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-Levis Sicht-

Ich hatte nicht gelogen, als ich gesagt hatte, dass Eren mich davon abhielt, den Verstand zu verlieren. Ich hatte es trotz meiner Verletzungen bis in meine Wohnung geschafft, weil ich Eren in Sicherheit hatte bringen wollen - ganz weit weg von Reiner und denen, die noch lebten.

Selbst wenn ich mit meinem Leben abgeschlossen hätte... die Verantwortung, das Leben eines anderen zu beschützen, könnte ich nicht einfach so ablegen.

Ich hatte es nicht geschafft Furlan, Isabel, Erwin und Hanji zu beschützen. Also bitte lass mich wenigstens sein Leben vor dem Tod bewahren. Eren soll leben, nicht sterben. Er soll leben, um bei mir sein zu können - ich hatte niemanden; ich wollte niemanden. Denn jeder, der mir jemals wichtig gewesen war, war tot.

Meine Mutter, mein Vater, meine kleine Schwester und meine Freunde. Warum sollte es bei Eren anders sein? Warum sollte er es schaffen?

Sie alle waren wegen der Mafia und der Ackerman-Familie gestorben. Sie hatten sie umgebracht, sei es nun aktiv oder nicht. Eren war in Gefahr, weil er Kontakt zu mir hatte. Weil er mir wichtig war - Ein Mann.

,,Levi."

Ich blickte hoch zu Eren, der mich aus meinen Gedanken gerissen hatte. Vor mir lagen die ganzen Waffen, die Hanji und ich besaßen. Pistolen, Gewehre, Messer und eine Menge Munition. Wir hatten abgemacht, dass er das Proviant und die Kleidung packt und ich die Waffen, da wir bald nach Trost aufbrechen würden.

,,Du hast sehr viele Waffen...", brachte er hervor. In seiner Stimme lag eine ungewisse Unsicherheit, aber kein Misstrauen. ,,Du hast die Umgebung gesehen, in der wir aufgewachsen sind. Es gibt kaum jemanden, der keine Waffe besitzt."

Eren befeuchtete seine Lippen und kniete sich dann zu mir auf den kalten Boden. Unsere Knie berührten sich und seine Finger streiften über eines unserer Gewehre.

,,Wann hast du das erste Mal eine Pistole in deinem Händen gehalten?", fragte Eren. Seine Stimme war ruhig und angenehm. ,,Ich war damals ein Kind gewesen", antwortete ich knapp. Welcher Vater gab seinem Kind eine Handfeuerwaffe in die Hände?

,,Ungefähr Zehn Jahre später habe ich meinen Vater mit der gleichen Waffe erschossen", fügte ich noch hinzu. Ich schüttelte meinen Kopf. ,,Nicht mit der gleichen... Es war sogar dieselbe Waffe. Sie lag in seiner Kommode so wie damals auch."

,,Hast du gezögert...?"

,,,Nein."

Eren nickte und half mir beim Packen. Sein Blick war starr auf die Waffen gerichtet.

,,Du hast gezögert", begann ich und blickte Eren an. Er lächelte schwach und ahnte wahrscheinlich, worauf ich anspielte. ,,Ich habe Erwin erschießen wollen", sagte er dann, ,,ich habe dein Leben über seines gestellt. Ich habe dir damit keinen Gefallen getan, ich habe egoistisch gehandelt."

Das hatte er. Wenn mir keine andere Wahl geblieben wäre, wenn ich einen von den beiden hätte töten müssen, dann wäre meine Wahl auf Erwin gefallen - Es sei denn, Erwin wäre nicht lebensgefährlich verletzt gewesen. In diesem Fall wäre es Eren gewesen, den ich erschossen hätte.

,,Wen... hättest du erschossen?", als Eren mir diese Frage stellte, zog sich mein Herz leicht zusammen. ,,Wenn keiner von euch beiden verletzt gewesen wäre, meinst du?" Eren nickte zögerlich. ,,Ich hätte dich getötet, Eren." Er nickte erneut. ,,Ich hätte ebenfalls meinen besten Freund gerettet... Ich meine Armin."

,,Hat Reiner dir etwas angetan? Er war die ganze Zeit über an deiner Seite in der Arena", merkte ich an, doch Eren schüttelte den Kopf. ,,Es ist nichts Schlimmes passiert. Er ist mir auf eine seltsame Weise zu nahe gekommen, das ist alles."

Ich zog den Reißverschluss meines Rucksacks zu und erhob mich vom Boden. Wir konnten nicht alle Waffen mitnehmen, aber die wichtigsten würden uns begleiten.

,,Ich war in Hanjis Zimmer." Ich hielt inne, als Eren ihren Namen erwähnte. Er sagte, dass er in ihrem Zimmer gewesen sei. ,,Ich habe Fotos von euch allen gefunden... Ich denke nicht, dass wir in nächster Zeit wieder hierher kommen werden, deshalb dachte ich, dass ich sie vielleicht einpacken sollte... Als Erinnerung."

,,Danke."

Nachdem wir alles gepackt hatten, machten wir uns auf den Weg nach draußen. Es dämmerte und Drohnen, die uns verfolgten, waren weit und breit nicht zu sehen.

Ich beobachtete Eren dabei, wie er die Gebäude und Straßen betrachtete und wie er seinen Blick schnell abwandte, sobald er eine Leiche sah. Leiche. Ich konnte die Körperteile und Organe, die hier überall rumlagen, keiner Person zuordnen. Es war unmöglich, die Körper wieder zusammenzusetzen.

Ich platzierte meine Hand auf Erens Schulter, ließ sie über seinen Arm wandern und griff schließlich nach seiner freien Hand. Ich umfasste sie, streichelte mit meinem Daumen über sein Handrücken und ließ sie schließlich los.

Eren wandte seinen Blick von den Leichenteilen ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. Er lächelte sanft und rückte näher zu mir. Es dauerte nicht lange, bis wir die U-Bahn erreichten und mit unseren Taschenlampen in den dunklen Tunnel der U-Bahn leuchteten.

,,Denkst du hier unten sind welche?", fragte Eren. Er flüsterte so leise, dass selbst das Tropfen des Wassers von einem Rohr ihn übertönte. ,,Ich schließe es nicht aus", antwortete ich.

Tagsüber befanden sich weniger monster an der Erdoberfläche als Nachts. Schlussfolgernd musste das bedeuten, dass sich einige Monster zurückzogen, sobald es hell wurde - vermutlich an dunkle Orte wie die U-Bahn. Nachts überirdisch, tagsüber unterirdisch.

Die Sonne war bereits untergegangen. Es war sehr wahrscheinlich, dass wir hier unten sicherer waren als dort oben.

,,Ich hätte wirklich kein Problem damit, wenn wir wieder Händchen halten, Levi." Ich hörte das Zittern in Erens Stimme. ,,Dann habe ich keine freien Hände, um dich zu beschützen", erwiderte ich.

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Monster [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now