43

115 9 0
                                    

Silas

Als Kian mir diesmal die Hand hinhielt, ergriff ich sie und lies mich von ihm aus dem Bott ziehen. Ich hatte keine Hilfe gebraucht und alle anderen hatten es auch alleine ausgeschafft, aber ich nutze die Gelegenheit, seine Hand zu halten, gerne.

Er lächelte mich an, während sein Daumen über meine Fingerknöchel streichelte und ich erwiderte es.

Ich konnte es nicht erwarten, dieses Treffen hinter uns gebracht zu haben und mit Kian allein zu sein.

Ihn zu küssen war toll. Ich vergaß alles andere, wenn unsere Lippen sich berührten. Genau das war das Problem. Ich konnte darauf verzichten, mehr von Benedicts Gedanken zu hören, wenn ich Kian küsste. Klar konnte ich mich auch einfach zusammenreißen und mich konzentrieren. Aber das war nicht dasselbe. Ich wollte alles loslassen.

„Ihr werdet euch wohl zusammenreißen können, bis wir zurück im Palast sind", knurrte Benedict uns zu. Er stellte sich zwischen Kian und mich und schubste ihn an der Brust zurück.

Kian stolperte ein paar Schritte, fing sich aber schnell.

„Geht's noch?" Ich schaute Benedict fassungslos an, als ich an ihm vorbeieilte und zu Kian.

Es war ihm nichts passiert, aber es war auch nicht nichts passiert. Wenn Benedict Kian gegenüber ernsthaft handgreiflich werden sollte, konnte ich für nichts garantiert. Dabei war es mir egal, wie schlecht meine Chancen schon im eins gegen eins gegen Benedict standen. Noch dazu musste ich an Oliver und Charlie vorbei. Vielleicht sogar an Kian selbst.

Ich legte meine Hand auf Kians Brust, so als könnte ich den groben Stoß seines Vaters wegwischen. Ich wusste, er hatte ihm schon schlimmere Verletzungen zugefügt als das. Trotzdem tat es weh.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Benedict einen Schritt zu uns machte. Kian nahm mich an den Schultern und schob mich von sich weg. Er sagte: „Schon gut", aber ich wusste nicht, ob er sich damit an seinen Vater oder an mich richtete.

Ich tat es ungern aber ich hob beschwichtigend die Hände und lief von Kian weg. Am liebsten hätte ich dabei vor Benedict auf den Boden gespukt. Keine Ahnung, was mich davon abgehalten hatte. Dieser Mann brachte meine schlimmsten Seiten hervor.

„Es ist niemand außer uns hier", hörte ich Kian zu Benedict sagen.

Sein Vater schnaubte. „Das macht es nicht besser."

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte, mich durch schnelle Schritte weiter von ihrer Konversation zu entfernen. Je weniger ich davon mitbekam, desto besser.

Charlie und Oliver führten Ben und Tom durch den Wald. Etwa einen Kilometer südöstlich von unserem Standort sollte die Hütte liegen, in der wir uns immer mit der ADGD trafen. Ben und Tom waren wieder bei Bewusstsein, wenn auch noch ein wenig benommen. Auf mich hatte der Schutzwall keine Wirkung mehr.

Charlie schaute immer wieder zurück zu Benedict und Kian.

„Ich habe Benedict noch nie so erlebt", schob Oliver Charlie möglichst leise zu. Ich lief ein Stückchen hinter ihnen. Sie mussten davon ausgehen, ich konnte sie nicht hören. Sonst würden sie niemals so offen über ihren König reden.

„Ich weiß nicht, was mit ihm los ist zurzeit", gab Charlie zurück.

Oliver hatte alarmiert geklungen, Charlie dagegen besorgt.

Ich steckte mir die Hände in die Hosentaschen und versuchte, auch da nicht hinzuhören. Mir war klar, dass Benedict schlimme Jahre hinter sich hatte. Seine Frau war langsam vor sich hingestorben und keiner hatte gewusst, was mit ihr los war. Austin hatte für fast 10 Jahre versucht, sie zu heilen, aber den Prozess dadurch nur verlangsamt. Wir hatten rausgefunden, dass Victoria vergiftet worden war, hatten aber keine Ahnung womit oder von wem. Der Rat, der Benedict unterstützten solle, schoss bei jeder Gelegenheit gegen ihn und seine Entscheidungen, uns Menschen zu helfen. Benedict versuchte uns vor den Aufständischen zu beschützen. Er hatte so lange für den Frieden gekämpft, während die Menschen in der Stadt geglaubt hatten, er und seine Leute seien der Feind. Nun hatte er die Kontrolle verloren. Alvars Leute waren in der Stadt und taten, was sie wollten und Kian entwickelte Gefühle, die Benedict nicht nachvollziehen konnte und wollte.

Erwacht- KaltblütigDonde viven las historias. Descúbrelo ahora