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-Levis Sicht-

Ich wusste nicht, seit wann Eren meine Hand fest in der seinen hielt oder seit wann wir den Wald verlassen hatten und jetzt durch Dörfer fuhren. Ich wusste nur, dass der Mann, der mir jahrelang ein guter Freund gewesen war, nicht mehr lebte. Furlan war tot.

Seine Leiche lag direkt vor meinen Füßen auf dem Boden. Der Panzer bot genung Platz, da die Sitze hinter dem Fahrer- und Beifahrersitz nicht nach vorne gerichtet waren, sondern an den seitlichen Wänden des Wagens angebracht wurden.

Auf seinem Gesicht lag das Oberteil, das ich getragen hatte, bevor Eren mir ein frisches gegeben hatte, an dem kein Blut klebte. Ich hatte viele Leichen gesehen und viele Menschen getötet, aber ein Blick in sein Gesicht zu werfen, konnte ich in diesem Moment nicht verkraften.

Erwin war derjenige gewesen, der das Blut von Furlans Körper gewaschen und ihm frische Kleidung angezogen hatte. Er hatte versucht, ihn so herzurichten, dass wir ihn alle wiedererkannten. Der Unfall hatte ihn schlimm zugerichtet.

Sein Kopf war heftig aufgeschlagen und eine große Wunde hatte sich gebildet. Sein Gesicht war blutüberströmt gewesen und seine Augen starr und offen. Wir würden uns später von ihm verabschieden - besonders für Isabel war das sehr wichtig. Sie liebte ihn.

,,S-Sicher, d-dass er t-t-tot ist?", brachte das rothaarige Mädchen hervor, das auf dem Boden des Panzers vor Furlan saß. ,,Du solltest dich richtig hinsetzen und anschnallen, Isabel", brachte ich leise hervor, doch sie schüttelte den Kopf. Ihre Beine waren zu ihrer Brust gezogen und ihr Gesicht war rot. Sie bekam kaum Luft, weil sie nicht aufhören konnte zu weinen.

Der Polizeipanzer kam zum Stehen. Ich blickte zu Hanji. Sie legte ihre Brille ab und wischte über ihr Gesicht. ,,Ich brauche eine Pause, tut mir leid." Ich schnallte mich ab und stand auf, woraufhin Eren meine Hand losließ. Für einen Moment spürte ich seine Hand auf meinem Rücken und ich fragte mich, ob er mir dadurch Halt geben wollte.

Ich kniete mich zu Isabel und nahm ein paar Taschentücher aus der offenen Packung. Dann trocknete ich ihre Tränen und blickte in ihre Augen. Ich konnte nicht so schnell reagieren - Isabel fiel plötzlich in meine Arme und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter. Ich umarmte ihren schwachen Körper und hörte, wie sich ihre Atmung beruhigte.

Ich streichelte ihr sanft über den Rücken und blickte zu Eren, der seinen Blick senkte. Auch ihn hatte Furlans tot getroffen.

,,Wenn wir einen sicheren Platz gefunden haben, beerdigen wir ihn. Einverstanden?", flüsterte ich leise. Isbal schüttelte den Kopf. ,,I-Ich will das nicht, L-Levi. I-Ich... Ich-" Sie brach erneut in Tränen aus.

Es vergingen ein paar Minuten, in denen ich Isabel etwas Halt gab, bevor sie sich von mir löste und ein schwaches Danke ihre Lippen verließ. Ich legte eine Jacke um ihre Schultern und setzte mich auf den sitzt direkt vor ihr. Eren und ich saßen uns nun gegenüber.

Hanji und Erwin hatten die Plätze getauscht. Die Braunhaarige blickte aus dem Fenster, während Erwin uns durch das Dorf fuhr.

Ich streichelte durch Isabels Haar und versuchte ihr Komfort zu geben. Sie lehnte ihren Kopf gegen mein Bein und ließ ihre Augen nicht von Furlan ab. Das war das erste Mal, dass der Tod ihr jemanden aus ihrem Leben entrissen hatte. Irgendwann würde sie lernen, damit umzugehen.

Wir schwiegen die nächsten Minuten und wagten es noch nicht einmal, laut zu atmen. Auch Isabel gab keinen Ton mehr von sich, sie weinte in Stille und hielt die Hand ihres toten Freundes.

Als mein Vater meine Familie getötet hatte, hatte ich mich noch nicht einmal richtig von ihnen verabschieden können. Es hatte keine Beerdigung gegeben - Zumindest keine, auf der ich gewesen war.

Vermutlich lagen sie auf dem Friedhof, der in unserer Gegend lag oder sie wurden eingeäschert. Ich hatte nach ihrem Tod nie wieder einen Fuß in diesen Ort gesetzt. Ich erinnerte mich noch daran, dass nach mir gesucht wurde. Ich galt bis heute als vermisst. Vermutlich hatten unsere Nachbarn Schüsse gehört und hatten festgestellt, dass ich fehlte.

Isabel sollte daher die Möglichkeit haben, sich für immer von Furlan zu verabschieden. Wir hätten ihn nicht in diesem Auto zurücklassen können.

Der Regen hatte aufgehört, als der Panzer zum Stehen kam. ,,Dort vorne steht ein Magnolien-Baum", sagte Erwin. Isabel hob ihren Kopf und warf einen Blick aus dem Fester. ,,Das ist ein Friedhof", stellte sie fest und wandte ihren Blick wieder zu Furlan. ,,Ich denke... dass das ein schöner Platz für ihn ist."

Ich schnallte mich ab und öffnete die Tür. ,,Erwin und ich halten Ausschau nach diesen Dingern, während ihr ein Loch grabt, das tief genug ist", sagte ich und setzte einen Fuß auf den nassen Boden. Es war kühl, aber nicht so kalt, dass ich eine Jacke brauchte.

Isabel saß bei Furlan im Panzer, da sie ihren Fuß ohnehin nicht stark belasten konnte. Hanji und Eren brachen währenddessen die Tür eines alten Schuppens ein und kamen mit zwei Schaufeln wieder. Die Erde war nicht hart - Es dauerte nicht lange bis sie ein tiefes Loch aushoben.

Erwin erschoss ein Monster, das durch den Friedhof irrte und auch ich betätigte den Abzug. ,,Wir müssen uns beeilen, es werden immer mehr!" Hanji und Eren gaben Furlan in die Erde. Isabel warf einen letzten Blick auf ihren Freund, bevor er mit Erde zugedeckt wurde. Sie brach zusammen und verweilte für ein paar Minuten auf der nassen Erde.

Wir gaben ihr so viel Zeit, wie wir konnten, doch unsere Möglichkeiten waren begrenzt. Woher kamen die ganzen Monster aufeinmal her? Als eines der Kreaturen über den Zaun stieg, rannte es plötzlich mit einer ernormen Geschwindigkeit auf uns zu. Drei Kugeln mussten wir abfeuern, damit das Ding umfiel. Ich zog Isabel auf ihre Beine und brachte sie in den Wagen, auch wenn sie sich wehrte - Sie war nicht stark.

Ihre Augen waren auf den Magnolien-Baum gerichtet, bis wir uns so weit vom Friedhof entfernten, dass wir ihn nicht mehr sahen.

,,Wenn das hier alles vorbei ist... kommen wir dann wieder hier her?", fragte sie und ihre dünne Stimme brach. Hanji saß neben ihr und hielt ihre Hand. Sie war erst sechzehn gewesen, als wir sie kennengelernt hatten - Ich fühlte mich immer noch verantwortlich für sie.

Wir wussten alle, dass wir Quinta nicht so einfach verlassen konnten. Irgendwann würden wir wieder hierher zurückkehren.

Isabel hatte es vielleicht noch gar nicht richtig realisiert, aber ein Teil von ihr wurde gemeinsam mit Furlan beerdigt.

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Monster [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt