ja", gab Boris zu bedenken. „Ich bin mehr hier als sonst wo. Vor allem seit dem Abschluss."

„Musik machen kannst du hier ja auch." Ich warf einen Blick zum Klavier und zu der Gitarre, die daran lehnte. Das war ihm das wichtigste.

Mein Cousin lachte. „Charlie hat noch viel mehr Instrumente. Im Westflügel gibt es einen isolierten Raum, nur zum Musik machen."

Ich zog mir einen schwarzen Hoodie über den Kopf und schloss den Kleiderschrank. Boris hatte in der Zwischenzeit auf dem Klavierhocker platzgenommen.

„Auf mich wirkt Charlie gar nicht wie ein Musiker." Ich setzte mich neben meinen Cousin.

Er klappte die Abdeckung für die Tastatur nach oben und spielte ein paar Töne.

„Er hat lange keine Musik mehr gemacht", erzählte Boris. „Ich glaube, er hat nur wieder damit angefangen, um mich zu beeindrucken."

„Und funktioniert es?", wollte ich schmunzelnd wissen.

„Nein." Boris schaute mich aus zusammengekniffenen Augen an. Das vertrieb mein Lächeln nicht. „Ich nutze ihn aus, um kostenlos Klavierspielen zu lernen, das ist alles."

„Der Arme."

Als ich andeutete, meine Finger auf die Tasten zu legen, um ebenfalls ein paar Töne zu machen, schlug Boris mir auf die Hand.

„Er riecht es, wenn du es anfasst."

„Oh, darf das nur sein Gefährte?" Ich betonte das letzte neckend.

Boris boxte mir in die Seite, genau auf die Paste. Ich knickte etwas ein, aber wirklich weh tat es nicht.

„Ich mache es mit Charlie wie du mit der ADGD", meinte er, während er weiterspielte. „Ich nehme, was ich kriegen kann, solange ich was davon habe."

Ich musterte ihn für einen Moment, um abzuwarten, ob er dem etwas hinzuzufügen hatte. Ob er selbst darauf kommen würde wie kaltherzig das klang.

„Ich spiele nicht mit den Gefühlen einer Person, die mich liebt, Boris."

Er lachte. Es war getränkt in Verbitterung. „Charlie liebt mich nicht."

„Wieso glaubst du das? Dieser Typ tut alles für dich."

„Aber nur zu seinen Bedingungen." Boris' Spiel endete abrupt. Er klappte die Abdeckung über die Tasten und schaute mich finster an. „Charlie ist von der Idee besessen, dass ich bin, worauf er Jahrhunderte gewartet hat. Er will von mir keine Liebe, sondern Erlösung."

„Liebe kann auch Erlösung sein."

„Das glaubst du nicht ernsthaft." Mein Cousin hatte noch nie so herablassend geklungen.

Erwacht- KaltblütigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt